Erwin Werlberger: Das Beste aus der Wirtshausküche

Dass gute Restaurants des Öfteren von dem ganz großen Geld betrieben bzw. massiv gesponsert werden, ist nicht erst seit Fritz Eichbauer und seinem Tantris bekannt. Dass die Gelddruck-Maschine Red Bull den Hangar 7 am Salzburger Flughafen mit seinem Vorzeigerestaurant Ikarus sowie das Carpe Diem Lounge-Café, die Mayday Bar und das Threesixty betreibt, ist auch hinlänglich bekannt. Weniger bekannt ist hingegen, dass Dietrich „Didi“ Mateschitz, seines Zeichens österreichischer Unternehmer, Milliardär und 49 Prozent-Anteilseigner an Red Bull, auch alleiniger Kommanditist der Gastronomiebetriebs-GmbH & Co KG ist, die ihrerseits wiederum das Winterstellgut in Annaberg betreibt, wo Erwin Werlberger nach seiner Tätigkeit als Souschef im Ikarus seit 2005 den Küchenchef gibt, also sozusagen zur Familie gehört und nach angemessener Zeit als Knecht nun sein eigenes Kommando hat. Unter dem Namen Erwin Werlberger ist jetzt auch ein Kochbuch mit dem Titel „Das Beste aus der Wirtshausküche“ im Servus Verlag erschienen, einem der Print-Verlage der umfangreichen Medien-Aktivitäten des Energiebrausemultis. Die „Wirtshausküche“ ist durchaus ein ausgesprochen schön gemachtes, ansprechendes Hardcover mit Fadenheftung, wertigem Papier aus ökologischer Erzeugung, ästhetischen und zugleich stimmigen Photos von Ingo Eisenhut und Stefan Mayer (vom „Wiener Studio für Fotografie, Foodstyling, Bildkonzept, Rezeptentwicklung, Requisiten“, einem der Haus-und-Hof-Photographen des Red Bull Konglomerats, aber auch anderer Lebensmittel-Konzerne wie etwa Nestlé, Coca Cola oder Oetker) und sehr geschmackvollem, wirklich gekonntem Satz. Da hat jemand zweifelsohne ein Faible für schöne Bücher, denn billig ist sowas nicht, und ob sich damit Geld verdienen lässt, würde ich auch mal bezweifeln.

So schön das Buch auch sein mag, es hinterlässt den aufmerksamen Leser ratlos. Einerseits, Rezepte für Kässpätzle, Salzburger Nockerl, Reisfleisch, Szegediner, Powitascherl oder Bauernente mit Blaukraut und Kartoffelknödel, das sind 08/15 Allerwelts-Rezepte, die sich an jeder Ecke finden, vielleicht nicht gerade mit so schönen Photos, aber ansonsten sehe ich hier kein distinktives Merkmal, etwa die besondere Würzung oder den spezielle Zubereitungstrick eines großen Kochs, all das ist Kleines Küchen-Einmaleins, das es so wahrscheinlich auch tausendmal auf chefkoch.de & Co. for free gibt. Und wenn jemand dieses Buch tatsächlich wegen dieser Basis-Rezepte kauft, dann ist er spätestens bei der erklärungslosen Aufforderung, Flusskrebse zu entdarmen oder eine Sauce mit Butter zu binden maßlos überfordert. Andererseits, Rezepte wie frittierte Fleischkrapfen aus einem Roggenmehl-Milch-Teig, gefüllt mit faschierten Fleischresten auf Sauerkraut mit frittierter Petersilie, Löwenzahnparfait mit Zitronen-Thymian-Erdbeeren, Saiblingsgröstl, Zwiebeln in Bierteig oder geselchter Kürbis mit Knoblauchmayonnaise, die machen neugierig, die zeigen, dass Erwin Werlberger mehr ist als ein Allerwelts-Entenbrater, die machen Lust auf’s Nachkochen oder zum Essen in’s Winterstellgut nach Annaberg zu fahren. Ditterseits, wenn ich ein Bild von einem viel zu dick geschnittenem Hirsch-Carpaccio sehe oder ein Rezept für Spareribs vom Hirschen mit den typisch alpinen Süßkartoffeln als Beilage („Nur saisonale und regionale Produkte kommen ihm in die Küche und auf den Tisch.“ verspricht der Umschlagtext, man kennt sie ja zur Genüge, diese traditionellen Süßkartoffelfelder in den Hochalpen), dann frage ich mich schon, was das soll und welcher Sau hier wieder quer durch’s kulinarische Dorf nachgerannt wird. Vierterseits, wenn ich beim ganz klassischen Rezept für Tafelspitz lese, dass man Semmelkren mit Meerrettich aus dem Glas zubereiten soll, dann frage ich mich schon wieder, welcher Qualitätsanspruch in solch einer Küche herrschen mag (obwohl der Apfelkren zum gekochten Schulterscherzel ganz korrekt aus frischen Äpfeln und frisch geriebenem Meerrettich gemacht wird). Fünfterseits, wenn das Rezept für Rindssuppe sich gleich zweimal im Buch findet,  einmal mit einer Stange Sellerie und acht Liebstöckelblättern und einmal mit einem kleinen Stangensellerie und einer Handvoll Liebstöckelblätter, ansonsten aber identisch, so frage ich mich schon zum dritten Mal, wer das lektoriert hat oder ob hier auf Teufel komm raus noch ein paar Seiten aufgefüllt werden mussten, und wenn noch ein paar Seiten aufgefüllt werden mussten, warum hat der Herr Werlberger nicht noch ein, zwei Rezepte spendiert statt dieser schlampigen Dopplung?

Am Ende hat man hier ein unter bibliophilen Gesichtspunkten ziemlich aufwändig, ziemlich gut und ziemlich ansprechend gemachtes Kochbuch, was Layout, Druck, Bindung, Papier, Photos anbelangt. Inhaltlich aber bleibt dieses Buch zwischen Allerweltsküche, interessanten Rezepturen und gelegentlicher Schlamperei diffus. Wenn man dann aber sieht, dass z.B. Photos in Werlbergers „Wirtshausküche“ und auf der Webpage des Winterstellguts identisch sind, dann macht alles mit einem Male einen Sinn, von der Vermarktung her gedacht, nicht vom Produkt, eine der unbestrittenen Stärken des Roten Bullen Konzerns: das Kochbuch ist ein Baustein zum Aufbau und zur Vermarktung der Marke Werlberger / Winterstellgut, und die Marke Werlberger / Winterstellgut ist wiederum ein Baustein der Marke Red Bull, und da geht es nicht um Details wie doppelte Rezepte, Süßkartoffeln und Meerrettich aus dem Glas, da geht es um das große Ganze, und mit einem Male macht alles wieder Sinn.

 

Erwin Werlberger: „Das Beste aus der Wirtshausküche.“ ISBN-13 9783710401541, 240 Seiten / 21 x 26 cm, Wals bei Salzburg, 2018 Servus Verlag, 36 EURO

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