Summa summarum: hübsches Haus in einem Örtchen vor Villingen-Schwenningen, allerdings direkt an einer lauten Straßenkreuzung gelegen, funktionales, wertig eingerichtetes, gepflegtes, pikobello sauberes kleines Zimmer und Bad, wertige, doch gesichtslose 80er Jahre Restauranteinrichtung, nette Terrasse, korrektes, aber nicht freundliches Personal, kein Hotelbetrieb zwischen Frühstück und Mittagessen und nach dem Mittagessen bis zum Abendessen, absolut tote Hose, gutbürgerliche, solide Speisekarte, aber für mich durchgängig grottige Küchenleistung mit dem massiven Ruch der massiven Convenience, das Schlechteste, was ich Baden seit langem erlebt habe.
In’s Badische wollte ich, original Badische Küche essen wollte ich, meine Ruhe haben wollte ich, einheimische Menschen, nicht Touristen um mich haben wollte ich, … wollte ich. Der Hochschwarzwald ist mir mittlerweile meist viel zu touristisch, der Breisgau und der Kaiserstuhl sind schon sehr weit für einen Wochenendausflug, also suchte ich im äußersten Zipfel Badens, um Villigen-Schwenningen, eine Ecke, die ich noch kaum kannte, es nennt sich dort zwar schon „Schwarzwald“, ist aber noch nicht so zum Kotzen schön (Otto Dix) wie der eigentliche Hochschwarzwald, nach einer Bleibe, nach etlichen hundert Klicks auf Google hatte ich etwas Vielversprechendes gefunden, den Schweizerhof in Obereschach, den Bildern nach zu urteilen hübsches Haus, bodenständige, gut bürgerliche, und doch ambitioniert scheinende Speisekarte, nette Terrasse, ordentliche Zimmer. Also flugs gebucht, Siebensachen gepackt und an einem wunderbaren Sommer-Freitagmorgen auf Seitenstraßen über die Alb nach Südwesten gefahren, drei Stunden hatte Google mit Bundesstraßen vorgegeben, auf Landstraßen habe ich Sechse daraus gemacht, eine wunderbare Tour. Obereschach ist ein Dörflein bei Villingen-Schwenningen, das alte „Hübsch hässlich habt Ihr’s hier“ aus der Feuerzangenbowle umschreibt es vielleicht am besten. Zwei mächtige, unter Denkmalsschutz stehende, typische Schwarzwald-Holzhäuser, ein paar Höfe, daneben viel pragmatische Nachkriegsbebauung aus mehr oder minder properen Einfamilienhäusern, ein paar Handwerksbetriebe, Bäcker, zwei Kneipen, ein Fleischerei-Automat, ein Döner-Pizza-Mann, Feuerwehrgerätehaus, ansonsten tote Hose, aber ich will ja meine Ruhe haben.
Der Schweizerhof ist das erste Haus am Platze, hübsches, gelb gestrichenes Gebäude, Blumen vor den Fenstern, nette Terrasse, alles in allem adrett, allerdings an einer Straßenkreuzung gelegen, und da fängt’s an. Die Zimmer sind alles andere als ruhig, ab Sonnenaufgang rattern schwere Traktoren mit großen landwirtschaftlichen Gerätschaften im Anhang am Haus vorbei, zumindest am Wochenende kommen so ab zehn bis lange nach Sonnenuntergang die zweirädrigen Knatter-Terroristen und die prä- und postpotenten Testosteron-gepimpten Machos in ihren übermotorisierten Schwanzersätzen auf ihrem Weg in den richtigen Schwarzwald lautstark dazu. Zum Glück sind die Schallschutzfenster gut, man hat also die Wahl zwischen Krach und Mief beim Schlafen. Das Zimmer selber sind nicht zu beanstanden, klein, aber durchaus ausreichend, 90 cm Bett, zu weiche Matratze, solide Tischler-Möbel, großer Schreibtisch mit zwei freien Steckdosen, Kofferablage, wertiges Stabparkett, sehr ordentliche Bettwäsche und Frottee-Handtücher, alles piko-bello sauber und gepflegt, aber zerschlissene Gardinen, kleines, doch hinlängliches Bad, mit Steinzeug gefliest, ebene Dusche, das passt schon alles irgendwie, da gibt’s nichts zu mäkeln – bis auf den Geräuschpegel halt. Und für die Halb-Liter-Mineralwasser-Flasche auf dem Zimmer wollen die Badenser 3,80 EURO haben, was wo anders als Gruß des Haues kostenlos auf dem Zimmer steht, Schwaben halt, aber es gibt des Nachts ja immer noch den Wasserhahn.
