Gin: Das Thema ist durch

Ich möchte eine kurze Geschichte erzählen. Sie beginnt im tristen Nordhessen der siebziger Jahre, führt über München, London, New York, Warschau und viele andere Städte und endet geschätzte 20.000 € später schließlich in einem Edeka-Laden in einem elenden 10.000-Einwohner-Städtchen i n Ostwestfalen-Lippe. Es ist meine Geschichte meiner Liebe zum Gin.

Im tristen Nordhessen der siebziger Jahre besaßen meine Eltern ein paar kleine Drogerien, sie arbeiteten viel, wir lebten redlich, gut und angesehen – aber darum geht es hier nicht. Jeden Freitagabend ließ sich ein sehr wohlhabendes, vielleicht sogar reiches örtliches Unternehmer-Ehepaar seine Wochenbestellung bei uns von uns in’s Haus liefern. Neben Klopapier, Waschmittel, Hundefutter, Binden, Kaffee, Säfte und Kosmetika (ja, all sowas konnte man früher in Drogerien kaufen, als es noch Drogerien gab) waren aus heutiger Sicht unsägliche Weine dabei (ich entsinne mich an Trittenheimer Altärchen, Wehlener Sonnenuhr, Kröver Nacktarsch  und vom Rhein die Bingener Sonnenuhr, allesamt halbtrocken) und jede Woche zwei Flaschen Gordons Gin und eine Flasche Cinzano Bianco (nicht Extra Dry, Bianco). Man munkelte, im Fabrikanten-Hause werde jeden Abend Martini Cocktail („Du weißt schon, wie in diesen James-Bond-Filmen …“) vor dem Essen getrunken. Ich war vielleicht 16, 17 Jahre alt, da übermannte mich die Neugierde: wir hatten in den Geschäften Batterien von 2 und 4 cl Fläschchen aller möglicher Alkoholika zu ich glaube 90 Pfennig (der Nordhäuser Doppelkorn, wohlfeile Importwahre aus der nahen – damals noch – DDR) bis 2,50 Mark (für den Luxus-Chivas-Regal), die die wohlhabenden ortansässigen Alkoholiker (damals allerdings sprach man weniger von Alkoholikern als vielmehr von „gestandenen Männern“ und von „Frauen mit gewissen kleinen Problemen, über die man nicht spricht und über die man hinwegsieht“) gerne als kleines to-go mit auf den Weg in’s Büro oder in’s Lehrerzimmer nahmen. Aus diesem Angebot „stibitzte“ (nennen wir es so) ich ein 2 cl Fläschchen Gordons Gin und trank es voller Neugierde. Pfui Teufel, mit diesem Fläschchen war das Thema Gin für mich für Jahre gestorben und erledigt.  (Bis heute habe ich mich übrigens nicht getraut nachzustellen, wie ein Martini Cocktail aus zwei Teilen Gin und einem Teil Vermouth Bianco wohl schmecken mag,  aber es gibt wohl Dinge, die lässt man lieber, gleichwohl man sie problemlos tun könnte.)

Meine Studienzeit in München vernebelte ich natürlich mit reichlich Bier (ich studierte ja schließlich in Bayern, in Kneipen vorzugweise Edelstoff oder Löwen Hell, daheim in meiner Studentenbude Oettinger für 9,99 Mark den Kasten) und einem Spanischen Rotwein, Tarragona geheißen, für 2,99 Mark die 0,7er Flasche bei Penny erhältlich und nach unbotmäßigem Genuss jeden Schädel am nächsten Morgen zum Platzen bringend. Harte Alkoholika waren mangels Finanz-Masse weniger auf dem Speiseplan, zum Geburtstag und zu Weihnachten mal ein paar Fläschchen Blended Scotch (der Single-Malt-Hype fing damals gerade an) von der Familie, und die wurden dann gehütet und geschont. Ich arbeitete zu dieser Zeit neben dem Studium für ein kleines, ziemlich schickes Münchner Stadtmagazin als Gastro-Kritiker. Die Anstellungsbedingungen waren ziemlich klar: keinerlei Bezahlung, aber einen echten Presseausweis, und von all den „Musterexemplaren“, „Probestücken“, „Presseeinladungen“, die von den Marketing-Maschinen der Industrie quasi wie von selbst in der „Redaktion“ (die Studentenbude eines Kommilitonen) eintrudelten, durfte ich mir meinen redlichen Teil schnappen: Weinflaschen, Hotelwochenenden, Probefahrten mit