Das Raskolnikoff in Dresden: mittlerweile eine Institution, aber es bröckelt …

Gänzlich unauffällig ist der Eingang zum Raskolnikoff mitten in der Neustadt, wenn man es nicht sucht, könnte man glatt an dem unrenovierten, alten, etwas schmuddelig-schäbigen alten Haus vorbei laufen. Aber echte Neustädter kennen das Raskolnikoff sowieso, und Dank zahlreicher Einträge in Reiseführern kommen auch immer mehr Touristen hierher.
Die beiden niedrigen Gasträume sind einfach eingerichtet, genial im Sommer der Garten hinter dem Haus, die Atmosphäre ist leger-alternativ-unverkrampft, hier sitzt der Herr Student neben der Frau Richterin, junge Mütter stillen schwatzend beim Milchkaffee ihre Babys, an einem Tisch wird die Weltrevolution mal wieder geplant und am Nachbartisch ein neues Immobilienprojekt (das die Neustadt weiter verschandeln und ihres Charakters berauben wird), dazu gaffende und ständig photographierende Touris. Neben dem Restaurant gibt es ein paar urige, einfache, wohlfeile Pensionszimmer im Haus und ganz viel lokale Kunst. Ein echter Szenetreff halt.
Der Service im Raskolnikoff ist – traditionell – langsam. Oft (nicht immer) freundlich, manchmal kompetent, aber immer langsam. Das Essen kann vielleicht am besten als Spiel mit einem Ost-West-Cross-Over umschrieben werden. Borschtsch und hausgemachte Pelmeni treffen auf Badischen Rahmkuchen und Allgäuer Kässpätzle; Graupen und Maisblinis stehen da einträchtig auf der Speisekarte neben hausgemachter Foie Gras mit (wirklich guter, ebenfalls hausgemachter) Brioche und frischem Tartar. Veganer kommen mit einem Cassoulet eben so wenig zu kurz wie Fleischfresser mit einem 400 g Kotelette vom Landschwein. Der Sonntag-Brunch soll legendär sein. Im Raskolnikoff kauft man – ganz der Zeitgeist – vorwiegend regionale Produkte aus artgerechter Landwirtschaft ein. Die Speisekarte ist hipp und bunt gemischt-trendy (ebenso wie die Neustadt) und bietet sicherlich für jeden etwas. Vor Jahren war dieses Konzept gänzlich neu in Dresden, gänzlich neu im Osten generell. Heute ist es in die Jahre gekommen, und man merkt mehr und mehr, dass hier nicht wirklich Könner am Herd stehen, sondern wechselnde ambitionierte Jungköche mit sehr viel Luft nach oben. Zermatschte Pelmenis, ein zu Tode gebratenes Steak, einfach schlecht geputzter Salat, das sind Patzer, die immer wieder passieren, auch wenn vieles andere gut klappt und ganz ok auf dem Teller daher kommt. Für mich persönlich ist das Raskolnikoff eine sehr ambitionierte Laienspieltruppe mit einer schönen Vision für ein gutes Gasthaus, aber handwerklich sehr vielen Mängeln, zuweilen Höhen, mehr aber ärgerlichen, Vieles zunichte machenden Tiefen. Es gab Zeiten, da war kein Platz zu bekommen im Raskolnikoff. Zwischenzeitlich ist das meist kein Problem mehr, denn es gibt jetzt genügend kulinarische Alternativen in der Neustadt, vielleicht nicht ganz so schräg-liebenswert, aber dafür qualitativ sichererer.

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