So viel dazu. Deprimierend ist hier der Hotelbetrieb. Frühstück gibt’s von 07:00 oder – an Wocheneden – 08:00 bis strikt 10:00 Uhr. Das Frühstück muss in dem schmucklosen Frühstücksraum eingenommen werden, obwohl drei Türen weiter die hübsche Terrasse verwaist in der Morgensonne liegt. Von 10:00 bis 12:00 Uhr ist das Gasthaus tot, keine Wirtsstube für den Frühschoppen, kein Kaffee im Gastgarten, einfach tote Hose. Von 12:00 bis 15:00 Uhr herrscht dann Hochbetrieb, das Mittagsgeschäft brummt, am Wochenende müssen Gäste ohne Reservierung abgewiesen werden. Von 15:00 bis 17:00 Uhr wieder tote Hose, keinerlei Service, von 17:00 bis 21:00 Uhr brummt dar Laden erneut, danach wieder tote Hose, ein Absacker mit ein paar Bauern vor dem Haus, Fehlanzeige, die Servicekräfte wollen nur noch abkassieren und Feierabend machen, und einen Wirt, der tapfer bis Mitternacht am Zapfhahn stünde, um die bäuerliche Gemeinschaft mit Bier zu versorgen, den gibt’s auch nicht, wobei wir hier das klassische Henne-Ei-Problem hätten: gibt’s den Wirt nicht, weil’s die zechende bäuerliche Gemeinschaft nicht gibt, oder gibt’s die zechende bäuerliche Gemeinschaft nicht (bzw. zecht die woanders?), weil’s den Wirt nicht gibt?
Sei’s drum, ich war ja vor allem zum authentischen Badischen Essen hierhergekommen, „Hausgemachte Spätzle“ hatte mir die Online-Speisekarte versprochen, „Bouillon mit Kräuterflädle“, „Zwiebelrostbraten“, „Medaillons vom Schweinefilet mit frischen Steinchampignons in Rahmsauce“, „Rumpsteak vom Argentinischen Weiderind mit sautierten Pfifferlingen, Speck und Lauchzwiebeln“, „Bandnudeln mit frischen Pfifferlingen, Gemüsestreifen und Lauchzwiebeln, Parmaschinken und gehobeltem Pecorino“ da läuft einem doch das Wasser im Munde zusammen (gleichwohl sich der clevere Speisekarten-Leser schon fragen sollte, was Parma und Pecorino im Schinken- und Käseparadies Schwarzwald verloren haben), dazu noch allerlei internationalistischer Krimskrams wie „Schafskäse mit getrockneten Tomaten, Oliven und Rosmarin in der Folie“, ein „Schweizerhof Burger“, oder „Putenschnitzel mit fruchtiger Currysauce, Mandelreis“, aber für mich klang das eher sympathisch, neben der traditionellen Hausmannskost versuchen die Wirtsleute auch mal was Neues, Fremdländisches für das heimische Publikum, ein gesunder Mix. Weit gefehlt!
Was dann aus der Küche kam, war für mich durch die Bank weg dubios und nicht gut bis grottenschlecht. Gruß vom Haus gibt’s keinen, ein wenig Brot mit Aufstrichen oder so, dieses Haus grüßt seine Gäste nicht. Die Rindsbrühe zwei Mal dünn und säuerlich, einmal mit Grießklößchen-genannten matschigen, geschmacklosen Dingern, einmal mit Pfannkuchenstreifen, deren maschinellen Cut ich schon hunderte Male gesehen habe, und „Kräuterflädle“ sollten sich ja eigentlich durch grüne Punkte von Kräutern in den Pfannkuchenstreifen auszeichnen, keine Spur davon, das war einfach nur gebackene und geschnippelte Mehlpampe ohne alles, von wem auch immer, wo auch immer hergestellt. Der Matjes tadellos zart, aber geschmacklos, die Sauce Hausfrauenart dazu belanglos, die Apfelstücklein noch nicht einmal schmeckbar, gute Äpfel – zumal vom nahen Bodensee – schmecken anders; die Bratkartoffeln dazu für süddeutsche Verhältnisse recht gut – allerdings leider lauwarm. Der Zwiebelrostbraten dann tatsächlich medium-welldone, schon wieder lauwarm, das Fleisch selber mittlerer Qualität, nicht butterzart, sondern durchaus mit Biss und einigen Sehnen, die Zwiebeln darauf frisch sautiert, dass Sößchen darunter wenig, geschmacksarm, sehr dünn und sehr dubios, ungleich dubioser die „hausgemachten“ Spätzle dazu, für mich vollkommen geschmacksneutral, breiig, alles andere als kernig, ich wüsste nicht, welcher Spätzleapparatur diese Dinger entsprungen sein sollten, einem Spätzlebrett jedenfalls nicht. Das Schnitzel Wiener Art ein vollkommenes Fiasko, die Panade nicht souffliert, sondern voll von Fett gesogen am harten, trockenen Fleisch klebend, die TK-Fritten dazu Flinten-Uschis Favorite, streng nach EU-Normen, lätschert und fettig. Königsberger Klopse: trockene, geschmackslose Fleischbällchen in einer Mehlpampensauce, in der man die Kapern-Fragmente mit der Lupe suchen muss, dazu Tiefkühl-Erbsen und Möhren und Patna-Reis, ein Gericht, das jeder schlechten Kantine würdig wäre. Die „Medaillons vom Schweinefilet mit frischen Steinchampignons in Rahmsauce“ kommen daher als völlig totgebratene, sehnige Stücklein vom Schweinefilet mit tatsächlich frisch sautierten Steinchampignons, was die Rahmsauce anbelangt, so wäre ich gerne einmal dabei, wenn der Koch sie herstellt, nur um zu sehen, ob und wie viel Unilever Food Solutions bei dieser Sauce dabei ist und wie viel selbst gemachte Fonds. Ich fand’s einfach nur grauslig. Grauslig auch die standardmäßigen gemischten Salate zu fast allen den Gerichten: das „Grundrauschen“ besorgen ein paar großblättrige, volumenreiche Eisberg- und Romanesco-Salatblätter (viel zu groß, um sie mit Anstand in’s Maul zu bugsieren), darunter ein paar Häuflein von geraspelten Radieschen, Rettich, Möhren, Kohl, alles spärlich übergossen mir einer weißen Tunke. Ach ja, und dann das Dessert. Nichtsschmeckende Erdbeeren auf griesligem, ebenfalls geschmacklosem „Bauernhofeis“: ein würdiger Abschluss eines solchen Menues.
