Mader in Steyr: authentisches Städtchen, nettes, historisches Hotel, durch und durch enttäuschendes Futter

Summa summarum: ausgesprochen schönes, altes Städtchen mit viel historischer, authentischer Bausubstanz, interessantes, gepflegtes, sehr altes Hotel in zentraler Lage mit guten, preiswerten, charmanten, ausreichend komfortablen Zimmern, aber dazu eine durch und durch mittelmäßige Gastronomie in nur bedingt romantisch-heimeligen Abfütterungsräumlichkeiten mit mal gutem, mal sehr viel weniger gutem Servicepersonal, dafür aber keine Pauschaltouristen, überhaupt wenig Fremde, aber mit garantiertem Kontakt zur kompletten Steyrer haute volée, die hier verkehrt.

Also um ehrlich zu sein, es war Facebook, das mir – nach meiner langwierigen und letztendlich erfolglosen Suche nach einem zünftigen Landgasthof in Westtirol (siehe https://opl.guide/westtirol-hotel-hirschen-in-imst/) – mit einer bezahlten Anzeige an’s Herz legte, doch mal das Landhotel Mader in Steyr aufzusuchen. Steyr – nie gehört, außer im Zusammenhang mit Steyr Daimler Puch, der legendären Waffen- und Fahrzeugschmiede Österreichs. Also, warum nicht Steyr, kenne ich noch nicht. Die Webpage des Hotels präsentiert sich artig, die Lage direkt am Stadtplatz lässt zwar Zweifel am Landhotel aufkommen, aber die Zimmer sehen im Internet nett aus und sind dazu wohlfeil, die Speisekarte mit Tafelspitz und Schnitzel scheint halbwegs authentisch, die Bar des Hauses verspricht entspannte Bekanntschaft mit der Grünen Fee.

Die Anfahrt über Land auf Nebenstraßen durch Innviertel und Traungau ist hübsch und entschleunigend, einstimmend vielleicht auch, was halt auf der Autobahn nie so recht klappen will. Die äußeren Stadtviertel von Steyr sind dann … naja, beliebig. Atemberaubend danach aber der verkehrsberuhigte Stadtplatz samt umliegenden Straßenzügen mit durchgängig historischer Bausubstanz, die ältesten – bewohnten! – Gebäude sind noch romanisch, dann Gotik, Renaissance, Barock, Rokoko, das neugotische Gebäude der alten Sparcassa – in jedem zerbombten deutschen Stadtkern ein gefühltes architektonisches Juwel – fällt da eher negativ auf, Gebäude mit Kriegsschäden wurden historisch original wieder aufgebaut, lange Gässchen und Sträßchen mit durchgängig alter, bewohnter Bausubstanz ohne Bausünden-Wunden am idyllischen Zusammenfluss von Enns und Steyr, über allem thront seit der Römer-Zeit eine große Burg-/Schlossanlage. Kleinstädtisches Leben, Bäcker, Marktstände, Geschäfte des täglichen Bedarfs, sogar noch ein Greißler dicht an dicht am großzügigen zentralen Stadtplatz, hier flaniert man, trifft sich, besorgt, ein des Mittags wohlbesuchter Würstlstand, schwätzt, präsentiert, konsumiert, nur wenig – aber doch etwas – Leerstand, ein einziger Schabefleischbrater, kein McKotz, kaum eine beliebige Kinderarbeits-Klamotten-Kiste, alteingesessene Geschäfte, direkt hinter der alten Stadtmauer, aber noch immer in der Altstadt ein anscheinend gut integriertes Freudenhaus, dazu überall das österreichische Idiom, für den Piefke nicht unterscheidbar, ob nieder- oder oberösterreichisch, keine ausgewiesenen Busparkpätze, keine Regenschirm-dirigierten Touristengruppen auf sight seeing tour see Europe in ten days, keine mehrsprachigen Speisekarten, keine Kitsch- und Andenkengeschäfte, dafür Eisenwaren- und Buchhändler, Fleischhauer, Konditoren. Das Leben hier ist noch authentisch, wird noch von sich selber bestimmt, nicht von externen Faktoren und Touristenströmen. Es ist beschaulich, Einheimische unter sich in heimelig-historischer-sacht maroder Kulisse. Mittendrin, direkt am Stadtplatz, das Landhotel Mader, im Sommer mit einem netten Freisitz vor dem Haus. Parkmöglichkeiten gibt es auf der anderen Seite der Enns in einem öffentlichen Parkhaus, von dort sind es dann 5 oder 10 Gehminuten über einen Steg durch die Altstadt zurück zum Hotel. Das Vordergebäude mit Restaurant, Bar, diversen Nebenräumen und Küche stammt aus der Renaissance, das Hotel hat sich im Laufe der Zeit durch verschiedene Häuser „gefressen“, mein Zimmer liegt in einem der Hinterhäuser, über einen modernen Lift durch ein Gewirr von Gängen und einen Innenhof mit Pump-Brunnen und offenen Renaissance-Arkaden erreichbar, die Wände knapp ein Meter dick, Blick durch ein von Tauben verschissenes schmiedeeisernes Gitter vor dem Fenster auf einen weiteren Innenhof, wieder mit Renaissance-Arkaden-Gang und eine wenig entfernte Häuserwand, der Blick aus dem Tageslicht-Bad auf ein Dach, beide Ausblicke wenig romantisch, aber unschlagbar ruhig. „Junior Suite“ nennen die Betreiber das Zimmer, wohl wegen kleinem Vorraum und separatem WC, in meiner Begrifflichkeit würde ich es „geräumiges Doppelzimmer“ nennen, aber tadellos renoviert, die alten Bauelemente halbwegs stilsicher kombiniert mit neuer, guter Beleuchtung, ordentlichen Möbeln, Sofa, Sessel, Couchtisch, eine 2 Meter lange, hinterglas-beleuchtete Panorama-Aufnahme der Steyrer Altstadt, Safe, Schreibtisch mit gleich vier gut zugänglichen, unbesetzten Steckdosen (hier war ein Innenarchitekt endlich mal aus dem 21. Jahrhundert für Reisende mit stromheischenden Laptops, Funken, Kameras, Vibratoren, …), Wasserkocher, Tageslicht-Bad mit großer, moderner Dusche, mäßige Frotteetücher und Bettwäsche, dünne Kissen, recht großer Flachbildfernseher, kleine Minibar gegen Bezahlung, das passt alles schon und ist für weniger als 100 ERUO die Nacht bei Einzelnutzung mit Frühstück durchaus sein Geld wert.

