Kartoffelsalat nach Omas Art

In meiner Jugend waren wir wohlhabend (nein, sicherlich nicht reich, aber wohlhabend), während Oma immer sparen musste (nein, sie war auch nicht arm, aber eben auch nicht wirklich wohlhabend mit ihrer kleinen Arbeiter-Rente, die sie bis ins hohe Alter noch immer mit Näharbeiten für bessere Herrschaften aufbesserte).  Wir aßen schon im kulinarischen Mittelalter der Sechziger und Siebziger Spargel, frische Annanas selbst vom Hamburger Fischmarkt geholt, oder gar Kalbfleisch und Filetsteak mit grünem Pfeffer – in der nordhessischen Provinz damals unerhörte exotische Köstlichkeiten.  Und dennoch gab es etwas, was Mama niemals so hin bekam wie Oma, denn Mama war – wie ja schon gesagt – wohlhabend, und als wohlhabende und bereits damals gestresste Hausfrau konnte sich Mama den Luxus, den Luxus sage ich, erlauben, Mayonnaise aus der Tube zum Kartoffelsalat zu verwenden, während die nicht so wohlhabende Oma darauf angewiesen war, Mayonnaise nach Altväter (oder wohl besser Altmütter) Sitte zuzubereiten.  Dies aber hat bis heute zur Folge, dass ich Mamas Kartoffelsalat als ganz OK erinnere (nur zu ihrer post humen Ehrenrettung:  daneben gibt es natürlich zahlreiche Gerichte, die ich als genial erinnere, und einige davon sind es vielleicht sogar, aber das ist eine andere Geschichte …), während Omas Kartoffelsalat bis heute unerreichbar geblieben ist, und das liegt wohl vor allem an ihrer Mayonnaise.

Zutaten:

  • 500 bis 750 g kleine, festkochende Kartoffeln
  • 1 Essl. Salz
  • ½ Teel. Kümmelkörner
  • 1 frisches, mittelgroßes Ei
  • 3 bis 5 Essl. Apfelessig
  • 1 Prise Salz
  • 1 Essl. mittelscharfer Senf
  • 1 Teel. scharfer Senf
  • 1 Prise Zucker
  • 1 Prise Cayenne „Pfeffer“
  • Weißer Pfeffer aus der Mühle
  • 100 bis 150 ml neutrales Pflanzenöl (ich nehme Maiskeimöl)
  • 100 bis 150 ml Schmand (Puristen mögen zum Joghurt greifen, aber Oma hätte das nicht gefallen)
  • Bei Bedarf etwas süße Sahne oder Milch*
  • ½ mittelgroße Gemüsezwiebel
  • 12 Cornichons oder 100 g Feldsalat oder 100 g Endiviensalat**

 

Zubereitung:

  • Kartoffeln waschen und mit Salz und Kümmel weich, aber nicht zu weich kochen (dauert ca. 20 bis 30 min.), abgießen, auf der ausgeschalteten Herdplatte unter gelegentlichem Schütteln bei offenem Deckel gründlich ausdampfen lassen, lauwarm werden lassen, schälen, in Scheiben schneiden
  • Mit den Kartoffeln frank, frei und äußerst effizient ein frisches mittelgroßes Ei ca. 5 min. mitkochen, herausnehmen, abschrecken, den Kopf  vorsichtig pellen und mithilfe eines Eierlöffels das ganze Ei (Vorsicht, es ist heiß und innen noch glibbrig) aus der Schale direkt in einen hohen schmalen Rührbecher löffeln, wenn nötig zerdrücken und auf Zimmertemperatur (das ist die Temperatur, die im Zimmer herrscht, da, wo normaler Weise auch das Speiseöl steht, und nicht etwa Kühlschranktemperatur oder so) abkühlen lassen***
  • Auf Zimmertemperatur abgekühltes Ei mit einem Spritzer Essig, den beiden Senf-Sorten (nicht aus dem Kühlschrank, sondern ebenfalls mit Zimmertemperatur, Du Hirsch), etwas Salz, Zucker, Cayenne und weißem Pfeffer würzen, mit dem Mixstab auf höchster Stufe zermatschen und dabei langsam das Öl anfänglich in einem sehr dünnen Strahl dazu gießen, niemals zuviel, immer erst wieder emulgieren lassen
  • Mayonnaise mit Schmand (oder, wenn’s denn sein muss, mit Joghurt) verrühren, restlichen Essig dazu geben, mit allen Gewürzen nochmals kräftig abschmecken
  • Sollte die Sauce zu fest sein, evtl. mit etwas Sahne oder Milch flüssiger machen, dann aber nachwürzen nicht vergessen
  • ½ Zwiebel schälen, in mittelgroße Würfelchen schneiden, zu den geschnittenen Kartoffeln geben
  • Cornichons in Scheiben scheiden oder Feldsalat putzen, waschen, trocknen und in Blätter zerteilen oder Endivien waschen, trocknen und in feine Streifen schneiden
  • Kartoffelscheiben und Zwiebeln vermischen, Sauce darüber geben, gut durchmischen, ca. 15 min. durchziehen lassen, nochmals mischen
  • Grüne Zutat erst ganz zum Schluss vor dem Servieren dazu geben und untermischen
  • Beim Servieren sollte der Kartoffelsalat noch ganz leicht lauwarm sein.  Richtig kalt schmeckt er bäh.
  • Und dazu?  Ganz klar:  Knusperfisch (natürlich selbst gemacht), hilfsweise Fischstäbchen (aber die guten von Iglu) oder Frankfurter Würstchen, oder – wenn’s was zu feiern gibt – ein feistes, althergebrachtes paniertes Schweineschnitzel in Butterschmalz gebacken.
  • Will man Reste des Salates im Kühlschrank aufheben wollen dann nur, wenn kein Feldsalat oder Endivien im Salat sind, die verwelken nämlich zügig arg traurig und sind nach ein paar Kühlschrankschäferstündchen nur noch ein labbriger Abklatsch ihrer selbst.  Und wenn man den Salat im Kühlschrank malträtiert, dann eine Stunde vor dem Servieren herausholen.
  • Wenn dieser Salat länger steht, wird trocken und klumpig, alldieweil Kartoffeln Flüssigkeit ziehen; daher den Salat nach längerem Stehen mit etwas Milch oder Sahne wieder flutschig machen, ggf. dann auch noch nachwürzen.
  • Überhaupt ist dieser Salat weniger für Partys und zum Vorbereiten geeignet (wenn ich jetzt sage, dass er am besten à la minute zubereitet wird, werde ich für total durchgeknallt gehalten), hier eignet sich ein robuster schwäbischer Kartoffelsalat mit Brühe viel besser

 

* Omas Geheimtrick war zum Schluss ein guter Schuss Kondensmilch, quasi als Dosen-Luxus-Produkt der ärmeren Leute.  Bei allem Respekt vor Oma, das bringe selbst ich heute nicht mehr …

** Eine grüne Zutat muss an den Kartoffelsalat, welche, das bleibt jedem selber und der Jahreszeit überlassen.  Was nicht geht, dass sind zwei grüne Zutaten gleichzeitig, also etwa Cornichons und Endivien, man muss sich schon für eine entscheiden …

*** Es ist wichtig, dass das Ei später absolut die gleiche Temperatur wie das Öl hat, denn ansonsten wird die Mayonnaise nicht emulgieren, sondern verhundsen.

 

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