Needle Blackforrest Gin: der dreihundertachtzehnte Schwarzwald-Gin, überflüssig wie ein Kropf und schmeckt wie Almdudler mit Benzol im Abgang

Diesen ganzen Hersteller-bezahlten und -lancierten Werbesermon des Spaziergangs durch den Fichtennadelhain im Schwarzwald, den die lieben Blogger und die Food-Journaille bei ihren Besprechungen dieses nächsten Retorten-Gins wieder und wieder wörtlich übernehmen, im besten Falle noch paraphrasieren, kann ich nicht nachvollziehen, maximal das olfaktorische Erlebnis eines Fichtennadelbades.  Ich spreche vom Needle Blackforest Gin der Bimmerle KG aus Achern im Schwarzwald, seit Ende letzten Jahres als vorgeblicher Premium-Gin und Alternative zum Affen für knapp 25 € den Liter in diversen Supermarkt-Ketten erhältlich. Also, für Caro Luc und mich schmeckt er wie scharfer Almdudler mit Benzol im Abgang.

Schwarzwald-Gin, auch so’ne Sache für sich. Nach dem Hype, den der allseits bekannte Monkey 47 ausgelöst hatte, brachte Iris Krader vom Scholerhof, eine durchaus begabte Brennerin, ich glaube 2012 einen Iris Black Forest Dry Gin mit 47% und einem provozierende kitschigen Schwarzwaldmädel mit roten Bommeln auf dem Hütchen für 80 € pro Liter auf den Markt. 2014 folgte die Destillerie Kammer-Kirsch bei Karlsruhe mit einem weiteren Black Forest Dry Gin mit 47% für rd. 70 € den Liter. Ebenfalls 2014 begann Hannes Schmidt zusammen mit dem Brenner Markus Kessler, die Gin-Welt mit zwei weiteren völlig überflüssigen Produkten zu belästigen, dem Boar (das ist Englisch und heißt Eber) Gin mit original Schwarzwälder Trüffel und dem Boar Gin Keiler Strength 49,9%, für 70 bzw. 80 € den Liter, die sie sofort gegen Bezahlung beim lächerlichen World of Spirits Award „prämieren“ ließen. Marder aus Albbruck lancierte 2015 einen 45 prozentigen Marder Black Forest Dry Gin für rd. 50 € den Liter, im selben Jahr brachte Axel Baßler seinen Feinen Kappler Destilled Dry Gin mit 44% und einer strengen bis gewöhnungsbedürftigen Note nach Gemeiner Wegwarte  für knapp 60 € den Liter auf den Markt. Seit Herbst 2016 produziert Bimmerle für den Discounter Lidl einen „Schwarzwald Distilled Dry Gin 43%“ mit dem netten Claim „Schwarzwald Gin ohne Affentheater“ für 15 € den Liter, die Gin-Gemeinde war damals nicht enthusiasmiert, gleich darauf auch noch mit viel Werbe-Tam-Tam, Guru-Guru und Marketing-Sprech den hauseigenen Needle, das ist der scharfe Almdudler mit Benzol im Abgang. Werbe-mäßig liest sich das dann so:

 „Um den Schwarzwald und seine Einzigartigkeit vollmundig erleben zu können, haben wir unseren Needle neben aromatischen Wacholderbeeren mit von Hand gepflückten Fichtennadeln der ‚Gemeinen Fichte‘ (Picea abies) behutsam destilliert. Durch die Zugabe von blumigem Lavendel und der typischen Schärfe des Ingwers erfahren die Geschmacksknospen ein intensives Abenteuer. Unterstrichen wird dieses Erlebnis durch eine feine Zitrusnote aus sonnengereiften Zitronen und Orangen bester Qualität. Auch ein Hauch von Orient hält durch die Zugabe von Piment und Zimt Einzug in unser 40%iges Destillat. Die gesamte Rezeptur bleibt natürlich unser Geheimnis, das Einzigartige ist aber zweifelsfrei, dass für das unverwechselbare Schwarzwald-Erlebnis nur junge und vor allem frische Fichtentriebe verwendet werden, die unseren hohen Qualitätsanforderungen entsprechen! Destilliert wird diese aufregende Kombination aus verschiedenen Kräutern, Gewürzen und Fichtennadeln im schonenden Single-Batch-Verfahren. Die aus einem Destilliervorgang gewonnenen Brände werden separat gelagert. Unsere Master Distiller prüfen jedes einzelne ‚Batch‘ und wählen nur die besten Destillate für die Abfüllung des Needle Gins aus. Auf diese Weise können wir die gleichbleibende Qualität einer jeden Flasche garantieren. … Dieses Erlebnis erschließt sich dem Genießer, wenn er den Echtholzkorken des Needle entfernt und sich von seiner eindrucksvollen Rezeptur aus 11 Botanicals verwöhnen lässt.“

