Trauerspiel in zünftigem Ambiente: Riegele Brauereiwirtshaus am Hauptbahnhof

Seit Jahrzehnten haben wir uns gewundert, warum das absolut zentrale Innenstadtgelände mit altem Baumbestand und sogar Parkhaus nebenan nur als Brauereigelände genutzt wurde: gemeint ist die Riegele Brauerei am Augsburger Hauptbahnhof. Wohl angespornt vom Erfolg des 1516 Brauhauses im Hauptbahnhof hat sich die Riegele Brauerei nun endlich auch entschlossen, das Brauereigelände gastronomisch zu erschließen: eine große, moderne, aber nicht hässliche, sondern durchaus authentisch anmutende Brauereigaststätte ist hier entstanden, dazu eine Bierterrasse vor dem Haus (leider immer im Schatten gelegen, dort wo Sonne scheint sind keine Tische aufgestellt, wahrscheinlich müssten die Bedienungen zu weit laufen …), zusätzlich sind eine Sonnenterasse mit Blick auf die Bahngleise (nicht hässlich-unromantisch, sondern vom Konzept her eher schräg) und ein echter Biergarten unter alten Bäumen noch im Entstehen. Ein generell löbliches Unterfangen für das gastronomisch und speziell bajuwarisch-gastronomisch eher minderbemittelte Augsburg.
Die Bierauswahl ist – wie es sich für eine Brauerei gehört – wirklich toll. Ein gutes halbes Dutzend Riegele-Bier-Spezialitäten frisch vom Fass, vom 0,1 l Probierschlückchen bis zur gestandenen Mass, vom Starkbier bis zum Alkoholfreien, dazu über ein Dutzend Flaschenbiere und sogar Bier-Cocktails, die gar nichtschlecht sind. Da macht die Bierprobe richtig Spaß. Für mich war Riegele bisher immer identisch mit dem Commerzienrat, um so erstaunter war ich als ich feststellen konnte, dass Riegele neben dem Commerzienrat auch durchaus sehr leckeres Bier brauen kann. So viel zu den Getränken.
Nun zum Trauerspiel, dem Essen. Flädlesuppe in Kantinenqualität, industriell gefertigte Pfannkuchenstreifen in belangloser Brühe. Interessant klangen die warmen und die kalten Brauhaus-Tapas. Die warme Variante entpuppte sich als lauwarme Scheibchen von vielleicht einer Viertel Weißwurst im Ausbackteig frittiert, darüber eine weiße Sauce die penetrant nach Lavendel und/oder Cloreiniger schmeckte und so das ganze ungenießbar machte; die angekündigten Mini-Kalbs-Fleischpflanzerl waren eine ein Teile geschnittene halbe Bulette; die Bierwürstel im Sud waren vielleicht eine Viertel Bratwurst in ein wenig Brühe mit Gemüse; die „Verschiedenen Dips“ schließlich waren eine Klecks einer Art Zwiebel-Chutney. Und das alles für stolze 7,40 €. Als noch unverschämter entpuppten sich die kalten Brauhaus-Tapas für fast 10 €: der marinierte Bierkäse war in der Tat gut, der Wurstsalat war maximal ein Esslöffel voll Wurststreifen in Essig, der Obatzte erinnerte von Konsistenz, Farbe und Geschmack her an die bekannten imperial-amerikanische industrielle Käsecreme aus der Tube, das Spanferkel waren drei Scheiben kalter Braten. Beste Qualität, geringe Mengen, gesalzene Preise ist generell OK; mäßige Qualität, große Mengen, gesalzene Preise ist zumindest für ein gewisses Klientel noch OK; aber miese Qualität bei homöopathischen Mengen zu unverschämten Preisen, dass ist unverschämt.
So ging es weiter: die angeblich „knusprig auf dem Grill gebratene“ Bierwurst entpuppten sich als rasch in der Pfanne angewärmte, blasse Würstel, der hausgemachte warme Kartoffelsalat war Kühlschrank-kalt. Das Spanferkel war warmgehalten, die „resche“ Kruste dadurch nur noch labberig, die statt der Brezenknödel bestellten Kartoffelknödel waren beim Servieren zu Semmelknödeln mutiert (und mein Sohn hasst Semmelknödel). Ein vollendetes Fiasko schließlich die Nagelprobe für jedes neue Restaurant: ein scheinbar so einfaches Schnitzel (und doch kann man kaum mehr falsch machen als bei einem Schnitzel, und das Riegele Wirtshaus hat wirklich alles falsch gemacht, was man bei einem Schnitzel falsch machen kann). Das Schnitzel nicht aus der Nuss, sondern aus dem Rücken geschnitten (wird per se trocke30n), die Panade nicht locker um das Schnitzel gehüllt, sondern wie Gips drumherum gepappt, das Schnitzel nicht zart-kross-braun, sondern weiß-hell-wabbelig, dazu niemals frisch gebacken, sondern warm gehalten, ebenso wie die Fett-triefenden, ungewürzten, kalten Pommes. Ein besonderes Highlight dazu noch die „Bratkartoffeln“: bleiche, fettige, ungebratene, unknusprige, ungewürzte, leicht lauwarme vorgekochte, geschälte und vorgeschnittene Convenience-Kartoffelscheiben aus dem großen Beutel, einmal kurz in Fett geschwenkt. Was würde Michele, unser Sizilianischer Freund sagen? „Dort wo ich herkomme hat man Leute schon aus weitaus geringeren Gründen umgebracht.“
Ich hoffe innständig für die altehrwürdige, zumeist sehr ordentliche bis zuweilen geniale Arbeit machende Zunft der deutschen Köche, dass an diesem Tag kein Koch in der Küche des Riegele Wirtshauses zugange war, sondern dass der leibhaftige Teufel sein böses Spiel mit uns armen Gästen getrieben hat. Ein Gericht kann mal daneben gehen (beim Schnitzel sollte so etwas allerdings nicht passieren), notfalls auch mal zwei, aber solch eine konsequente, sich furios steigernde Abfolge an kulinarische Katastrophen, das geht gar nicht. Und der längst nicht mehr geneigte, schaudernd würgende Esser fragt sich, welcher Geist dahinter steht? Einfach ein grottenschlechter Koch? Aber warum lässt das Management solch einen Dilettanten werkeln? Oder ein Management, das gar kein richtiger Koch einstellt um Geld zu sparen, und stattdessen lieber übelstes, warmgehaltenes Covenience an eine unkritische, alles fressende Gästemasse verfüttert? Nehmen wir mal wohlwollend für das Riegele Wirtshaus an, dass an just diesem Tage eine Fünf-Zentner-Bombe mitten in der Küche explodiert ist, das gesamte Küchenpersonal ebenso wie alle Vorräte vernichtet hat und ein verzweifelt-pflichtbewusster, selber schwer verwundeter Juniorchef versucht hat, den Restaurant-Betrieb mit einem Camping-Kocher irgendwie aufrecht zu erhalten. In diesem Falle – und nur in diesem Falle – wäre die kulinarische Leistung verzeihlich …

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