Capuns

Wie fast jeden Spätsommer haben wir ein paar Tage in Genua verbracht, wie fast jeden Spätsommer sind wir das Rheintal hinauf über den Splügen-Pass gefahren, wie fast jeden Spätsommer sind wir ein paar Tage in Splügen in einem alten, einfachen, liebenswerten Berggasthaus geblieben, und wie fast jeden Spätsommer haben wir dort reichlich Capuns gegessen. Capuns, das ist eine Graubündner Spezialität, die ich so oder auch nur so ähnlich noch nirgends anders gesehen habe. Der Legende nach sollen die abgekämpften und hungrigen russischen Soldaten des Generals Suworow bei der Verfolgung der Truppen Napoleons über die Alpen im Oktober 1799 alles geplündert und aufgefressen haben, was sie in der Surselva finden konnten, so dass nur Hunger, Elend und nackte Verzweiflung zurück blieben. Ein altes Mütterlein soll die wenigen Reste, die die Russen übrig gelassen hatten, zusammen gesammelt haben, etwas Mehl und Wurst- und Schinkenzipfel, dazu Kräutlein aus dem Garten, Eier und gefrorene Mangoldblätter, und daraus bereitete sie die ersten Capuns – so die Legende, aber viele Gerichte wurden ja aus der Not geboren. Capuns, das ist im Prinzip ein sehr dicker Spätzle-Teig, zu dem Wurst-, Schinken- und Trockenfleischwürfelchen und Kräuter gegeben werden; von dieser Masse formt man dann etwa Daumen-große Stücke, wickelt sie einzeln in Mangold-Blätter ein, kocht sie, und serviert sie mit Käse bestreut mit etwas Kochflüssigkeit.

Nichts an diesem Rezept ist wirklich „sakrosankt“, außer dass man dicken Spätzleteig in grüne Blätter wickelt und kocht: die Mehl-Sorte ist variabel, was halt gerade da ist, die Anzahl der Eier ist variabel, die Art und Menge der Fleischeinlage sind variabel, Landjäger, Salsiz (eine Graubündner Spezialität, eine luftgetrocknete oder geräucherte Rohwurst aus Schwein), Bündner Fleisch, Rohschinken, aber auch Geselchtes, Bratenreste, Speck usw., oder man macht vegetarische Capuns ganz ohne Fleisch, die Kräuter sind variabel, wobei Schnittlauch, Petersilie und Krause bzw. Grüne Minze schon sein sollten, eigentlich nimmt man zum Einwickeln Schnittmangold-Blätter (im Bündner Volksmund auch Capunsblätter genannt), aber man kann auch Lattichblätter oder andere große grüne Blätter verwenden, die Kochflüssigkeit ist variabel, eigentlich ein Wasser-Milch-Gemisch, aber man kann auch Fleisch- oder Gemüse-Boullion verwenden oder ein Gemisch oder noch etwas Weißwein oder Butter zugeben, ob und welchen Käse man über die fertigen Capuns gibt ist variabel, ob man ihn noch kurz gratiniert oder nicht ebenso, schließlich ob man die Capuns trocken serviert oder – meistens – mit etwas Kochflüssigkeit übergossen, oder mit Speckfett und krossem Speck oder mit Butter … alles variabel. Wahrscheinlich gibt es so viele Capuns-Rezepte wie es Köchinnen, Köche und kochende Vertreter des dinglichen und anderer Geschlechter (wir wollen ja politisch korrekt sein, damit uns die Sprachfaschisten nicht der Verbal-Diskriminierung zeihen) in Graubünden gibt.

Zutaten:

  • 500 g Mehl
  • 4 Eier
  • Ca. 100 ml Wasser
  • Ca. 100 ml Milch
  • Weißer Pfeffer, Salz
  • 400 bis 500 g Fleischeinlage in Würfeln (Schinken, Landjäger, Salsiz, Salami, Bündner Fleisch, Bratenreste, magerer Speck, …)
  • 15 g krause Petersilie
  • 15 g Schnittlauch
  • 25 g Minze
  • Evtl. weitere Kräuter
  • 50 bis 70 große Mangoldblätter
  • 500 ml Fleisch- oder Gemüse-Boullion
  • 500 ml Milch
  • 50 g Butter
  • 150 g Bergkäse
  • Nach Geschmack 100 g magerer Speck
  • 50 g Butter

Zubereitung:

  • Mehl mit 1 gutem Teel. Salz und ¼ Teel. weißem Pfeffer aus der Mühle vermischen, 4 Eier dazu geben, verrühren, so viel Wasser und Milch dazu geben, dass ein sehr dicker Spätzleteig entsteht, der nicht mehr vom Löffel tropft
  • Fleisch-Einlage in sehr kleine Würfel schneiden, unter den Teig mischen
  • Kräuter waschen, trocken schleudern, von den Stängeln zupfen, klein hacken, unter den Teig mischen
  • Wer mag, kann an dieser Stelle ein erstes Probe-Stückchen aus dem Teig formen, ca. 10 Minuten in der heißen Kochflüssigkeit (s.u.) ziehen lassen und dann probieren, ob die Würzung des Teigs stimmt.
  • Mangoldblätter auslösen, waschen, die dicken Strunke herausschneiden, glatt aufeinander schichten.
  • Von Teig ein knapp Daumen-großes Stück mit einem feuchten Esslöffel abnehmen, auf den unteren Rand des Mangoldblattes geben, Teig in das Blatt einrollen, überstehende Ränder links und rechts nach innen schlagen und festdrücken (eine Fixierung mit Bindfaden wie bei Rouladen ist bei Capuns nicht notwendig)
  • Wenn aller Teig eingewickelt ist, 500 ml Milch, 500 ml Fleisch- oder Gemüse-Boullion, 50 g Butter und 1 Teel. Salz einmal in einem möglichst großen Topf oder Pfanne aufkochen lassen, dann Hitze auf leicht siedend reduzieren, Capuns nebeneinander hineinlegen (notfalls in zwei oder drei Durchgängen), ca. 10 Minuten leicht sieden lassen
  • 150 g Bergkäse fein reiben
  • Fertige Capuns herausheben, auf eine vorgewärmte Platte geben, jeweils etwas geriebenen Bergkäse darauf geben, mit etwas Kochflüssigkeit umgießen
  • Nach Geschmack noch 100 g mageren Speck fein würfeln, bei mittlerer Hitze in 50 g Butter auslassen, bis die Speckwürfel knusprig sind, Capuns mit heißem Speckfett übergießen

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