Liebe Wirte,

die Zeiten, in denen wir Euren blumigen Werbetexten und -bildern in Prospekten und dem Internet und vielleicht den mehr oder minder kompetenten Kommentaren irgendwelcher Restauranttester und Journalisten im Vorfeld blind vertrauen mussten, bevor wir zu Euch zum Essen kamen, die sind vorbei. Dabei glaube ich den oft hanebüchenen Kommentaren – positiven wie negativen – der selbsternannten Hobby-Restaurantkritiker auf den einschlägigen Bewertungsseiten nicht für’n Groschen, vieles mag da stimmen, vieles aber eben auch nicht. Aber es gibt mittlerweile weitaus mächtigere Waffe gegen übertreibende und lügende Wirte, das ist die Bilder-Funktion bei Google, ich mag die Krake nicht, aber diese von überall aus dem Netz zusammengeklaubten, direkt beim Google-Eintrag des jeweiligen Hauses auffindbare, noch praktisch nach verschiedenen Kategorien – Außen, Innen, Zimmer, Essen&Trinken – geordnete Galerie von Bildern für mittlerweile fast jedes Gasthaus ist schon sehr praktisch und erhellend, da neben den hübschen, professionellen Werbephotos, die Ihr Gastwirte für reichlich Geld erstellen lasst, ganz viele Bilder von Gästen dabei sind, rasch beim Essen mit der Funke geknipst. Diese Bilder sind mit der größtmöglichen Brutalität ehrlich.

Mittlerweile schaue ich mir, bevor in ein fremdes Restaurant oder Hotel gehe, just diese Bilder von Gästen sehr, sehr genau an, und meistens verwerfe ich meinen Plan, dieses Etablissement aufzusuchen, dann ganz schnell wieder. Liebe Wirte, ich möchte Euch einfach mal schildern, mit welchen Augen und nach welchen Kriterien ich mir diese Bilder anschaue. Das wohl röteste aller roten Tücher sind für mich Röstinchen (ich liebe echte Rösti); wenn ich so einen tiefgekühlten, frittierten Kartoffelmatsch-Taler auf einem harmlos und ohne böse Absicht photographierten Teller eines Gastes sehe, bin ich als potentieller Kunde aber sowas von weg; und wenn ich dann noch in der Speisekarte gelesen habe, dass es Rösti, gar hausgemachte Rösti (klar sind die Kartoffelmatsch-Taler in irgend’nem Haus gemacht, die industriellen Massen-Produzenten werden die Dinger ja nicht im Freien auf der grünen Wiese herstellen) gibt, dann kriege ich grüne Tupfen im Gesicht und das Restaurant kommt für sehr lange auf meine persönliche Schwarze Liste. Herrgottsakra, dann gebt doch wenigstens gleich auf der Speisekarte zu, dass Ihr vorproduzierte, tiefgekühlte, industrielle, kurz in der Fritteuse essbar gemachte Massenware anbietet, spätestens auf dem Teller merkt’s der Gast ohnehin. Aber auch vorkonfektionierte, immer gleich große Convenience-Kartoffelklöße, maschinell geschälte und tournierte Convenience-Kartoffeln, diese immer gleichen, handteller-großen, vorgefertigten TK-Schnitzel aus dem blubbernden Fettbad, vorkonfektionierte Ofenkartoffeln mit Konservierungsstoff-schwangerem weißem Zeugs drinnen, das industriell geschnippelte TK-Gemüse aus dem großen Sack, all das erkennt man sehr gut. Fertig-Röstzwiebel, Tüten- oder TK-Spätzle, TK-Flammenkuchen und -Pizzen, Sauce Hollandaise aus dem Tetrapack, industrielles Labberweißbrot als Toast, sieht man alles auf den Photos Eurer Gäste perfekt, ebenso wenn der Beilagensalat größtenteils aus Sauerkonserven-Bottich kommt. Und wenn es als Dessert Schokokuchen oder -souffle mit flüssigem Kern, gebackene Apfelringe, Dampfnudeln mit Vanillesauce, Apfelstrudel oder maschinell in Quadrate geschnittenen Kaiserschmarrn gibt, dann weiß ich, dass das in 95, vielleicht 99% aller Fälle zugekauftes industrielles Zeugs ist, meist kenne ich sogar die Gastro-Großhändler, die das Zeugs vertreiben.

Liebe Wirte, wir kommen zu Euch, um Eurer Kochkunst zu huldigen, uns daran zu erfreuen und trefflich zu laben. Und Kochkunst beginnt nicht beim dreifach lackierten Schweinebauch und leicht geräucherter Jakobsmuschel, ein ehrliches, gut gemachtes Schnitzel mit reschen Bratkartoffeln sind auch schon Kunst. Wenn wir zu Euch kommen, vertrauen wir Euch, Eurem Können, Eurer Warenkunde, Eurer Auswahl Eurer Lieferanten, Eurer Berufsehre, Eurem Enthusiasmus. Ein vorkonfektioniertes Tieffühlschnitzel kann ich mir auch rasch selber daheim machen, und das viel billiger; warum sollte ich für so ein Sch…-Teil zu Euch pilgern? Da gehe ich doch lieber, wenn ich Hunger habe, zum nächsten Metzger und hole mir eine Leberkäs-Semmel.

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One comment

  1. Reinhard Daab

    Lieber Hr. Opl,

    leider können wir heutzutage nicht mehr davon ausgehen, dass wir es mit gut ausgebildeten Köchen zu tun haben. Sehr oft spreche ich mit Restaurantbesitzern, natürlich am besten mit solchen die gleichzeitig Küchenchef sind, nur leider sehr selten anzutreffen. Weiterhin kommt hinzu, dass diese Betriebe nicht mehr das erforderliche Personal bekommen, eigentlich überall das Gleiche. Man kann deshalb nachvollziehen, dass sehr viele Betriebe vorgefertigte Produkte verwenden. Um ein Schnitzel zu essen brauche ich ebenfalls nicht in eine Gaststätte zu gehen, gleiches gilt für gute entfettete Bratkartoffel.

    Vor ca. 4 Wochen waren wir ebenfalls in der schönen Rhön, Hofbieber-Steens. Diese Leute sind nicht einmal in der Lage, Kalbsleber richtig zu braten, gleiches gilt für die Hausgemachte Bratwurst. Viele andere Speisen haben ebenfalls nicht dem entsprochen, was ich unter guter Küche verstehe. Wenn man jedoch bei Google Maps liest, schreiben die meisten, dass die Speisen lecker seien. Wovon kann man demnach ausgehen?

    Viele Grüße

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