Die Gasträume im Erdgeschoss sind irgendwie diffus. Da reihen sich eine altösterreichische Bauernstube mit viel Holz und Heimat, eine moderne, hippe Bar mit viel lila Neon, Lounge-Möbeln und Kunst-Kamin, ein biedermeierisches Schubert-Stüberl, ein verglaster Wintergarten mit dem Charme einer Autobahnraststätte in einem (weiteren) Innenhof, gleich drei Weinkeller mit Tonnengewölben und Böden aus alten Keramikkacheln, mehrere funktionale Schanktresen quasi nahtlos aneinander, alles verbunden durch einen langen Gang, in dem des Morgens links und rechts die Frühstücks-Buffets aufgebaut werden. Dieses Gewusel hat nichts mehr mit individueller Gastronomie zu tun, das ist Großgastronomie, Massenabfertigung, industrialisiertes Restaurantwesen. Und doch scheint das Mader der Treffpunk der Steyrer haute volée zu sein (ungeachtet der Tatsache, dass das Mader mit 80 Falstaff-Punkten das am schlechtesten mit Punkten bewertete Restaurant Steyers ist), hier verkehren keine zwangsverschickten, abgezockten Bus-Pauschal-Touristen, hier verkehren keine alimentierten Neubürger mit Migrationshintergrund, hier verkehren die besser situierten Steyrer mit Trachtenjanker und Rolex, und hier werden Samstagabend um 19:00 Uhr Einheimische ohne Reservierung abgewiesen, sowas muss man erstmal schaffen.

Sowas muss man erstmal schaffen … bei der kulinarischen Performance. Die Speisekarte gibt sich österreichisch – Rindssuppe, Wiener Suppentopf, Geselchtes, Verhackertes, Schafkäsecreme, Gulasch, Tafelspitz, Zwiebelrostbraten, Hirschragout, Schnitzel, Palatschinken –, dazu aber internationalistische Einsprengsel für‘s provinzielle Publikum, natürlich ein Mader- und Veggie-Burger, Steak samt dem verfluchten Surf&Turf, ein Super Food Salat und eine vegane Good Life Bowl. Danke, dass wir darüber gesprochen haben. Was dann tatsächlich aus der Küche, kommt, wie gesagt, sowas muss man erstmal schaffen.