neuen Autos. Fast immer schrieben wir sehr positive Dinge über diese Geschenkten Gäule in unserem Schicki-Micki-Blättchen, das werbefinanziert und kostenlos im allen Lokalitäten der Kir Royal-Gesellschaft der damaligen Zeit auslag (Bussy-Bussy, Michael Graeter, Sperrbezirk, Gauweiler, Deutschlands erstes Drei-Sterne-Restaurant, der alte Strauß leibhaftig, der Donisl-Skandal, Dieter Dorn direkt neben Moshammer dem Widerlichen mit Royce-Royce und blauhaariger Mutter), und die werbetreibende Industrie nahm dies wohlwollend zur Kenntnis und bedachte uns weiter reichlich mit Geschenken. Eine Kommilitonin fungierte als „Sekretärin“ in dem Spiel, führte die Einnahmen-/Ausgaben-Rechnung (das Konstrukt lief als GbR, mir laufen noch heute Schreckensschauer über den Rücken, was da alles hätte passieren können …) und organisierte telephonisch auch Termine. Wann immer ich in einem besseren Restaurant essen wollte (im Atzinger und beim Alten Wirt und der Schleuse in Obermenzing natürlich nicht, da war ich ja ständig), rief sie vorher ganz frech an und kündigte mich als den Restaurantkritiker vom *** an. Das funktionierte immer, ich habe in dieser Zeit mit dieser Nummer niemals – mit einer Ausnahme – für mein Essen gezahlt, später lud ich dann auch meine jeweilige Freundin ein, das Spiel funktionierte auch zu Zweit. Die Kommilitonin kündigte an, wir gaben uns zu erkennen, der Service tafelte auf vom Besten, und der Wirt kaute uns ein Ohr ab, wie toll und wie frisch und wie gut und wie rhabarberrhabarberrhabarber, und ich betrieb danach Huren-Journalismus: voller Bauch, manchmal sogar noch verbunden mit einer Werbeschaltung zusätzlich, von der bekam ich dann Prozente, gegen wohlwollenden Artikel. Nur wenn nach dem Essen ein Teller mit einer Serviette und einem 50 oder 100 Mark-Schein diskret darunter verborgen auf den Tisch gestellt wurde, den wies ich dann (zumeist) empört zurück, man ist ja keine käufliche Journalisten-Hure für Geld oder so – allerdings reichlich Naturalien, das ist noch etwas anderes, auch für’s Selbstwertgefühl. An einem Wochenende legten ein paar Kommilitonen – darunter ich – für unsere Verhältnisse reichlich viel Geld zusammen, und wir mieteten von Samstag- bis Montagmorgen einen VHS-Videorekorder in  einer Videothek (an Kaufen war nicht zu denken, die Dinger waren super-neu, super-hipp und  mit 2.000 Mark auch noch super-teuer) und liehen dazu alle James-Bond-Filme aus, die im Angebot waren. Das Wochenende verbrachten wir mit Kochen, Essen, natürlich Trinken und James Bond Anschauen (ein heute ebenfalls nicht mehr nachvollziehbares Phänomen: plötzlich die autonome Hoheit darüber zu haben, wann welcher Film anfängt, ob und wann er unterbrochen wird, ob und was wiederholt wird … bis dato hatten wir ganz in der Knechtschaft des stur linear ablaufenden Fernsehens gelebt, die einzige Wahlmöglichkeit, die einzigen Freiheitsgrade, die wir hier kannten, war digital Kiste an oder Kiste aus; die Kids von heute lachen über solche vermeintlichen Selbstverständlichkeiten, aber damals fühlten wir uns wie Fernsehdirektoren – aber zurück zum Gin, und der ist bei James Bond zumindest teilweise nicht weit.) Bei diesem James-Bond-Wochenende fiel uns auf, dass – natürlich – in jedem einzelnen Film der Held seinen Martini trinkt, in jedem Film wird ein Rezept für einen Martini zumindest rudimentär genannt, und in jedem Film wird Product Placement par excellence betrieben — aber, und das war uns nicht bewusst, die Rezepturen und Zubereitungsarten variieren von Film zu Film: mal gerührt, mal geschüttelt, mal mit Olive, mal mit Lemon Twist, mal mit Gin, mal mit Vodka. Diese Erkenntnis also