Höhn Memmelsdorf – die Erfindung der deutschen Gastwirtschaft 2.0

Summa summarum: moderne traditionelle fränkische Brauereigaststätte mit komfortablen Zimmern, zeitgemäßem, aber nicht beliebigem Design, sehr gutem gutbürgerlichem Essen fast ohne Spinnereien und sehr netten Menschen und Robotern

Mainfränkisches Idyll, Schloss, Orangerie, Karpfenteiche, malerische kleine Täler, sanfte Hügel, Ausläufer von Weinbergen, Streuobstwiesen, alte, propere, doch unspektakuläre Städtchen und Dörfer, verkehrsberuhigte Ortsmitten, ÖPNV-Busse nach und von Bamberg im Takt, wenig produzierendes Gewerbe, stattdessen Wohn- und Schlafstätten für stadtmüde Bamberger, mitten darin knallig rot gestrichen der Gasthof Höhn, bis heute mit eigener handwerklicher Brauerei, in der der Wirt noch selber das – ausgesprochen leckere – hauseigene Bier braut. Soweit zum einen. Zum anderen das Autobahnkreuz Bamberg keine fünf Kilometer entfernt, hinter dem Gasthof ein Parkplatz, der jedem mittelstädtischen Einkaufszentrum zur Ehre gereichte, dazu drei moderne Anbauten, die zusammen vierzig Gästezimmer beherbergen, ein nicht wirklich lauschiger Biergarten, in den zwei Roboter (!) über eine lange Rampe Getränke und Speisen von Schanktresen und Pass runterschleppen, die alten Gasträume modern-rustikal-funktional (aber alles andere als gemütlich) umgebaut, in dreißig, fünfzig Jahren mag das Alles vielleicht mal Patina angesetzt haben und als urig-authentisch daherkommen.

So ambivalent begrüßt der Brauereigasthof Höhn in Memmelsdorf den Reisenden. Doch am Ende wird alles mehr als gut. Ausgesprochen freundliches, problemloses Einchecken bei der Senior- oder Junior-Chefin, die Gästezimmer und Bäder sind für ein Drei-Sterne-Haus ziemlich groß, funktional und gemütlich eingerichtet, da beißt die Maus kein Faden ab. Die neu renovierten Gaststuben können für den einen oder anderen gewöhnungsbedürftig sein, was auch daran liegen mag, dass so mancher durchreisende Gast – ich zum Beispiel – altfränkischer ist als so mancher alte fränkische Wirt mit Servierroboter. Sei’s drum, die Einrichtung ist mal was anderes, nicht modisches Chichi, nicht billig hingerotzt, nicht überkandidelt luxuriös, nicht nostalgisch-heimattümelnd, sondern vielleicht eher deutsche Gastwirtschaft 2.0, solide, handwerklich gebaut, puristischer, schnörkellos. Es müssen ja nicht mehr immer Butzenscheiben, bäuerliches Schnitzwerk und im finst‘ren Forst röhrende Hirsche in Öl sein. Bei allen innenarchitektonischen Innovationen bleibt die Speisekarte zum Glück dann doch gut bürgerlich, regional, sieht man von dem vermaledeiten Burger und so einem Schmarrn wie einem veganen Sauerbraten auf Erbsenproteinbasis einmal ab. Die Karte wird dominiert von fränkischen Klassikern – Schäuferla, Sauerbraten, Krenfleisch, Karpfen, Zwiebelrostbraten, Hirschragout – dazu ein paar kurzgebratene Gerichte, Fischlein, Salate, Suppen, Desserts, mehr als zwei Dutzend Positionen umfasst die Abendkarte insgesamt nicht.