Das war nun meine ganz persönliche Wahrnehmung des Etablissements und seines Ausstoßes. Der Fairness halber muss man auch die andere Sichtweise beschreiben: Laufpublikum, vorbeikommende Touristen, Rast suchende Automobilisten gibt’s hier kaum, stattdessen ist der Schweizerhof rappelvoll mit Einheimischen, so aus 50 Kilometer Umkreis, bis nach Balingen, die hierherkommen, um das ihrer Meinung exzeptionell gute Essen im Schweizerhof zu genießen; ich habe mit einigen Tischnachbarn geplaudert, sie waren voll des höchsten Lobes für diesen kulinarische Geheimtipp in ihrer Heimat. Verstohlen blickte ich dabei auf deren Teller, nein, diese Herrschaften bekamen kein anderes, besseres Futter als ich. Diese Diskrepanz in der Wahrnehmung der heimischen Gäste und von mir hat mich dann doch schon etwas geschockt, ich dachte bis dato immer, Badenser wissen, was gutes Essen ist.
Und schließlich: das Personal ließ sich zuweilen durchaus mit langen Wartezeiten am Tisch sehen, dann war es stets korrekt – korrekt, nicht unbedingt freundlich. Ich fühlte mich bedient im Schweizerhof, willkommen fühlte ich mich nicht. Auch hier muss ich sagen, vielleicht lag es ja an mir, vielleicht habe ich ja irgendwie falsch in den Wald hineingerufen … Obwohl, in fast allen anderen Lokalen fühle ich mich durchaus auch willkommen und der Service ist freundlich zu mir.
P.S.: Caro hat sich nach meinen Erzählungen vom und Klagen über dieses Wochenende interessehalber mal die Webpage des Schweizerhofs angeschaut. In ihrer typisch süffisanten Art wies sie mich darauf hin, dass es in der Woche nach meinem Aufenthalt auf der Tageskarte des Schweizerhofs „Schinken- Käsespätzle mit Käserahmsauce, gerösteten Zwiebeln und Salatteller“ gab – Käsespätzle mit Käserahmsauce, eine Wort- und Zutatenkombination, bei der sich bei jedem echten Allgäuer die Nackenhaare aufstellen. Hätte ich das vorher gelesen, wär‘ ich gar nicht erst hingefahren, bei Käsespätzle mit Käserahmsauce hört bei mir die ambitionierte Küche auf, das hört sich fast an wie der schreckliche Ami-Fraß Mac and Cheese.
Gasthof Schweizerhof
Küchenmeister Johannes Laufer
Stumpenstraße 2
D – 78052 Villigen-Schwenningen / Obereschach
Tel.: +49 (77 21) 8 78 65 60
Fax: +49 (77 21) 8 78 65 65
Email: info@gasthof-schweizerhof.de
Online: www.gasthof-schweizerhof.de/
Hauptgerichte von 13,90 € (Kichererbsenragout, Gemüse, Reis) bis 31,50 € (Rumpsteak mit Pfifferlingen, Speck und Lauchzwiebeln, Pommes frites und Salatteller); Drei-Gänge-Menue von 23,50 € bis 54,30 €
DZ Ü/F (pro Zimmer, pro Nacht) 125 €
Guten Tag Hr. Opl,
in Villingen-Schwenningen hätte ich Ihnen das Romantik-Hotel Rindenmühle empfohlen!
https://www.rindenmuehle.de/zimmer/
Es verwundert jedoch, dass Sie immer wieder in nicht besonders guten Restaurants landen.
Viele Grüße
R. Daab