Als ich eine Flasche Wein – ein 2015er Opus Eximium No. 25 vom Gesellmann aus Deutschkreutz, eine Cuvée aus den autochthonen Rebsorten Blaufränkisch, St. Laurent und Zweigelt, im kleinen Holzfass Barrique ausgebaut, und das für unschlagbare 50 EURO – bestelle, nimmt der Kellner wortlos die Papierserviette weg und deckt eine Stoffserviette ein. Der Krug Leitungswasser dazu ist kostenlos, sehr löblich. Die anderen Gäste um mich herum, die keine Bouteille ordern, behalten ihre Papierservietten. Insgesamt ist die Weinkarte sehr Österreichisch, allein zwei Seite Grüner Veltliner, auch sonst fast nur Österreichische Weine, die meisten Flaschen zwischen 30 und 40 EURO, dazu noch ein Bordeaux, sieben Toscana und vier Flugweine, darunter ein 2016er Opus One von Baron Philippe de Rothschild und Robert Mondavi aus dem Napa Valley für unglaubliche 390 EURO, im Laden kostet die Flasche heute – wenn man sie überhaupt noch findet – gut 400 EURO, wie die im Mader das wohl für den Preis anbieten können?

Aber dann beginnt das Essen: Gruß aus der Küche: Fehlanzeige, gibt’s nicht bzw. nur für die Gäste, die das Fünf-Gänge-Menue mit Tatar, Kürbissuppe, Kabeljau im Speckmantel, kurz gebratenem Reh und Mille-feuille au chocolat für unschlagbar billige 51 EURO ordern, aber ich esse lieber a la càrte. Das Tatar ist matschig, wahrscheinlich gewolft, sehr mäßig gewürzt, auf einem geschmacklich sinnbefreiten, wohl industriell produziertem Pesto angerichtet, dazu kaum getoastetes Industrie-Weißbrot. Flädlesuppe ok, mittel-kräftig, nicht säuerlich, Flädle wohl selbst gemacht und reichlich, obendrauf frisch geschnittener Schnittlauch. Es ist problemlos, das Fiaker-Gulasch von der Karte in ein kleines Gulasch mit Gebäck als Vorspeisenportion abzuwandeln (wiederum löblich), sehr gutes Kümmel-Stangerl, drei weiche, Flexen- und Fett-freie, zarte, große Fleischbrocken, mäßiges Gulasch-Safterl (und darum geht es ja beim Gulasch!), nicht nur mit Zwiebeln und Muskelfleisch, sondern zusätzlich wohl mit Mehl angedickt, geschmacklich eher unteres Mittelmaß. Die Gans – ich habe extra die „Frische heimische Weidegans (Familie Nowak, Gleink)“ zu 29 EURO gewählt, statt des ebenfalls angebotenen „Knusprigen ungarischen Gaserl“  zu 21 EURO – faserig, zäh, zerkocht/zerbraten/zerdünstestet (was immer man dem armen Viech auch angetan haben mag), geschmacklose, belanglose Soße, darinnen warm gezogene Dosenmaroni, Dosenrotkraut, unförmige, kleine, matschige Kartoffelbreibälle, es tut mir nur um die arme Gans Leid, die für dieses sinnlose kulinarische Totalversager-Gemetzel ihr Leben lassen musste. Der Tafelspitz – angeblich ein siganture dish des Hauses – ist aus ursprünglich mal gutem Fleisch mit dünnem Fettrand, jetzt nur noch trocken und faserig, alles andere als saftig und zart, begraben unter einem Berg frischer, noch knackiger Julienne, in reichlich mäßiger Rindssuppe schwimmend. Zu gerne würde ich erfahren, welcher kulinarische Irrwisch auf die Idee kam, die – ohnehin sehr mäßigen – Röstkartoffeln gleich mit in die Brühe zu werfen – Röst und Brühe, das passt irgendwie nicht so recht zusammen. Der Spinat dazu ist sahnig-mäßig, ich tippe auf TK-Ware, der Apfelkren ist ok, zum Semmelkren sage ich nichts, mit dem stehe ich immer und überall auf Kriegsfuß (für meinen Teil habe ich noch keinen Semmelkren gegessen, der mir geschmeckt hätte, ich finde das Zeugs nur grauslig, aber vielleicht liegt das ja an mir), die Schnittlauchsauce ein Fiasko aus übelschmeckender, Konservierungsstoff-schwangeren Sour-Cream-Zubereitung mit ein paar verwelkten Schnittlauch-Röllchen obendrauf.