Und Kochen können’se im Höhn. Als Vorspeise werden u.a. Pulled Schäuferla Pralinen – eine hauseigene Erfindung – serviert: gerupftes und hausgeräuchertes Schäuferla mit Käse vermengt und in Malzschrot gebacken, auf Rahmsauerkraut serviert mit BBQ – und mit Käsesauce. Meines ist diese Kreation nicht wirklich – bis auf das sensationelle Rahmsauerkraut – aber sie ist auf jeden Fall der Beweis, dass fränkische Küche heute noch immer auch ohne krampfhafte Spinnereien wie veganen Sauerbraten kreativ-innovativ sein kann. Sensationell wohlschmeckend und kräftig ist die Rindersuppe; die beiden katzenkopfgroßen Leberknödel darinnen ‚Leberklößchen‘ zu nennen, kann man allerdings nur als Litotes bezeichnen. Viel mehr als nur ‚tadellos‘ die Hauptgerichte: der Fränkische Zwiebelrostbraten von der Rinderhüfte mit zwei Sorten Zwiebeln, einer herrlichen Sauce und hausgemachtem Kartoffelgratin, dann der Sauerbraten mit Kartoffelklößen, Blaukraut und einer Sauce zum Reinknien, schließlich das perfekt soufflierte Wiener Schnitzel, alle Gerichte gekonnt, authentisch, wohlschmeckend – und bei der Portionsgröße mehr als sättigend. Wollte man hier wirklich etwas kritisieren, so die Tatsachen, dass die Pommes ziemlich lätschert daherkommen und – Preisdiskussion in der Gastro hin, Preisdiskussion in der Gastro her; bei einem Wiener Schnitzel für 30 EURO sage ich ja gar nichts – dass 5,40 EURO für einen kleinen Beilagensalat ganz schön happig sind. Die Crème brûlée von der Tonkabohne ist nicht erwähnenswert, bei dem Crêpe bin ich mir – als einziges – nicht sicher, ob es tatsächlich selbst gemacht ist, dafür sind die Apfelkräpfla mit hausgemachtem Vanille-Karamell Eis einfach wieder sensationell.

Dazu flotte, nette Servicekräfte, die irgendwie omnipräsente Wirtsfamilie, freundliche Mitmenschen mit einem lustigen Axiom, süffige hauseigene Biere, regionale Weine und Schnäpse, gepflegtes Schmausen, Parlieren, Lachen, hier isst man nicht nur gerne, hier ist man auch gerne. Am nächsten Tag soll’s eigentlich weitergehen Richtung Norden, doch dummerweise hat’s über Nacht geschneit. Also flugs das Zimmer verlängert, Tisch zum Abendessen reserviert, ausführlich gefrühstückt und Zeitung gelesen, auf dem Zimmer bis gegen Mittag gearbeitet, bis das Zimmermädchen fast schüchtern klopft „Entschuldigen Sie, Ihr Zimmer ist das letzte, alle anderen habe ich durch, ich müsste jetzt wirklich mal …“, Zimmermädchen Trinkgeld in die Hand gedrückt, die es völlig verdattert-dankbar nimmt, wohlgemut in die Gaststuben gegangen, Kleinigkeit gegessen, die ersten beiden Biere getrunken, wohliger Mittagsschlaf bis halbe Viere, Zigarre beim Bier unter’m Heizpilz, in die Gaststube zum Aufwärmen, außer mir sind noch vier ältere Männer beim Cappu da, ich schätze, pensionierte Lehrer; ob sich das denn rechne, das Lokal bei dieser Frequenz um diese Zeit überhaupt offen zu halten, frage in den Kellner; das habe man intern auch schon öfters diskutiert, aber der Chef wolle es so. Erstens müsse sowieso ständig jemand da sein für das Einchecken der Anreisen, zweitens sei die Küche immer jemand ab Drei, halb Vier da, und er selber – der Kellner – habe über den Nachmittag auch ohne viel Laufkundschaft genügend zu tun, aufräumen, auffüllen, eindecken, besonders vor Veranstaltungen, und so weiter und so fort, langweilig sei ihm noch nie geworden. Vor allem aber sei es dem Chef wichtig, einen offenen Raum für das Städtchen vorzuhalten, wo man von Sieben Uhr morgens bis spät in die Nacht zusammenkommen könne, sich treffen, reden, was trinken, oder um einfach mal auf’s Klo zu gehen. Noble Geste, denke ich mir, wo andere Gasthäuser nach dem Frühstück bis Fünf zusperren, betriebswirtschaftlich wahrscheinlich nicht allzu teuer und gleichzeitig unbezahlbares Branding. In der nächsten Nacht hat’s dummerweise nicht geschneit. Was also tun? Flugs Zimmer um noch eine Nacht verlängert und den Norden Norden sein gelassen … Ich bin noch nicht durch mit der Speisekarte.


Hotel Brauerei Gasthof Höhn GmbH
Hauptstraße 11
D – 96117 Memmelsdorf
Geschäftsführer: Georg Höhn, Lisa Höhn, Sebastian Höhn, Cornelius Hofmann
Tel.: +49 (9 51) 40 61 40
Fax: +49 (9 51) 4 06 14 44
Email: info@gasthof-hoehn.de
Online: https://hotel-gasthof-hoehn.de/

Hauptgerichte von 18,90 EURO (Bandnudeln, Gemüse, Sahne, Parmesan, Trüffelbutter) bis 34,90 EURO (Rinderfiletsteak mit Beilagen, zusätzlich kl. gem. Salat +5,40 EURO); Drei-Gänge-Menue 32,20 EURO bis 62,10 EURO

DZ/F 100 bis 248 EURO (pro Zimmer, pro Nacht)

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