Randsberger Hof in Cham: hoppla, da ist tatsächlich was …

Summa summarum: außen pfui, innen spaßgebremstes, durchwachsenes hui

 

An Hässlichkeit ist der Randsbergerhof, unmittelbar in der Innenstadt von Cham, kaum zu übertreffen, ein langgezogener, schmuckloser, fünfstöckiger, gesichtsloser Beton-Neubau mit deutlich erkennbar vielen Bauabschnitten, an der Seite wohl an die ehemalige Stadtmauer grenzend, vor dem Haus ein kleines Innenstadtsträßchen, ein paar Parkplätze und die Terrasse des hauseigenen Restaurants, darunter ein Parkdeck, an die Rückseite des Gebäudekomplexes ist das örtliche Multiplex-Kino angeflanscht, dahinter Parkplätze und Bahngleise. Schön oder gar romantisch geht anders, aber man kann immerhin vom Hotel direkt die Lobby des Kinos betreten, näher geht’s nicht. Den ersten James Bond mit diesem Martini-Banausen sah ich vor Jahren mit meinem kleinen Sohn just in diesem Kino in Cham, mein Weib sah den nämlichen Film am nämlichen Tage mit meinem großen Sohn in Augsburg; sie zahlten exakt das Doppelte von dem, was wir in Cham für das Kino ausgegeben hatten. Soviel zu dem Preisniveau in der Provinz. Auch innen glänzt der Randsbergerhof nicht durch innenarchitektonische Highlights, kleine Halle mit Rezeption, abgewetzte Sitzecke, stets verwaiste Bar ohne Barkeeper, viel Fichten- und Kiefernholz, ein Schild verweist auf Kegelbahnen, die sich irgendwo in den Kellern befinden, rechter Hand hässliches Treppenhaus und ein (!) Lift zu den 100 Zimmern auf fünf Etagen, linker Hand der riesige Restaurantbereich, durch geschickt angeordnete Durchgänge, Schiebetüren und -wände in verschieden große, variable Räume unterteilbar; das eigentliche Hauptrestaurant im Landhausstil, wieder mit sehr viel  Fichten- und Kiefernholz, liegt fensterlos in den Eingeweiden des Hauses. Die Hotelgänge vor den Zimmern sind sehr lang, eng und bedrückend. Aber die Hotelzimmer sind selbst in der preiswertesten Kategorie mit über 30 qm erfreulich groß, aber trist, ästhetische Ansprache oder Wohlfühlen kommen hier nicht auf, funktionale, schmucklose Hotelmöblierung ohne nennenswerte Gebrauchsspuren, aber leider fleckiger Teppichboden, gemütlicher, zerknautschter Leder-Lümmel-Drehsessel mit Fußhocker in der Ecke, kleines Fenster mit Blick auf das öde Innenstadtsträßchen (negativ formuliert) / mit Blick über die Dächer von Cham (positiv formuliert), Bibel, ordentliche Leinenbettwäsche, durchgelegene, viel zu weiche Matratze, Flatscreen mit 65 Fernseh- und 135 Radioprogrammen, Schreibtisch ohne Steckdosen (pfui!), Safe, Minibar, im Kleiderschrank ganz normale Holzkleiderbügel (Ich weiß, eine Marginalie, aber wenn ich in Hotels mit diesen Ösen-Kleiderbügeln, die zu klauen sich nicht lohnt, alldieweil daheim unbrauchbar, komme, so verstehe ich das jedes Mal als Botschaft der Direktion: „In diesem Haus verkehren Diebe, die selbst vor Kleiderbügeln nicht Halt machen; und wir haben Grund zur Annahme, dass Sie einer davon sind.“ Tja, das empfinde ich bei diesen Ösen-Kleiderbügeln in meinem Hotelzimmer.), relativ großes Bad mit geräumiger, ebenerdiger Dusche (die beim Duschen leider ausläuft und das komplette Bad unter Wasser setzt), kein Badetuch, nur zwei kleine kratzige Handtücher, ein Stückchen Seife und ein Fläschchen Shampoo vom Haus, alles ordentlich sauber, passt alles tadellos für 62 € die Nacht samt Frühstück und entspricht für mich einem funktionalen Drei-Sterne-Standard ohne nennenswerten Wohlfühlfaktor.