Echte Schnittlauchsauce nach Sacher:
Entrindete Semmeln in Milch einweichen, ausdrücken, durch ein feines Sieb passieren. Gekochte Eidotter passieren, mit rohen Dottern gut verrühren, passierte Semmeln dazu geben, mit Salz, weißem Pfeffer, einer Prise Zucker, etwas scharfem Senf, einem Spritzer Zitronensaft und einer Spur Cayenne würzen. Mit dem Mixstab mixen, Öl zuerst tropfenweise, dann in dünnem Strahl einfließen lassen und zur Mayonnaise aufziehen. Reichlich geschnittenen Schnittlauch dazu geben und mit einem Löffel unterrühren, evtl. noch mit etwas Obers auf die gewünschte Saucen-Konsistenz verdünnen.

Die Palatschinken als Dessert sind lauwarme, recht dicke Mehllappen, gefüllt mit mäßiger Marillenmarmelade, sehr mäßiger Ribieselmarmelade, äußerst mäßigem, pappsüßem, industriellem Vanillin-Eis, gekrönt mit zwei dicken Spritzern Sprühsahne und ein paar frischen Früchten. Ein würdiger und passender Abschluss für dieses Essen. Das hat keinen Spaß gemacht.

An der Bar kann man dann nach dem Essen – neben den Standard-Alkoholika – zwischen ganzen zwei Gins wählen, Bombay Sapphire oder Hendrick’s. Als ich meinen extra-trockenen Martini mit nur gewaschenem Eis bestelle, erklärt mir der Keeper, er habe erstens seinen Job gelernt und zweitens müsse das Eis hier nicht gewaschen werden, da es aus frischem, sauberem Wasser hergestellt werde. Ein Rührglas gibt es auch nicht bei dem gelernten Barkeeper, stattdessen nimmt er ein großes Wasserglas. Ich könnte hier noch seitenlang weiter nörgeln, aber wozu? Am Ende sind wir irgendwie klargekommen, und ich habe irgendwas wie einen Martini Cocktail bekommen. Aber die Bar brummt des Abends und Nachts, sie scheint der place to be für die besser-gestellten, Jüngeren und Mittelalten in Steyer zu sein. Irgendwie muss ich an das Lied „Märchenprinz“ der legendären österreichischen EAV denken: „Da im Disco-Stadl regiert der Furchenadel / Und der Landmann schwingt sein strammes Wadl / Doch die Girls von der Heide sind eine Augenweide“.

Über das Frühstück kann man wenig Schlechtes und viel Gutes sagen: viel Auswahl, gute Backwaren vom örtlichen Bäcker, sehr gute Wurst, Geselchtes, Schinken, gute Käseauswahl, ordentliche Marmeladen, heimische Säfte, sogar eine Saftpresse, frisches Obst, ein ziemlich gutes Birchermüsli, Cerealien, …; ärgerlich ist, dass man sich den Kaffee selber aus dem Automaten zapfen muss und dass es keine besetzte Bratstation gibt, sondern nur Eierpampe und gekochte Eier unter der Warmhalte-Lampe. Am Sonntag ist die Auswahl nochmals größer, und das Hotel lädt zum Sonntagsbrunch; der ist bei den Einheimischen so beliebt, dass man ohne Reservierung kaum einen Platz bekommt, selbst für die Hotelgäste werden an dem Tag automatisch Tische reserviert.



Landhotel Mader
Johann Mader Hotelbetriebsgesellschaft m.b.H. & Co KG
Stadtplatz 36
4400 Steyr
Österreich
Tel.: +43 (72 52) 5 33 58
Fax: +43 (72 52) 53 35 06
E-Mail: office@mader.at
Internet: www.mader.at

Hauptgerichte von 10,90 € (vegane Good-Life-Bowl) bis 35 € (großes Filetsteak, Garnele, Beilagen), Drei-Gänge-Menue von 19,10 € bis 61,90 €

Doppelzimmer mit Frühstück (pro Zimmer, pro Nacht) 115 € bis 162 €

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