Marginalie 103: Dummheit, totaler Konformismus, Arroganz, Wohlstandsverwahrlosung und Bigotterie

Ich sitze im Intercity vom multikulturellen Tollhaus, das sie Hauptstadt nennen in die altehrwürdige Hansestadt Hamburg. Ich fahre zweiter Klasse, 70 oder 130 EURO Fahrpreis, das ist mal eine Preisdifferenz, dafür kann ich mir meine Zeitung und meinen Kaffee schon selber kaufen, und die zwei Stunden Fahrzeit übersteht man auch in der zweiten Klasse, zumal diese in Fernzügen derzeit gefühlt weitaus leerer ist, da die meisten Sparfüchse aktuell lieber mit dem Neun-EURO-Ticket in Regionalzügen durch die Lande zuckeln und so auf der Strecke Berlin Hamburg mehr als die doppelte Fahrzeit auf sich nehmen.

Mir gegenüber sitzen zwei junge Männer, fast noch Knaben, gut gekleidet, gepflegtes Äußeres. Aus ihren durchaus lautstarken Gesprächen erfahre ich, dass sie beide Mitglieder in der Grünen Jugend sind. Sie starten ein Bullshit-Bingo-Feuerwerk aus grünen Floskeln, das seines Gleichen sucht: Atomausstieg, Erneuerbare, ökologischer Landbau, Fridays for Future, ressourcenschonendes Recycling, Autobahnkleber, Wokeness, böse alte weiße Männer, zero kilometers, Post-Kolonialismus, Widerstand, Diversität, Energieeffizienz, gendergerechte Sprache, Greta, artgerecht, Rhabarberrhabarberrhabarber. Interessant sind nicht die Inhalte des Bullshits, den sie austauschen, das sind nur die üblichen inhaltsleeren, falschen, großteils längst widerlegten Plattitüden. Interessant ist vielmehr die Tatsache, dass sie eine rein affirmative Kommunikation betreiben, der eine sagt was, rezitiert quasi einen grünen Glaubenssatz und der andere stimmt ihm kritiklos in allem zu, dann rezitiert der andere einen grünen Glaubenssatz und der eine stimmt ihm nun seinerseits kritiklos zu. Keinerlei Diskussion, Hinterfragung, Weiterspinnen eines Gedankens, gar Widerspruch, das klingt eher wie die wechselseitige Rezitation von Mantras. Das scheint die innerparteiliche Streitkultur der Ökos zu sein, denke ich mir. Nur wer speist diese unumstößlichen Glaubenssätze in diesen Parteihohlkörper ein, frage ich mich weiter, von irgendwoher müssen sie ja kommen.

Aber all das hat nichts mit den Themen von opl.guide zu tun. Sehr wohl zu tun mit den Themen von opl.guide hat das Konsumverhalten der beiden jungen Männer, fast noch Knaben. Sie tragen neue, modische Markenkleidung, jeder hat eine Bahncard 100, jeder hat zwei iPhones, jeder hat einen Laptop mit angebissenem Apfel drauf, sie versuchen sorgsam, diese sechs teuren Marken-Geräte abwechselnd am debilen Bordstromnetz des Intercitys zu laden, wahrscheinlich mit mäßigem Erfolg. Dazu frisst der Eine eine vegane Salat-Bowl to go von einer trendigen hippen imperialen Fastfoodkette aus einem Plastiknapf mit einer Plastikgabel, dazu säuft er einen Smoothie aus Erdbeeren, Acai, Ananas und Orange (ja, ja, man kennt sie ja, die heimischen Acai, Ananas und Orangen aus fairem, ökologischem Anbau und zero kilometer Lieferweg, und die saison-gerechten Juli-Orangen kennt man sowieso) aus einem Pappbecher mit Plastikdeckel; der andere frisst Schabefleisch vom Dönermann mit Pommes und weißer Soße, immerhin aus einer Pappschachtel mit einem Holzgäbelchen (nur fällt mir um den Berliner Hauptbahnhof gerade kein Dönermann mit Fleisch aus ausgewiesener artgerechter Haltung ein, den muss ich bisher wohl übersehen haben, denn wo anders würde diese Muster-Grüne doch gewiss nicht einkaufen), aber sein Fraß verstinkt ziemlich rücksichtslos den gesamten Zugwagen. Geschieht mir recht, ich bin ja schließlich auch ein böser alter weißer Mann. Von Mülltrennung halten diese beiden jungen Männer, fast noch Knaben ebenso wenig wie von Müllvermeidung. Zuerst versuchen sie, ihre leergefressenen Einmal-Behältnisse in den – zugegebener Maßen chronisch zu kleinen – Abfallbehälter am Platz zu stopfen, als dies nicht gelingt, legen sie die dreckigen Behältnisse einfach auf einen leeren Platz und lassen sie dort auch liegen, als sie aussteigen, das Prekariat von der Zugreinigung wir es für die beiden Mitglieder der Grünen Jugend schon erledigen, dafür ist das Prekariat ja da, derweil die beiden sich wahrscheinlich währenddessen heldenhaft irgendwo festkleben oder weiter Bullshit-Bingo in größerer Gesinnungsgenossen- (und natürlich -genossinnen- und -genossenden-) -Runde spielen werden.

Als ich Hamburg ankomme, ist mir schlecht von so viel Dummheit, totalem Konformismus, Arroganz, Wohlstandsverwahrlosung und Bigotterie. Zum Glück ist es vom Hamburger Hauptbahnhof in die Bar des Atlantic nur ein Katzensprung. Caro wartet dort auf mich.

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