Aber jetzt kommt’s: im vierten Stockwerk des Gebäudekomplexes beginnt unvermutet am Ende eines endlos scheinenden Ganges ein Spa-Bereich, vollkommen unverkrampft und entspannt mit der Zimmerkarte zu betreten, keine Zerberusse, alles in sozialistischer Gäste-Selbstverwaltung. Da finden sich – verwinkelt über mehrere Ebenen, unübersichtlich verbunden mit Gängen und Treppen – ein relativ großer Indoor-Pool, Ruhe-, Behandlungs-, Fitness- und Massageräume, 4 Saunen, Solarien und neuerdings – der Clou schlechthin – ein Dachgarten mit Liegen, Lounge-Möbeln, einem großen Pool (mit richtig warmem Wasser) und diesmal wirklich mit Blick über die Dächer von Cham und den umgebenden Bayrischen Wald; Inifinity-Pool heißt man so etwas wohl Neudeutsch. Wenn hier nicht eine Verwaltungs-Spaßbremse per aufgestelltem Pappschild jeglichen Alkohol- und Nikotingenuss verboten hätte und statt dessen eine veritable Dachbar ihre Dienste anböte, so hätte ich – bei Gottfried – meine Traum-Destination für den nächsten Kurz-Urlaub gefunden: tagsüber durch die finst‘ren bajuwarischen Forste stapfen, in dem Pool mit Blick über den Bayrischen Wald bei Sonnenuntergang im warmen Wasser Cocktails schlürfen, danach im Hotelrestaurant mit bodenständiger Kost abhanden gekommene Pfunde mit ausreichend Kalorien erneuern und sodann in funktionalem Bette sanft, wohlig und wohlfeil entschlummern, das wär‘s. Aber nein, Mr. oder Mrs. Spaßbremse hat‘s verboten …

Und spaßgebremst, so erscheint auch das Publikum im Randsbergerhof. Mit meinen stattlichen 55 Jahren senke ich den Altersdurchschnitt signifikant. Obwohl ein Schild am Hoteleingang davon Kunde tut, dass sich allhier der örtliche Rotarier-Club zusammenzurotten pflegt, gewinne ich den Eindruck, dass sich hier eher das Kleinbürgertum distinguierte Einstände gibt. Ehrenamtliche Helfer einer karitativen Vereinigung haben sich zur Jahresversammlung in einem der abgetrennten Räume eingefunden und essen kollektiv Wiener Schnitzel vom Schwein, ein Vortänzer präsentiert und kommentiert dabei eine Diashow, die mich selbst nur im Vorbeigehen schon peinlich berührt; am Nachbartisch sprechen Rentner das sudentendeutsche Idiom meiner Großeltern authentisch und unterhalten sich darüber, dass sie am folgenden Tage nochmals „reinfahren“ wollen (sie meinen, die Tschechei besuchen); drei Burschen in Lederhosen mit nackten Waden, Haferlschuhen und Trachtenstrickjacken am Stammtisch in einer Nische des Restaurant-Komplexes essen jeder drei stattliche Fleischpflanzerl mit großen Portionen schlorzigen Kartoffelsalates, was so nicht auf der Speisekarte steht und wohl nur für Einheimische bestimmt ist und unterhalten sich höchst emotional über die Niederlage der Münchner Fußballdeppen gegen die Madrider Fußballdeppen (China – Reissack – umfall????) am vergangenen Abend; zwei vielleicht 60-jährige Ehepaare brüllen sich quer über ein paar Tische hinweg an, dass die einen aus Köln, die anderen aus Kerpen seien, und dann tauschen sie weiter brüllend Rheinische Dönekens aus; ein würdiger Greis, wohl ein Eingeborener verzehrt eine Stunde lang konzentriert und genussvoll, jeden Bissen und jeden Schluck zelebrierend, einen Schweinsbraten mit Kloß und ein kleines Bier, schreibt danach mit flinken Fingern einige SMS auf seiner Funke, zahlt, schnappt sich seine Krücken und verlässt das Lokal gemächlich schlurfend – ein seltsamer Ausschnitt Leben; am Nachbartisch auf der anderen Seite echauffiert sich ein Wiener Ehepaar, dass sie ein Pauschal-Arrangement samt Abendessen mit Sekt-Cocktail gebucht hätten und ihnen nun ein Sekt-freier Cocktail als Aperitif offeriert worden sei (shocking, isn’t it?). Wenn ich mich so umblicke, in den Restaurant-Gewölben des Randsbergerhofes, ich finde hier niemanden, zu dem ich mich spontan setzten wollte, um einen Abend kumpelhaft oder von mir aus auch geschwollen redend zu verbringen, und amouröse Ambitionen evoziert auch keine der anwesenden Weibspersonen.

So durchwachsen wie das Publikum ist das Futter, das allhier serviert wird. Die Speisekarte ist übersichtlich. Tageskarte mit Suppe, Vorspeise, ein Fisch-, ein Fleisch- und zwei vegetarische Hauptgerichte, Dessert, Schluss. Dann natürlich saisonal eine Spargelkarte mit den üblichen Angeboten. Auf der Hauptkarte finden sich ein paar Vorspeisen und Suppen, 3 Salate, 3 Fisch- und 5 Fleischgerichte, dazu ein paar Steaks, ein knappes Dutzend Schmankerln (Wurstsalat, Gulaschsuppe, Schweineschnitzel, Rostbratwürstel, Tartar, …); allein der Umfang der Speisekarte lässt hoffen, dass hier tatsächlich frisch gekocht wird und nicht irgendwelche Convenience-Verpackungen erwärmt werden. Und in der Tat, hier wird anscheinend fast durchweg frisch gekocht, wenngleich sicherlich nicht auf gehobenem Niveau, aber frisch und ordentlich.

