Bären in Schlatt: einfacher, angenehmer, liebeswerter, ruhiger Alpen-Gasthof

Summa summarum: sympathisches, rustikales, kleines Hideout im tiefsten Appenzell fernab der Touristenströme mit phantastischem Alpenblick, einfachen Zimmern, einer mal mehr, mal weniger ambitionierten Küchenleistung, unaufgeregter Grundstimmung und herzlichen Wirtsleuten

Hinter St. Gallen nach Süden, zuerst die Hügel hinauf, später dann durchaus schon erste Berge (ein echter Schweizer spräche hier wohl immer noch von Hügeln), rein in’s Appenzeller Land, immer links abbiegen (ich weiß nicht, wieso, aber ich bin tatsächlich vierzehnmal links und nur einmal rechts abgebogen auf der ganzen Strecke), von der Schnellstraße auf die Hauptstraße, von der Hauptstraße auf die Landstraße, von der Landstraße auf die Nebenstraße, von der Nebenstraße auf das Sträßchen, von dem Sträßchen auf den Weg, von dem Weg auf die Schotterpiste, und plötzlich ist die Welt für nicht geländegängige Fahrzeuge zu Ende. Hier, hoch über dem Tal, inmitten von steilen Bergwiesen, in einer kleinen Siedlung namens Schlatt, kein Dutzend Häuser, aber eine beachtlich großen Kirche mit ungleich beachtlicher lautem Glockenwerk, mit phantastischem Blick auf das ganze Alpsteinmassiv steht ganz unprätentiös, fast schon bescheiden der Gasthof Bären, ein einfaches, regional typisches, dreistöckiges Haus aus dem 19. Jahrhundert mit Front zum Tal, daneben eine schattige Gast-Terrasse, niedrige Türen und Decken, knarzende Treppe, einfaches, aber freundliches Interieur, etwas überladen mit Deko-Kitsch, Tüll, Kuhglocken (hier Senntumschölle geheißen), viel Holz, angenehmes Licht, kunterbunt zusammengewürfeltes Alu-Besteck und wohlfeiles Porzellan sind hier eher Lokal-Kolorit als störend, aber Riedel-Gläser, und vor allem: herzliche Wirtsleute, Sonja und Walter Rechsteiner-Schenk, sie im Service, er in der Küche, die beiden sind nicht nur höflich, nicht nur korrekt, nicht nur freundlich, die beiden sind einfach herzlich zu jedem Gast, sie lassen einen spüren, dass sie gerne Gastgeber sind und dass jeder Gast auch willkommen ist. So etwas hat man selten, heutzutage.

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Der Bären bietet vier einfache Gastzimmer, drei davon mit eigenem Bad, hellhörig, billige Baumarkt-Möbel, weiche Schaumstoffmatratzen, einfaches Bettzeug, kratzige Handtücher, Siebziger-Jahre-Armaturen, laut bollernde Lüftung im Bad, ein winziger Röhrenfernseher (da haben manche Tabletts heute größere Bildschirme), äußerst verträumtes Internet, kaum Mobilfunkempfang, Morgens um Sechse bimmelt die benachbarte Kirche, was das Zeugs hält, an Schlafen ist da nicht mehr zu denken … und von jedem Zimmer diese gigantische Aussicht über das Tal auf das Alpsteinmassiv. Aber hierher kommt man – es sei denn, man wäre ein die Abgeschiedenheit suchender Dichter – nicht, um groß auf dem Zimmer zu hocken. Ausgiebig wandern, bei einem Apero auf der Terrasse in die Abendsonne blinzeln, dann trefflich schmausen und zechen, hernach ermattet auf einfaches Lager fallen und ruck-zuck wegratzen, das ist es, weswegen man hierher kommt.