hatte zur Folge, dass ich mich als „erfahrener Gastro-Kritiker“ (ganz dicke Anführungsstriche) auf die Suche machte nach dem einzig echten Martini. Die Literatur-Recherche brachte hier erwartungsgemäß wenig, also ließ ich mich von unserer „Sekretärin“ in den drei besten Bars Münchens anmelden. Das war natürlich die Harry’s Bar von William Deck in der Falkenturmstraße (seit Jahren heißt sie nach einem leidigen Lizenzstreit „Pusser’s“, ist aber brillant wie eh und je, auch wenn Deck sen. sich mehr auf die Rolle als Patron zurückgezogen hat und sein Sohn als würdiger Nachfolger  den Barbetrieb macht), damals (wie auch heute) eine, wenn nicht die Weihestätte Deutscher Bar-Fly-Kultur. In welchen anderen Bars ich damals zu meinen Recherchen noch war, habe ich vergessen, sie können keinen so bleibenden Eindruck hinterlassen haben; George Schuhmann mixte damals zwar auch schon in München, war aber noch nicht hipp. William Deck empfing mich freundlich und redselig an einem späten Nachmittag, die Bar hatte gerade geöffnet. Er erzählte mir viel von Gin, verschiedenen Botanicals, Destillationsverfahren, der Kälte von richtigem Bar-Eis, sogar von Hogarths Gin Lane, dem traurigen Ursprung des Gins und seines kometenhaften Aufstiegs durch die und nach der Prohibition, von den jeweiligen Vorzügen des Rührens und des Schüttelns im Barbetrieb: William Deck weiß sehr, sehr viel über Alkohol, und er ist ein toller Erzähler und Lehrmeister. Dann hieß er den anwesenden Barkeeper einen Martini Cocktail zu machen, Bareis in ein Rührglas zu füllen – unvermittelt erzählte Deck weiter, ihm war noch etwas zum Thema Gin eingefallen – als er fertig war damit, hieß er den Barkeeper fortzufahren, dieser wollte nun Vermouth über das Eis gießen, Deck herrschte ihn an, gefälligst neues Eis zu nehmen, das jetzige sei doch – durch seine eigene Redeunterbrechung – schon fünf Minuten aus dem Tiefkühler und daher unbrauchbar. Der Barkeeper fing also von vorne mit frischem Eis an, beim Vermouth erklärte mir Deck: „Wir nehmen Cinzano, keinen Nolly Prat, wir sind keine Snobs.“ Als Gin ließ er damals ganz selbstverständlich Gordons nehmen, wenn ich mich recht entsinne, gab es damals in Deutschland nur Gordons und Beefeater, ich könnte mich an keinen anderen Gin erinnern. Nun als, das war damals mein erster Martini Cocktail, parfümiertes Bareis, gerührt, nicht geschüttelt, Lemon Twist, keine Olive, und – bei Gottfried – er schmeckte mir. Bis heute bin ich diesem Rezept treu und verteidige es als „mein“ einzig wahres Rezept für einen Martini Cocktail (gleichwohl wissend, dass wohl alle Martini-Cocktail-Trinker ein Rad abhaben und dass es wahrscheinlich so viel einzig wahre Martini-Cocktail-Rezepte gibt wie es Martini-Cocktail-Trinker gibt, aber mit der Zeit wird man ja tolerant …). Eine abschließende Bemerkung noch zu William Deck. Er war der Einzige, bei dem ich mit meinem Presseausweis und meiner Gastro-Kritiker-Nummer je zahlen musste: 30 Mark für drei Martini Cocktails, das tut weh, wenn man als BAFöG-Student 10 Mark pro Tag zum Leben hat. William Deck war und ist kompetent und auskunftsfreudig, aber er hatte und hat es nicht nötig, die Journaille zu bezahlen, sei es mit Naturalien, sei es mit schnödem Geld, und das macht den guten und großen Gastronomen aus, und genau deswegen bin ich ihm und seinem Etablissement bis heute treu geblieben und habe was weiß ich wie viele tausend Euro bei ihm gelassen. Und meine Söhne haben jeweils kurz nach ihrem 18. Geburtstag ihren ersten offiziellen, quasi Inaugurations-Martini-Cocktail im Pusser’s bekommen, der Ältere noch von Deck sen. gemixt, der Jüngere bereits von Deck jun.