Das Kräutersüppchen kommt tatsächlich mit frischen, nicht gecutterten, sondern gehackten Kräutern daher, sämig, sahnig, kurz aufgeschäumt, kräftig, kräuterig, etwas zu salzig, die getrocknete Tomatenstreifen darin kann man mögen oder nicht, die Croutons dazu sind hausgemacht, aber leider nicht frisch und daher labbrig. Die frittierten Champignons sind eigentlich ein Hauptgericht, aber es ist überhaupt kein Problem, eine kleine Portion von vier frischen, panierten und in gutem Fett ausgebackenen Pilzen zu bekommen, dazu frischer kleiner Salat mit einem ziemlich guten, ausgewogen süß-säuerlichem Dressing und hausgemachte, leichte Remoulade. Das Tatar hingegen ist zu fein gecuttert und daher matschig; ansonsten kommt es mit den traditionellen Zutaten zum selber anmachen, dazu sehr gutes Brot, aber steinharte Butter (sakra, wie soll man das denn schmieren?!). Das gegrillte Rib-Eye ist von tadelloser Fleischqualität, gut abgehangen, mürbe, leichte Marmorierung, für medium-rare etwas zu viel gegrillt, die Saucen dazu eindeutig aus der Flasche, die Kartoffelspalten ebenfalls aufgewärmtes Convenience, der kleine gemischte Salat wieder tadellos. Der geeiste Kaiserschmarrn zum Dessert ist die Kalorien nicht wert: Fetzen eines dicken, labbrig-matschigen, Vanillin-schwangeren Pfannkuchens wohl übergossen mit geschmolzenem, billigem Vanilleeis und dann nochmals eingefroren – wer braucht den so etwas? Dann schon lieber den Bayrischen Wurstsalat von der Brotzeitkarte, frisch angemacht, reichliche, noch knackige Zwiebelringe, Marinade nicht zu sauer, ganz leicht süßliche Note, tadellose Fleischwurst; oder der cremig-butterige Obazda, wieder mit dem guten Landbrot, das sind Schmankerl, die nach einer langen Wanderung durch den Bayrischen Wald richtig gut schmecken.

Positiv ist noch zu erwähnen, dass die Küche nicht versteckt hinter irgendwelchen Türen liegt, sondern offen und für Jedermann komplett einsehbar ist. Alles ist aufgeräumt und blitzsauber. Und selten habe ich so viel Lachen, Scherzen, Necken, Plaudern aus einer Küche gehört wir hier: es scheint Spaß zu machen, im Randsbergerhof in Cham zu kochen. Auch das Servicepersonal ist fröhlich, freundlich, flott, zuvorkommend, ohne kumplehaft-anbiedernd zu sein. Das nenne ich – trotz der Größe des Hauses – mal eine echt herzliche Atmosphäre, die man sonst eigentlich nur in kleineren Familienbetrieben findet.

Beim Frühstück muss man zweifelsohne kritisieren, dass es kein frisches Obst gibt, sondern nur Dosen-Obst mit ein paar reingeschnippelten Bananen und Weintrauben, aber das war’s dann auch mit der Kritik: echte, frische Bäckersemmeln (keine Backlinge), kleine Auswahl von sehr rustikaler, aber guter Wurst und Käse, Marmeladen, Cerealien, wieder gutes Brot, auf den Tischen stehen Plastik-Isolierkannen mit Kaffee, aber frischer Milchkaffee auf Nachfrage kein Problem. Die Eierbraterin (eine resolute, gestandene Landfrau, nicht wie sonst so oft ein verschüchterter Lehrling oder eine unmotivierte, genervte, überforderte Hilfskraft) kommt an den Tisch und fragt nach Wünschen, das Rührei wird aus echten Eiern und nicht aus dieser Tretrapackpampe gemacht, dazu best bacon ever, er heißt hier „unser Geräuchertes“.

 

Hotel Randsbergerhof e.K.
Geschäftsführer: Michael Wittmann
Randsbergerhofstraße 15-19
93413 Cham
Tel.: +49 (0) 9971 / 85770
Fax.: +49 (0) 9971 / 20299
Email: info@randsbergerhof.de
Internet: www.randsbergerhof.de

Hauptgerichte von 8,50 € (Schweineschnitzel) bis 25,50 € (Nordsee-Seezunge)

Doppelzimmer Übernachtung/Frühstück von 65 € bis 124 € (pro Zimmer)

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