Abgesehen davon, dass dieses Marketing-Sprech bei mir zwischenzeitlich zu grünen Pusteln und ähnlichen allergischen Reaktionen führt, fallen mir hier zwei Punkte auf. Erstens „… wählen nur die besten Destillate aus …“; das heißt ja wohl zum einen, dass die Brenner bei Bimmerle nicht in der Lage sind, gleichbleibende Qualität herzustellen, und das heißt zugleich zum anderen, dass die nicht besten Destillate weggekippt werden … oder aber in den anderen Bimmerle Billig Bränden verschnitten werden.  Mahlzeit. Und „Echtholzkorken“, mei, des is wirklich liab: die Flasche vom Needle – nah am Plagiat einer Monkey 47-Flasche würde ich vom äußeren Eindruck her sagen – ist mit einem veritablen Plastikpfropfen verschlossen (wo es beim Monkey 47 wenigstens noch ein Korken mit Metallring ist), auf den oben ein Stücklein Holz geklebt wurde, ich glaube nicht, das man so etwas als „Echtholzkorken“ bezeichnen kann. So etwas passiert halt, wenn ein Massenproduzent in den Premium-Markt eintreten will. Mit 70 Mitarbeitern und 25 Millionen EURO Umsatz ist die Bimmerle KG zwar ein Zwerg unter den Spirituosen-Multis, aber als einzelne Brennerei wohl eine der größten in Deutschland. Das 1966 von Günter Bimmerle als Verschlussbrennerei in Oppenau gegründete Unternehmen ist immer noch selbstständig und gehört heute zu 95,11% Stefanie Kiefer aus Oberkirch. Bimmerle produziert vor allem Eigenmarken für große Discounter, und nur ein Schulterschluss unter Blutsbrüdern, der den Needle in die Discounter-Regale presst, gibt diesem Gin überhaupt eine Chance am Markt, sein Geruch und Geschmack hingegen ganz gewiss nicht. Daneben brennt Bimmerle unter der Marke Lörch Billig-Obstbrände für 10, 15 € die Flasche, schädelspaltende, pappsüße Obstliköre für 12 € den Liter und dann auch noch eine Serie von Party-Jungfrauen-Killern, wieder pappsüße, trendig aufgemachte Mischgetränke mit knapp 20% Alkohol (den man bzw. Fräulein wg. der Süße und der künstlichen Aromen kaum schmeckt) unter anzüglichen Namen wie „Happy End Bikini Bottom“. Dass Bimmerle dann auch noch unter der Marke Domaine Königsfeld im mittleren Preissegment von 35 € pro Liter Obstschnäpse herstellt, wird aus Bimmerle ebenso wenig einen Premium-Brenner machen wie der dreihundertachtzehnte Schwarzwald-Gin Needle. Aber solange sich Geld damit verdienen lässt …

Nach den Reinfällen mit dem Slowakischen Klasik-Gin vom vergangenen und mit dem Schweizer Tschin vom vorvergangenen Wochenende (und zahlreichen weiteren – teuren – Reinfällen) habe ich langsam ein Gin-Problem in meiner Hausbar. Vielleicht sollte ich mal all die Leute, die ich nicht wirklich mag, zu einem Gin-Tasting (vulgo Gin-Entsorgung) einladen …

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