Marginalie 8: Warum ich meistens im V-Markt einkaufe

Dies unmissverständlich vorweg: das ist kein Advertorial und kein gesponserter Artikel, das ist meine persönliche Erfahrung und Meinung.

 

Wenn es an’s Einkaufen geht, da sind wir ja alle so bewusst und cool und fairtrade und local und bio … you name it. Also, ich kaufe ja nur im Basic Biomarkt, auf dem Stadtmarkt, beim Bio-Bauern, -Bäcker und -Metzger, direkt beim Erzeuger ein, vielleicht noch im Spirituosen- und Gewürzfachgeschäft, mein Waguy-Beef bestelle ich bei Bos Food im Internet, meinen Tee über die Teekampagne. Bullshit, so sehr ich Wochenmärkte und gute Lebensmittel liebe, ich habe gar nicht die Zeit, meine komplette Versorgung über diese politisch korrekten, zweifelsohne super-tollen, meist auch super-teuren Bezugsquellen abzuwickeln. Auch ich gehe in den 08/15-Supermarkt um mir Milch, Butter, Mehl, Zucker, Klopapier zu kaufen. Nun gut, bei der Milch achte ich natürlich auf heimische Milch zu einem fairen Preis, aber fair-trade Bio-Zucker vom anderen Ende der Welt eingeflogen schmeckt auch nicht anders als Zucker aus raffinierten heimischen Zuckerrüben, finde ich. Und Klopapier, Spülmittel, Putztücher brauche ich zuweilen auch. Nun ist es also raus, ich gehe auch in den Supermarkt einkaufen.

Logistisch gesehen habe ich so ziemlich alle Supermarkt-Ketten in ähnlicher Entfernung um die Ecke, Aldi, Lidl, Tengelmann, REWE, V-Markt, Edeka, Penny, Norma, Kaufland, real, … Lassen wir die Discounter einmal außen vor, so geben sich die Vollsortimenter wie Tengelmann, Rewe, V-Markt, Edeka, tegut, Spar, Kaufland, Kaisers, real nicht viel: alle sind groß, alle sind sauber, alle haben frisches Obst und Gemüse, fast alle haben Wurst-, Fleisch- und Käsetheke, alle achten darauf, dass die Mindesthaltbarkeit der Waren nicht abgelaufen ist, alle habe von morgens bis abends durchgängig auf, alle haben stets gefüllte Regale, … da ist kein einziges distinktives Merkmal, mit dem sich der eine von dem anderen Differenzieren könnte. Auch das Warenangebot ist weitgehend identisch; gut, hier mag es keine echte Ungarische Salami von Pick geben, dort keine Flugananas, beim Dritten dann keinen akzeptablen Parmesan, aber auch damit kann man – gerade noch so – leben. Verglichen mit dem Dorfschlachter, Bauern oder Stadtmarkt ist die Qualität von Fleisch und Gemüse im Supermarkt natürlich meist lausig; aber Supermarkt verglichen mit Supermarkt, da sind keine großen Unterschiede. Meine Foie gras, die Kartoffeln, den Riesling und die Steaks kaufe ich sowieso niemals im Supermarkt ein, das können die nun wirklich nicht, auch nicht nur annähernd, alle miteinander. Was schließlich die Preise anbelangt, so ist der eine hier, der andere da mal billiger, aber unter’m Strich habe ich den Eindruck, in Summe bleibt sich das dann alles wieder gleich.

Warum, habe ich mich in letzter Zeit beim Einkaufen immer öfter selber gefragt, gehe ich dann regelmäßig in den V-Markt (eine relativ kleine, regional auf Süddeutschland beschränkte Handelskette, gut 2.000 Mitarbeiter, rd. 700 M€ Umsatz, knapp 9 M€ Jahresüberschuss, gehört einem Horst Hermann aus Kaufbeuren) einkaufen? Nun, die Antwort, die ich für mich gefunden habe ist, dass der V-Markt vier distinktive Merkmale hat, durch die er sich ganz klar positiv vom Wettbewerb unterscheidet und die ihn für mich zur ersten Wahl für meinen Supermarkt-Einkauf machen:

Zum Ersten hat der V-Markt keine sogenannten „Eigenmarken“. Ich glaube den Leuten von REWE und real ja, dass sie Lebensmittel und sonstige Waren aussuchen, einkaufen, transportieren, lagern und zum Verkauf feilbieten können, ich glaube ihnen aber nicht, dass sie Milch oder Spülmittel oder Küchentücher herstellen können. Genau genommen stellen die Supermarktketten ja auch keine Milch oder Spülmittel oder Küchentücher her, sie tun nur so, sie zwingen die wahren Hersteller mit ihrer Einkaufsmacht einfach, den Markennamen der Kette auf die Produkte zu drucken und drücken die Hersteller damit dann nochmals im Preis, denn damit haben die Ketten nicht nur die direkte Endkundenbeziehung, sondern auch noch die Markenbeziehung. Ich will Milch bei REWE kaufen, weil ich REWE zutraue, dass sie mit Milch handeln können; ich will keine Milch von REWE kaufen, alldieweil ich REWE nicht zutraue, dass sie Milch herstellen können, REWE besitzt ja weder Kühe noch Tankwagen noch Molkereien. Statt dieser vermaledeiten Eigenmarken bietet V-Markt verstärkt – in, sagen wir vernünftigem und betriebswirtschaftlich vertretbarem Umfang – regionale Produkte, Milch und Eier von lokalen Produzenten z.B., das finde ich gut. Und damit hätte der V-Markt die erste – wie es so schön im neudeutschen Marketing-Sprech heißt – unique selling proposition (USP) gegenüber allen seinen Wettbewerbern: keine vermaledeiten Eigenmarken.

