Caro ist nicht da …

… und das muss ich gleich ausnutzen mit ausnahmsweise zwei Marti Cocktails am Samstag, aus meinen jüngsten Mitbringseln aus der Schweiz. Da ist zum ersten der Breil Pur, ein London Dry Gin mit einer Geschichte, die ich so oder so ähnlich zwischenzeitlich auch schon etliche Male bei neu auf den Markt gekommenen Gins gelesen haben. Zwei erfolgreiche Manager – Wirtschaftsjurist und Banker – wollen mit 50 nochmal was Neues machen, und – padauz! – kommen auf die Idee, einen eigenen Gin zu kreieren, natürlich lokal, natürlich bio, natürlich mit heimischen Zutaten, natürlich im Premium-Segment. 2013 beschlossen Gustav Inglin und Beat Sidler, jetzt mal Gin zu machen, da Geld bei den beiden wohl nicht große Rolle spielte, holte man sich den Britischen Gin-Papst Dr. David Clutton zur Entwicklung der Rezeptur und als Lohnbrenner Gion Candinas von der fast 200 Jahre alten Destillaria Candinas in Graubünden, eigentlich bekannt für wohlfeilere Obstschnäpse; die Einstiegsbarrieren in die Gin-Produktion sind halt sehr niedrig, man braucht keine Rezeptur, keine Brennblase, keine Landwirtschaft für die Rohstoffe, noch nicht einmal Brenner-Know-How, man braucht eine Idee, ein Marketing-Konzept, gewisse  finanzielle Ressourcen und den Willen zum Schnaps. Was diesmal dabei herausgekommen ist, ist ein scharfes Destillat mit 45% und diffusem Geschmacksbild, Süße ist der dominierende Geschmack, das Zeug brennt im Maule und ist scharf im Abgang, bestimmt ein guter Brandbeschleuniger, zum Trinken dann doch eher zweite Wahl, und das für rund 65 EURO pro Liter.  2013 waren lokal – bio – heimisch – pure grain – small batch – hand crafted – Bergquellwasser – guru-guru noch halbwegs distinktive Merkmale auf dem Gin-Markt, heute behauptet das wenigstens jeder zweite  neu auf den Markt kommende Gin das von sich, und darunter gibt es bessere und billigere als Breil Pur. Entsprechend verkünden die Macher auf ihrer Webpage (www.breilpur.ch), dass sie die Produktion eingestellt haben und nur noch die letzten Chargen abverkaufen, ich habe die Flasche 107 aus dem batch 95 erwischt. Im auf Bareis gerührten extra-trockenen Martini Cocktail mit Lemon Twist geht der Breil Pur trotz seiner 45% komplett unter, er verliert die Schärfe, die Süße, den Geschmack, was bleibt ist Plörre – würde der gestandene Martini Cocktail-Junkie urteilen – oder eine milde Martini Melange für den gustatorischen Feinmotoriker, der Ecken, Kanten und deutliche Noten nicht goutiert.

Aus welchem Antrieb sich Peter Roth und Christian Heiss (die netten Herren hinter der Theke in der Kronenhallen Bar in Zürich) und Markus Blattner (maßgeblich mit verantwortlich für die gigantische Whisky-Sammlung in der Widder Bar, ebenfalls Zürich, heute betreibt er eine eigene Bar, das Old Crow gleich um die Ecke) (die Zürcher Bar-Szene ist klein, man kennt halt seine guten Bartender) entschlossen, für die Appenzeller Alpenbitter AG aus Appenzell (eigentlich bekannt als der Produzent des Appenzeller Alpenbitters, der „Universalmedizin“ der Innerrhödler) einen Gin zu entwickeln, liegt verborgen im Dunkel der Schweizer Bergtäler, aber wahrscheinlich taten Portfoliodiversifizierung einerseits, Zusatzverdienst andererseits not. Herausgekommen ist ein mittelpreisiger Dry Gin mit 43% (ca. 42 EURO pro Liter), der Geruch erinnert mit Zimt und Muskat ein wenig an Weihnachten, im Maule ist er vollmundig-dominant, deutliche Noten von Wacholder, Badezusatz (oder doch Tanne?) und Bitterorange, pfeffrig-scharf im Abgang, lange am Gaumen nachklingend, gar nicht mal übel, aber nichts für die heiße Jahreszeit. Oder vielleicht doch, im klassischen Martini Cocktail kann dieser Gin durchaus was, kräftig, deutliche Tannennote, Wacholder tritt in den Hintergrund, ziemlich gut als Aperitif zum Geschmacksknospen-Kitzeln.

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