Damals, in den 80ern, spielte Gin, wenn überhaupt, noch immer eine untergeordnete Rolle in deutschen Bars, während in Großbritannien und Imperial-Amerika  der Tanqueray schon länger zum Standard-Repertoire gehörte. In Europa tobten – Sie erinnern sich? –  in den späten 80ern und frühen 90ern die Single-Malt-Kriege. Immer mehr und immer teurerer – meistens aber nicht unbedingt bessere, wohl aber exotischere – Single Malts wurden aus Schottland und den kleinsten Brennereien auf den allerhintersten Hebriden auf den Europäischen Markt geworfen, jeder, der auch nur halbwegs als Connaisseur gelten wollte, musste mindestens fünf Single Malts daheim haben und 50 allein am Geruch unterscheiden können, die öffentlichen Verbrennungen von den Liebhabern von Blended Scotch nahmen beängstigende Ausmaße an, der Markt war so überhitzt, dass selbst die Asiaten – allen voran Japan und Korea – großflächig mit in die Produktion einstiegen, auch in Deutschland begann man zuerst am Schliersee herumzudilettieren (in den ersten Jahren gab’s Wartelisten (!) für die Zuteilung einer Flasche dieses bis heute schwerlich trinkbaren Slyrs), viele Brennereien folgten (mein Jüngster sagt, Aureum sei genial, ich finde ihn überflüssig, so spaltet der Single-Malt-Hype Familien), selbst die Imperial-Amerikaner versuchten sich nicht ohne Erfolg im Export hochpreisiger Premium-Bourbon-Whiskeys. Dieser Hype ist längst vorbei. Zum Glück. Statt dessen erschien Ende der 80er der Bombay Sapphire großflächig in dem zentral-europäischen Bar-Angebot, wenig später folgte der Tanqueray London Dry Gin, um die Jahrtausendwende schließlich der Tanqueray No. Ten, der für mich bis heute der Gold-Standard unter den Gins ist, während niemand jemals Bombay Sapphire wirklich braucht (wenn schon, dann den Bombay Original Dry Gin, der hat – wenn auch grobe, so doch durchaus markante – Struktur). Eine Anekdote hier am Rande: ich arbeitete damals viel in London und Warschau, und brachte den Tanqueray No. Ten für meinen Martini aus den diversen Duty Free Shops an den internationalen Flughäfen mit, lange bevor es ihn überhaupt in Deutschland zu kaufen gab. Damals saßen wir eines schönen Abends im Pusser’s, William Deck fragte wie immer „Wie immer?“ (er muss ein Elephanten-Gedächtnis haben, was die Drink-Wünsche seiner Gäste anbelangt), ich nickte, William Deck kam sichtlich stolz mit einer (damals noch typisch achteckig-konischen) Flasche Tanqueray No. Ten an: „Ich hätte hier mal was Neues, ein völlig neuer Tanquerays, den es in Deutschland noch gar nicht zu kaufen gibt, ich habe ein paar Probeflaschen aus England bekommen …“ Da quäkte mein kleiner Sohn neben mir: „Papa, guck mal, das ist doch die selbe Flasche aus der Du seit Neustem Deinen Martini mixt!“ William Deck schwankte zwischen Ver- und Bewunderung sowie geknickt sein, mixte mir aber nichtsdestotrotz einen exzellenten Martini Cocktail. Dann ging alles Schlag auf Schlag. Alle Bars weltweit schienen mit einem Male eine eigenes Kapitel „Gin-Mixgetränke“ auf der Speisekarte zu haben, neue Gins schossen wie Unkraut aus dem Boden.  Schottische Scotch-Destillen machten plötzlich Gin, ebenso wie kleine Schwarzwald-Brennereien, große Food-Konzerne und kleine, urban-hippe neugegründete Schnapsmanufakturen, Vodka-Produzenten nahmen den Gin in’s Programm ebenso wie clevere Trittbrettfahrer für die Regale der Billig-Discounter. Heute hat jede bessere Metropole wenigstens eine eigene Gin-Marke, Gins werden in alten Scotch-Fässern gelagert, damit sie braun werden oder mit Safran versetzt gelb wie Elchpisse, dominante Noten von Zitrusfrüchten, Bergamotte und Waldbeeren liefern sich regelrechte Geschmacksschlachten, unter dem Schlagwort Navy Strength kommen Promille-Monster mit 62 oder 67 Umdrehungen als angeblicher Trinkstärke daher, Designer-Gins – man erinnere sich: Gin, das ist ursprünglich billigster Fusel, bei dem man mit ein paar Kräutern und Beeren, die man gerade findet, die Fusel-Öle geschmacklich so zu übertünchen versucht, dass er für die Ärmsten der Armen gerade so trinkbar wird) – werden im deutlich dreistelligen Preissegment angeboten, es wundert mich, dass geschäftstüchtige Scharlatane wie Lagerfeld, Glööckner, Schuhbeck oder Gucci-Gucci-Guu … noch nicht mit eigenen Gin-Kollektionen am Markt sind, selbst die Deutsche Schnaps-Brenn-Ikone Ziegler offeriert seit letztem Jahr einen eigenen Gin, der bei aller Liebe für die sonstigen Ziegler-Produkte total für’n Arsch ist. Auf den letzten Schnaps-Messen gab es nicht nur Gins von sehr vielen der altehrwürdigen, renommierten, kleinen mitteleuropäischen Brennereien, verstärkt habe ich auch Asiaten mit Gin-Angeboten wahrgenommen. Kurzum: Hype as Hype can be.