Zum Zweiten ist das Personal bei V-Markt durch die Bank weg auf freundlich gebürstet. Jeder Mitarbeiter im Laden, Verkaufspersonal, Regal-Auffüller, Kassiererinnen grüßt wie automatisch jeden Kunden fast immer freundlich. Wenn ich im V-Markt in der linken hinteren Ecke des Ladens einen Mitarbeiter nach einem Artikel frage, den ich nicht finde, dann sagt diese Mitarbeiter nicht etwa „Schauen Sie mal da vorne rechts bei den Kühlregalen …“; vielmehr lässt der typische V-Markt-Mitarbeiter in der Regel (sofern möglich) seine aktuelle Arbeit stehen und liegen, geleitet mich quer durch den Laden bis zu der Stelle, wo ich den Artikel finden kann; und weiß nämlicher Mitarbeiter selber nicht, wo genau der gesuchte Artikel steht, sucht er für mich den zuständigen Kollegen: „Du, dieser Herr sucht Das-und-Das, kannst Du ihm zeigen, wo das steht?“ Die sind einfach alle nett und hilfsbereit im V-Markt, nicht solche demotivierten Pestfressen wie in manchen anderen Ketten, die ihren Frust, schlechte Laune und Mindestlohn-Begeisterung volle Kanne an den Kunden auslassen: schon wieder ein USP für den V-Markt.

Zum Dritten, und das ist der größte USP überhaupt: es gibt im V-Markt niemals (niemals!) Warteschlangen vor den Kassen. In anderen Supermärkten – besonders bei Edeka und real – ärgere ich mich regelmäßig darüber auf, dass ich Ewigkeiten an der Kasse in langen Schlangen warten muss, so nach dem Motto: „Jetzt hat er seinen Einkauf getätigt, jetzt haben wir ihn im Konsum-Sack, der geht nicht mehr weg, jetzt brauchen wir auch keinen Service mehr zu bieten, wie zum Beispiel kurze Wartezeiten an der Kasse. Dieser Umsatz ist uns auch mit langen Wartezeiten sicher.“ Tja, liebe Edekas und reals, ein-, zweimal ist Euch dieser Umsatz tatsächlich sicher, denn ich gehe tatsächlich nicht weg, wenn mein Wagen voll mit meinen Einkäufen ist und ich an der Kasse warten muss … aber ich komme auch nicht wieder, wenn das – wie bei Euch – ständig der Fall ist. Im V-Markt hingegen ist es selten, dass auch nur zwei Leute vor einem an der Kasse sind, meistens ist keiner oder noch ein Kunde an der Kasse, alles geht fix und freundlich und flott, selbst an Freitag Abenden oder Samstag Mittagen. Das heißt aber auch, dass hier ziemlich viel Personal für kurzfristige Stoßzeiten vorgehalten wird, was natürlich teurer ist, als das Kunden-Vieh einfach vor den Kassen in langen Schlangen Lamm-fromm und -dumm warten zu lassen. Der dritte USP für den V-Markt.

Und zum Vierten schließlich nervt mich der V-Markt nicht ständig mit Werbung auf allen Kanälen: „50% Rabatt, wenn Heiligabend auf einen Freitag den 13. fällt“, „1 kostenloser Mango-Schäler beim Kauf von 100 Mangos“, Wir erhöhen die Preise um 20% und erlassen Ihnen dafür die Mehrwertsteuer“, „10 Extra-Treuepunkte, wenn Sie an Ihrem Geburtstag mit drei transsexuellen streng gläubigen Christen, die DKP-Mitglieder sind und einen Rauschebart tragen bei uns einkaufen“ „Bei uns gibt’s die Wochenend-Rabatte schon ab Dienstag“ … Mit diesem enervierenden (und dazu noch teuren) Schwachsinn in Fernsehen, Radio, Zeitung und Internet verschont mich, verschont uns der V-Markt. Dafür gilt der Kette meine Dankbarkeit, ich ertrage diese aggressive Werbe- (Verzeihung) –Verarsche nicht mehr. Wenn ich ein Stück Käse kaufe, und mir vorstelle, dass jetzt 5 Cent (oder was auch immer) von meinem Einkauf sofort in die Werbeabteilung einer Supermarkt-Kette gehen, die damit diese unglaublich blöden Werbeschaltungen finanzieren, die mich bis zum Geht-nicht-mehr nerven, dann vergeht mir gleich der Appetit auf den Käse.

Verzicht auf Eigenmarken, freundliche Mitarbeiter, keine Wartezeiten an den Kassen, keine aggressive, dämliche Werbung, das sind die ver USPs, weswegen ich persönlich in den V-Markt gehe. USPs aber fallen nicht vom Himmel, die kommen von irgendwo her. Verzicht auf – Margen-starke – Eigenmarken bedeutet Verzicht auf zusätzlichen Ertrag, freundliches und genügend Personal bedeutet höhere Personalkosten. In der Tat macht der V-Markt auch „nur“ 2% Vorsteuerergebnis, während der Branchendurchschnitt bei 3% liegen soll. Vielleicht ist die Investition dieses 1% Ergebnisses in keine Eigenmarken und in genügend und motiviertes Personal ja der Schlüssel zum Erfolg, zumindest bei einem Kunden wie mir.

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