Ratsherrnstube Freistadt: bodenständig, typisch, gut

Summa summarum: Bodenständiges, rustikales, unaufgeregtes österreichisches Beisel mit gut gemachter, einfacher, typisch österreichischer Wirtshausküche direkt im Rathaus am architektonisch hübschen Hauptplatz des mittelalterlichen Städtchens

Beschönigen wir nichts, die Internet-Präsenz der Ratsherrnstube in Freistadt im Mühlviertel in Österreich liest sich wie ein Eingang in die Hölle: fünf-sprachige Speisekarte, spezielle Angebote für Busreisen und Reisegruppen, im Juni 2022 eine Einladung zum Martins-Gansel-Essen 2021 prominent auf der Webpage, Gmail-Email-Adresse, so präsentieren sich eigentlich Kaschemmen im Internet. Das würde sich einreihen in die ärgerlichen gastronomischen Erfahrungen, die ich in Freistadt im Mühlviertel machen musste – tut es aber nicht, trotz der unheilvollen Omina, die Ratsherrnstube in Freistadt ist richtig gut, richtig gut im Sinne von ein richtig gutes österreichisches Beisl (vulgo ein österreichisches Wirtshaus oder Gasthaus ohne Beherbergungsbetrieb, früher oft mit einer pejorativen Komponente als minderwertige Kneipe, heute eher eine Bezeichnung für ein Lokal mit traditioneller, regionaler Küche, Lokalkolorit und entspannter Atmosphäre). Sie liegt nicht nur direkt am verkehrsberuhigten, großen, hübschen Stadtplatz des mittelalterlichen Städtchens, sie befindet sich – wie es sich für eine echte Ratsstube gehört – auch noch direkt im Erdgeschoss des hiesigen Rathauses in einem imposanten gotischen Tonnengewölbe. Die Inneneinrichtung ist unaufgeregt-schlicht, Wirtshausmöbel, blanke Tische ohne Tischwäsche, lange Sitzbänke an den Wänden, Fliesenfußboden, alte Bilder von Freistadt an den Wänden, ein Beisl halt, nicht mehr, aber auch nicht weniger, hier kann man sich in tiefenentspannter Atmosphäre wohlfühlen, reden, ein oder zwei Viertel hiesigen Most oder ein süffiges Freiberger Brauhaus Bier trinken, Zeitung lesen, vor sich hinträumen, kurzum Mensch sein, ohne Luxus, Aufgebrezeltheit, Chi Chi, hier ist Österreich noch ganz es selber. Ich nehme fast nur einheimische Gäste war, zwei Bauarbeiter in Kluft, ein Rentner-Pärchen, ein paar Familien, ein Mann im Anzug sieht aus wie der hiesige Herr Apotheker oder Notar, er liest den Standard. Die Bedienungen sind flott und freundlich, an manchen Tischen bleiben sie zum Ratschen stehen, man kennt sich offensichtlich. Vor dem Haus gibt es einen Gastgarten direkt auf dem architektonisch wunderschönen, historischen, unzerbombten Hauptplatz, von hier kann man dem gemächlichen kleinstädtischen Treiben zusehen, ich mag diesen Platz.

Essen kann man natürlich auch in den Ratsherrnstuben, typische Beisl-Gerichte, österreichische Hausmannskost. Vorweg gibt es Rind-, Knoblauch- oder Gulaschsuppe, als Hauptspeisen verschiedene Schnitzel, natürlich Gulasch, Schinken-Eier- oder Käse-Nockerl, nur die Cevapcici irritieren mich etwas (obwohl Kroatien ja auch zur kuk-Monarchie gehörte), als Fisch die altbekannten Zander und Lachs, für die Essgestörten hausgemachte Gemüselaibchen, gebackene Käse oder Champignons, einige Salate, auf der Mehlspeisenkarte stehen Palatschinken, Mohr im Hemd oder eines Tages-Mehlspeise, dazu dann noch ein Brotzeitangebot mit allerlei Würsteln, Toasts und natürlich einem kleinen Gulasch mit Gebäck. Eine typische österreichische Beisl-Speisekarte, unaufgeregt, bodenständig, traditionell, ohne zeitgeistige Spinnereien. Und die Küche liefert dann auch tadellose Hausmannskost: die großen Fleischbrocken im kleinen Gulasch sind zart, hart an der Grenze zu zerkocht, fett- und sehnenfrei, die Sauce dick, sämig, fettig, dunkelbraun, geschmacksintensiv, deutliche Kümmel- und Majoran-Noten, es ist eine Freude, diese Sauce mit einem knusprigen Salzstangerl vom hiesigen Bäcker aufzutunken. Die Sacherwürstel sind heiß, sehr knackig, lecker, sie werden mit tatsächlich frisch gerissenem Kren (scharf!), einem Klecks Senf und einer Bäckersemmel serviert. (Machen Sie niemals in Österreich den Fehler, ein „Wiener Würstchen“ zu bestellen. Im besten Falle outen Sie sich damit als dummer Piefke, im schlimmeren Falle können Sie richtiges Missfallen auf sich ziehen. Die dünne Brühwurst im Saitling heißt in Österreich unbedingt „Frankfurter“ oder einfach nur „Würstel“, ab einer Länge von ca. 25 cm spricht man von einem „Sacherwürstel“. Obwohl in original Frankfurtern nur Schweinefleisch verarbeitet wurde, in den in Wien hergestellten Würsten aber Schweine- und Rindfleisch – aber das war einmal, heute wird da ja oft alles reingehauen (der Alte Witz: sagt der Metzgermeister zu seinem Lehrling beim Wurstmachen „Wenn jemals rauskommt, was hier reinkommt, kommen wir wo rein, wo wir niemals mehr rauskommen!“) – bestehen die Österreicher darauf, die Bewohner ihrer Hauptstadt nicht mit Würstchen in Verbindung zu bringen.) Ausgesprochen lecker zum Nachtisch die frisch gebackenen, heißen Palatschinken mit einer tollen selbst gemachten Marillenmarmelade als Füllung. So geht Beisl!


Ratsherrnstube Freistadt
Sabine Ziegler
Hauptplatz 1
4240 Freistadt
Österreich
Tel: +43 (79 42) 7 24 39
Fax: +43 (79 42) 7 51 58
Mail: ratsherrnstube@gmail.com
Web: www.ratsherrnstube-freistadt.at

Hauptgerichte von 10,50 € (Schinken-Eiernockerl mit Salat) bis 13,90 € (Fiakergulasch mit Semmelknödel), Drei-Gänge-Menue von 18,50 € bis 24,90 €

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