Dass dieser Markt sich nun endgültig überhitzt hat und jetzt zügig wieder verschwinden wird, ebenso wie zum Beispiel der Molekular-Schnick-Schnack oder der Single-Malt-Hype, das habe ich an zwei Beispielen ganz konkret gesehen. Mitte letzten Jahres war ich in Wilhelmshaven, erstes Haus am Platze, ein gesichtsloser Vier-Sterne-Kasten direkt am Wasser, aber sehr provinziell. Die Hotelbar war noch nicht einmal hässlich, es gab sogar einen ordentlich ausgebildeten Keeper. Knapp die Hälfte aller Flaschen in dem obligatorisch verspiegelten Glas-Regal hinter der Bar war voll mit unterschiedlichsten Gins, sicherlich über 100 an der Zahl, durchaus beeindruckend, aber heutzutage in der Beschaffung längst keine Kunst mehr.  Man stelle sich vor: von einer einzigen Gin-Sorte in der besten Bar der Republik in den Achtzigern hin zu über 100 Gin-Sorten in einer A.d.W.-Bar in den Zehnern. Das nenne ich mal Wachstum. Und das zweite Beispiel führt wie angekündigt nach Ostwestfalen-Lippe (übrigens gleich links neben Nordhessen gelegen), in einen dortigen Edeka-Laden in besagtem elendem 10.000-Einwohner-Städtchen: dort war ein Kopfregal (die prominenten Regale, die als Abschluss der langen Quer-Regal-Gänge in die Hauptgänge hineinragen, dort wo meist wechselnde Saisonware präsentiert wird) komplett gefüllt mit unterschiedlichen Gin-Sorten, wieder weit über 100 an der Zahl: angefangen beim guten alten Gordons (s.o.) und Beefeater, je drei Sorten Tanquerays und Bombays, Monkey 47, Hendricks, Granit, Adler, Duke, Siegfried, The Duke (blau), gelbe Elchpisse aus Kanada, der zitronige Zitadell, Botanist, Mombasa, der unsägliche Bulldog, Plymouth und Haymans mit 57% … wir haben sie alle in den letzten 20 Jahren kennen gelernt. Und das in der tiefsten Provinz. Gin ist weder Geheimtipp, noch Hype, noch Neu: Gin ist breitester Mainstream, Mode. Moden kommen und gehen. Von den zig Gin-Sorten werden wie meistens ein paar wirklich gute bleiben, ich hoffe, Tanquerays wird dazu gehören, Bombays wird weiter vom Mutterkonzern Bacardi gepusht werden, Gordons ist wahrscheinlich unkaputtbar, und daneben mal schauen.

Und wenn ich mal konservativ rechne: 20 Jahre lang 2 Flaschen Gin pro Monat á (konservativ) 20 € (natürlich nicht nur für mich, auch für Gäste) und 20 Jahre lang 1 Martini Cocktail pro Woche á 10 € in einer Bar, dann komme ich auf die stolze Summe von 23.000 €, die ich zwischenzeitlich alleine in Gin investiert haben muss. Zumindest sollte ich mich nach diesem Investment in der Materie halbwegs auskennen …

Interessanter allerdings die weiter führende Frage: wenn Single-Malt- und Gin-Hype durch sind, was wird der nächste Hype, wo sollte man Schnaps-Aktien kaufen? Ich tippe heute (Januar 2016) mal auf das nächst liegende: Rum! (Wollen wir wetten?)

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