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Obwohl mit einem Guide Michelin-Teller ausgezeichnet, ist das Essen durchwachsen, man kann’s nicht anders nennen. Als amuse gueule eine halbierte, gekochte Knoblauchknolle, aus der man sich mit einer Gabel die butterweichen Zehen herauspult, auf knuspriges, dunkles Baguette streicht, vielleicht mit etwas Meersalz, Olivenöl oder Butter würzt und einfach nur genießt: das Zeugs hat auf jeden Fall Suchtpotential, ich hätte nie gedacht, dass ich mal auf einen Sitz eine halbe Knoblauchknolle wegmampfen würde. Der Nüsslisalat (Feldsalat) vorab ist tatsächlich Feld-Qualität, nicht dieses winzige, geschmack- und konsistenzlose Nährlösung-Treibhaus-Zeugs, tadellos geputzt,  jede einzelne kleine Wurzel fein säuberlich abgezwickt, das Essig-Öl-Dressing einwandfrei. Als Vorspeise ein Ragout von weißen Spargeln und frischen Morcheln in einer Sahnesauce, dazu gebratene neue Kartoffeln, einfach nur ein Gedicht. Wozu es dann noch den Spinat, das Rübchen, die Möhrenscheiben und vor allem die aufgewärmten, absolut geschmacklosen Tiefkühlerbsen drum herum auf dem Teller brauchte, ist mir ein Rätsel geblieben, vielleicht irgend eine Farbsymbolik von dunkelgrün-weiß-orange-hellgrün? Diese unnötigen Beilagen – Dreingaben – machen viel mehr kaputt, als sie irgendwie positiv zum Genuss beitragen würden. Rindsbouillon mit Sherry einfach nur tadellos. Das Kalbsgeschnetzelte in Champignonrahmsauce mit Rösti wieder durchwachsen: sehr gute Rösti (hier aus halb gekochten, mehligen Kartoffeln), phantastisches Kalbsfleisch, aber Dosenchampignons und eine vor Saucenbinder triefenden Sauce. Karamelcreme, Kaffee und Appenzeller Kräuterschnaps zum Dessert wieder einwandfrei. Aber da fragt sich der Gast schon, warum macht jemand, der offensichtlich richtig gut kochen kann, der über gute Produkte verfügt, sowas? Warum knipst jemand jede einzelne Wurzel vom Feldsalat ab und nimmt dann Dosenchampignons? Warum macht jemand eine hervorragende Sahnesauce zum Spargel-Morchel-Ragout und wirft beim Kalbfleisch dann mit Saucenbinder um sich?

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Das Frühstück versöhnt dann einigermaßen. Buffet gibt’s bei vier Fremdenzimmern sowie keines, aber einen fröhlichen Wirt, der persönlich das Frühstück serviert und dabei gerne plaudert. Die Backlinge seien hier oben auf dem Berg verziehen, aber guter Filterkaffee, frische Rösti, Bündner Fleisch, hervorragender Appenzeller Käse und etwas frisches Obst machen das allemal wett.

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Gasthaus Bären Schlatt
Sonja und Walter Rechsteiner-Schenk
Dorf 6
9050 Appenzell – Schlatt‘
Schweiz
Tel.: +41 (71) 7 87 14 14
Fax: +41 (71) 7 87 49 33
E-Mail: info@baeren-schlatt.ch
Internet: www.baeren-schlatt.ch

 

Hauptgerichte von 26,50 CHF (Süßkartoffel-Curry) bis 38 CHF (Rinderfilet), Drei-Gänge-Menue von 41 CHF bis 66,50 CHF

 

DZ Ü/F 118 € bis 152 € (pro Zimmer, pro Nacht)

 

Das sagen die Anderen:

  • Guide Michelin Inspektoren: 1 Guide Michelin Teller
  • Guide Michelin (Booktable) Gästebewertungen: n.a.
  • Gault Millau: n.a.
  • Schlemmer Atlas: n.a.
  • Varta: n.a.
  • HRS-Klassifizierung: n.a.
  • Booking.com-Klassifizierung: 2 von 5 Sternen; Booking.com-Kundenbewertung: 8,9 von 10 (bei 53 Bewertungen)
  • Holidaycheck: n.a.
  • Yelp: n.a.
  • Tripadvisor: 4,5 von 5 Punkten (bei 9 Bewertungen)
  • Google: 4,9 von 5 Sternen (bei 15 Bewertungen)
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