Summa summarum: große Auswahl von monströsen Schnitzeln, convenience-schwangere Beilagen, ölige Salate, dubiose sonstige Gerichte, suspekte Cocktails, leckeres Rheder vom Fass
Es gibt Wirte, die können jede Speisekarte in’s Monströse drehen. Qualität und Wohlgeschmack werden dort durch die schiere Masse erschlagen. Dazu gehört gewiss der Schnitzelkönig in Bad Karlshafen, der sich in der ehemaligen gut bürgerlichen – in seinen letzten Jahren nur noch jämmerlich bürgerlichen – Gaststätte Zum Landgraf Carl im ältesten Gebäude des Städtchens eingenistet hat. Innendrinnen ist der Landgraf Carl weitgehend unverändert, vorne eine spießige, klein-, nicht gutbürgerliche Gaststube mit Brauerei-Möbeln aus vielleicht den siebziger Jahren, so ging Gasthaus vor 50 Jahren, hinten noch ein gesichtsloser Raum vor den Toiletten, vor dem Haus auf dem eigentlich recht hübschen Hafenplatz – wäre neuerdings da nicht dieses grotten-hässliche, industriell-moderne, sogar nicht ins denkmalgeschütze Ensemble passende Pumpenhaus für die Schleuse des sinnbefreit „revitalisierten“ barocken Hafen des Städtchens – Tische im Freien inmitten einer Orgie aus Rot- und Ocker-Tönen des omnipräsenten heimischen Sandsteins.
Getreu des Restaurant-Namens dominieren Schnitzel in allen Größen die Speisekarte: Wiener Art, À la crème, Champignons-Rahm, Paprika, Hollandaise, Zwiebel, Pfeffer-Rahm, Hugenotten, Hawaii, Cordon Bleu XL, jeweils zu 150, 300 oder 600 Gramm, das Cordon Bleu („mit Feuereffekten zu Tisch gebracht“) gar über ein Kilo (wer bitte isst sowas?). Tatsächlich hört man nach jeder Schnitzel-Bestellung das fröhliche Klopfen des Plattier-Eisens aus der Küche, hier wird also offensichtlich keine vorkonfektionierte TK-Ware in die Fritteuse geworfen, sondern vielmehr frisch geklopfte und panierte Schnitzel in die Fritteuse geworfen. Was dann kommt, sind große, sehr große oder riesige, frisch frittierte, fasrige Schnitzel mit dubiosen Beilagen, übel nach Konservierungsstoffen schmeckenden Fertig-Saucen und rasch ebenfalls frittierten Convenience-Kartoffel-Beilagen, die auf der Karte angepriesenen hausgemachten Bratkartoffeln gibt es bei drei Besuchen grad nicht, als es sie dann mal gibt, wünscht man sich, es hätte sie nicht gegeben. Über die öligen, verwelkten Beilagen-Salate schweigt der Gast, zum Glück sind sie minimal portioniert. Auch darüber Schweigen, wer die sonstigen Gerichte der Speisekarte – Lammgulasch, Ochsenbäckchen, Hühnerfrikassee, Gulaschsuppe, Hochzeitssuppe, Blumenkohl-Käse-Medaillons, Reibekuchen, Lachsfilet in Butter-Limetten-Sauce, Gemüsefrikadellen, … – wohl ursprünglich gekocht haben mag? Dazu passt die Dessertkarte mit Eis, TK-Apfelstrudel und TK-Schokoküchlein mit flüssigem Kern (wie oft habe ich diese Dinger in letzter Zeit auf Speisekarten gesehen, die müssen derzeit der Convenience-Renner sein) sowie eine mehr als suspekte „Cocktail“-Auswahl, die eigentlich dazu notwendigen Alkoholika hätte ich jedenfalls nicht hinter dem Schanktresen entdecken können.
Den Gästen – meist Radtouristen auf dem Weser-Radweg auf ihrem abschüssigen Weg gen Bremen nach Norden – jedenfalls scheint’s zu munden. Es ist ein Trauerspiel, wäre da nicht das süffige Rheder-Bier vom Fass.
Hotel Restaurant Zum Landgraf Carl dem Schnitzelkönig in Hessen
Hafenplatz 2
D – 34385 Bad Karlshafen
Tel.: +49 (56 72) 9 21 88 83
Online: https://carl.auszeitradio.de/ (derzeit under construction)
Hauptgerichte von 11,90 € (Gemüsefrikadellen mit Kroketten und Hollandaise) bis 25,90 € (Cordon Bleu, Pommes), Drei-Gänge-Menue von 21,30 € bis 46,30 €
Guten Tag Hr.Opl,
das von Ihnen geschilderte wundert mich in der heutigen Zeit nicht mehr.
Vor einiger Zeit las ich folgendes:
Der heutige Beitrag behandelt einige konzeptionelle Fragen. Jeder weiß oder hat gelesen, welche Probleme / Herausforderungen Restaurantbetriebe derzeit haben. Dauerproblem Nr. 1 ist der Personalmangel. Steigende Personalkosten und weiter steigende Energiepreise machen das Restaurant Geschäft heute nicht wirklich attraktiv, was die Rentabilität angeht. Deswegen ist eine gut gehende Hotellerie in jedem Falle nötig. Wie man sieht, müssen viele „stand alone“ Restaurants ihre Öffnungszeiten, dramatisch einschränken, wenn sie nicht sogar schließen. Nachfolgeregelungen sind oft die Haupthürde. Nur die gehobene Hotellerie bietet im geöffneten Haus durchgehend auch den Restaurantservice, dort wo mehrere Restaurants existieren, zumindest teilweise.
Das abgebildete Schnitzel würde ich schon nicht essen wollen. da kocht man doch lieber selbst!
Viele Grüße
R. Daab