Storchen Windsheim: gelebte Tradition

Summa summarum: Nettes Drei-Sterne-Gasthaus in der Stadtmitte von Bad Windsheim mit grundehrlicher, heimatverbundener, traditioneller, unverkünstelter Küche

Dieses Bad Windsheim lässt mich ambivalent zurück. Einerseits ist es für mich offensichtlich, dass eine halbwegs hübsche, umzerbombte, mittelalterliche Altstadt, ein mit viel Geld hochgezogenes Freilandmuseum, eine moderne Therme auf der grünen Wiese und die Nähe zu einer kaufkraftstarken Metropolregion noch lange kein gelungenes Regionalentwicklungs- und Tourismuskonzept ausmachen, dazu herrscht viel zu viel Leerstand und Verfall in Bad Windsheim. Andererseits muss man ja nun auch nicht alles zerschreiben. Seit – wenigstens – 1736 betreibt die Familie Götz in der mittlerweile elften Generation am Weinmarkt mitten in der verwinkelten Altstadt einen Gastronomiebetrieb namens Zum Storchen; das Gebäude selber stamm aus dem Jahre 1296 und darf sich heute wohl getrost ‚erstes Haus am Platze‘ nennen (nein, dem Arvena würde ich diesen Titel nicht zugestehen wollen). Die Zimmer sind solider Drei-Sterne-Standard, meist relativ klein, aber gemütlich, individuell eingerichtet und sauber, mehr kann man für das relativ kleine Pensionsgeld wahrlich nicht verlangen. Wirklich hübsch ist das ‚Penthouse‘, eine 55qm Dachkemenate mit eigener Terrasse mit Blick auf die Altstadt von Bad Windsheim, allerdings leider nur über ein steiles, enges Dachtreppchen erreichbar.

Die Gastronomie ist bis heute authentisch. In der schönen Jahreszeit kann man vor dem Haus auf dem Weinmarkt sitzen, die Gaststuben im Haus sind urig-gepflegt-unprätentiös, weder modernistisch zu Tode renoviert noch großkopfert aufgehübscht noch g’schlamperter Investitionsstau, sondern ganz einfach über die Jahrzehnte und Jahrhunderte gut in Schuss gehaltene, dann und wann mal sacht erneuerte Bausubstanz und Einrichtung, so etwas findet man heute kaum noch, so etwas ist schön. Die Bedienungen sind flott, freundlich, umsichtig, zuweilen etwas forsch und keck. Die Kundschaft schließlich mag zu fünfzig Prozent aus durchreisenden Gästen wie mir bestehen und zur anderen Hälfte aus Vertretern der örtlichen Hautevolee, unter denen man sich weitgehend kennt. Bis auf den vermaledeiten „Storchen Burger“ lässt sich die Speisekarte getrost als konservativ-gut bürgerlich-fränkisch charakterisieren, natürlich mit Bratwürsten, allerlei Kurzgebratenem, Schäufele, Fleischküchle mit Wirsing, Hirschragout, in der Saison Karpfen, Spargel, Holunderblüten im Bierteig, als Beilagen vor allem fränkische Klöße und fränkischer Kartoffelsalat. Brotzeiten fehlen gänzlich, was angesichts der Restaurantöffnungszeiten von 11:30 bis 14:00 Uhr und von 17:30 bis 22:00 Uhr nicht verwundert. Die gesamte Speisekarte kommt mit zwei Seiten aus, dafür hat kein Gericht den Ruch der Convenience.

Was dann aus der Küche daherkommt, ist durch die Bank weg ehrlich, schmackhaft, kalorienreich, traditionell. Die Fleischbrühe leider trübe, aber was für ein Süppchen, dazu mit reichlich Einlagen. Eine heimische Probierbratwurst kein Problem (obwohl die Kerlchen eigentlich nur paarweise auf der Speisekarte stehen), fett, mächtig, deutliche Majoran-Note, wohlschmeckend, als Vorspeise fast schon zu viel, das Sauerkraut dazu lecker, das Brot vom Bäcker und nicht aus dem Supermarkt. Auf Nachfrage erklärt mir die Bedienung, der echte Franke esse seine Brådwörschd traditionell ohne Senf, nur Zugereiste und Touristen verlangten hier nach Senf; eine Ausnahme bilden nur die Nürnberger Rostbratwürstchen, die werden uni sono mit Senf verzehrt, ob Tourist, Zugereister oder Einheimischer. Tadellos der Backfisch im Bierteig, die Sauce Tatar tatsächlich selbst gemacht, der fränkische Kartoffelsalat dazu zum Reinknien. Das Schäufele ist, wie ein Schäufele sein soll: saftiges Fleisch, reichlich resche Kruste, kurzes, sehr geschmackvolles Sößchen, frischer Kartoffelkloß, mehr braucht’s nicht zum Glück, wenn man auf unverfälschte, typische Landküche steht. Für ein Dessert war dann kein Platz mehr – leider. Und kein Hauptgericht über 25 EURO, nahezu unglaublich, selbst das Rinderfilet mit Beilagen nicht.

Eine lobende Erwähnung ist sicherlich noch das Frühstück wert: frische Backwaren vom örtlichen Bäcker, Wurst vom lokalen Metzger, selbst gemachte Marmeladen, Eierspeisen à la minute und frische Kaffees serviert von einer freundlichen Kaltmamsell, so beginnt der Tag gut.


Flair Hotel Zum Storchen
Familie Götz
Weinmarkt 6
D – 91438 Bad Windsheim
Tel.: +49 (98 41) 66 98 90
Mail: info@zumstorchen.de
Online: www.zumstorchen.de

Hauptgerichte von 14,80 EURO (gebackene Schweineleber) bis 24,50 EURO (Hirschragout); Drei-Gänge-Menue von 24,20 EURO bis 46,10 EURO*

DZ/F 125 EURO bis 145 EURO (pro Zimmer, pro Nacht)

* Die Preise stammen aus Dezember 2023

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One comment

  1. Reinhard Daab

    Guten Tag Herr Opl,

    freut mich wieder etwas von Ihnen zu lesen, ich dachte schon ob der langen Pause, nun hat er sich zurückgezogen!

    Dieser Bericht hat mir ausgesprochen gut gefallen, denn derartige Gasthäuser gibt es nicht mehr sehr oft.

    Freundliche Grüße
    R. Daab

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