Zum Stern Poppenhausen (Wasserkuppe): hübsche Gegend, hübscher Landgasthof, unhübsches Essen

Summa summarum: wunderschöne Mittelgebirgs-Landschaft, ein kleines Städtchen fernab allen Trubels, doch mit reichlich vielen Ü50-Wander-Touristen, direkt am kleinen Marktplatz ein altes Gasthaus mit nettem Gastgarten unter alten Bäumen, weniger netten Gaststuben und ein paar kleinen, funktionalen, aber gemütlichen Gästezimmern, die leider durch Kirchturmuhr vor dem Haus und viel befahrener Durchgangstraße hinter dem Haus nicht wirklich ruhig sind, die Speisekarte verspricht neben vielen verschiedenen Burgern echte Rhöner Küche, was dann kommt ist allerdings kulinarisch durch und durch enttäuschend.

Eigentlich wäre es lauschig. Ein Städtchen – Dorf wäre die treffendere Bezeichnung – fernab jeder Bundesstraße, in der tiefsten Rhön am Fuße der Wasserkuppe, mitten darin ein verkehrsberuhigter winzig kleiner Marktplatz, alte Bausubstanz, viel Fachwerk, viel davon heruntergekommen, verwinkelte, enge Gässchen, wenige Geschäfte, aber eine stattliche katholische Stadtkirche, ihre Glocken künden trefflich jede viertel Stunde auf’s Neue, auf der einen Seite des Platzes ein für diese dörflichen Verhältnisse recht großes Schnellrestaurant, es nennt sich „Pizzeria Maro“, die Speisekarte besteht aus Schabefleischgerichten und fast allem, was sich aus der einfachen italienischen Küche (oder was man dafür hält) tieffrieren und auftauen lässt, vis-à-vis, auf der anderem Seite des Marktplätzchens der örtliche Gasthof (der letzte von einst vier Gasthöfen, die es an diesem Platz weiland gab, drei davon mit eigener Brauerei, weiland), seine Grundmauern sind die Kapelle eines befestigten, mittelalterlichen Herrensitzes, heute obendrauf ein zweieinhalb-geschossiges, stattlich-bescheidenes Gebäude, mit Holzschindeln verkleidet, Butzen- und Sprossenfenster, davor die unvermeidlichen Geranien, angedeutete Fensterläden, links daneben ein lauschiger Gastgarten unter alten Bäumen, die in der abendlichen schwülen Hitze eines Hochsommertages willkommenen Schatten  spenden, von irgendwo erklingt Akkordeon-Musik im Hintergrund, Rentner führen ihre Tölen zum Kacken über den Platz, Handwerker in Arbeitskleidung halten Schwätzchen, ein paar gelangweilte Jugendliche lungern planlos am Brunnen vor der Kirche herum, die flotten, freundlichen Bedienungen im Gastgarten tragen einheitlich rot-weiß karierte Hemden, das heimische Lauterbacher Bier ist kühl und süffig, die Schnäpse aus dem nahen Schlitz werden gefühlt mit den Jahren immer besser, die Speisekarte verheißt original Rhöner Küche. Eigentlich wäre es lauschig.

Doch die Geschichte geht nicht so weiter, wie ich es eigentlich gerne gehabt hätte, dass sie weitergeht, so mit dem Tenor „fast nur einheimische Restaurantbesucher, außer mir noch ein paar wenige Durchreisende und Touristen, typisches Dorfgasthaus und Dorfleben in der Rhön, einfache, aber gut gemachte, bodenständige Kost nach traditionellen heimischen Rezepten mit regionalen Zutaten“. Vielmehr sind die Touristen hier eindeutig in der Überzahl, Pärchen und Vierer-Grüppchen, allesamt 50+, eher 60+, fast alle durchtrainiert, ziemlich fit (stelle ich unverhohlen neidisch fest und blicke auf meine hart antrainierte Wampe), den einen sieht man kik sehr deutlich an, den anderen eher Manufaktum, aber allhier immerhin Standesdünkel-frei, kunterbunt gemischt, Wanderungen und Mountainbike-Touren auf der nahen Wasserkuppe scheinen ihr gemeinsamer Nenner zu sein, zum Glück keine Motorrad-Deppen, die Lautstärke der Gespräche auf der Terrasse des Gasthauses ist eher verhalten, mehr gepflegtes Parlieren als grölendes Prolltum, das sich selber feiert. Gegen 20:00 Uhr kommt noch eine Gruppe Ü30 Hardcore-Radler in voller Montur, ihrem Idiom nach eindeutig Einheimische, deren Geschnatter lässt dann die Lautstärke deutlich ansteigen, irgendjemand (nicht aus dieser Clique, nicht anwesend) hat eine Mischmaschine (für was auch immer) bei irgendjemanden (aus der Clique, anwesend) ausgeliehen und verdreckt zurückgegeben, das kollektive Missfallen ergießt sich gerade über diese abwesende Person, ich kann nicht umhin, das alles live nicht nur in Farbe, sondern auch noch in Mundart mitzubekommen; und ich möchte jetzt nicht in der Haut des Mischmaschinen-Ausleihers stecken, der hat gewiss die für nächsten zehn, zwanzig Jahre zum Dorffest bei den anderen verschissen.

Aber ich bin ja zum Essen hier, nicht zum Spannen. „Die echte Rhöner Küche verwöhnt Euch mit frischen und regionalen Gerichten, saisonalen Angeboten und viel Liebe und Herz, die Ihr in jeder Speise schmecken könnt.“, verspricht die Speisekarte. Klingt ja erstmal nicht schlecht. Es gibt eine Rindfleischsuppe (keine heimische Kartoffelsuppe o.ä.), diverse Salate, Variationen von der Rhön-Forelle und den bekannten Rhön-Lachs, eine umfängliche Schnitzelkarte, Tafelspitz, Käs- und Mehlspatzen, Steak, was für die Essgestörten und schließlich Apfelküchle, Schmandwaffeln und Schmandmousse (Schmand ist ein sehr fettiger Sauerrahm, eine nordhessische Spezialität) zum Dessert, alles in allem übersichtlich, dazu süffige heimische Lauterbacher Biere vom Fass, eine belanglose Weinkarte, sehr nette Brände aus Schlitz und sogar eine Alte Marille vom Prinz. Ach ja, dann gibt es noch ein quälend reichliches Angebot an Buletten in Labberbrötchen, angereichert mit allerlei Grünzeug, Soßen, Käse, vulgo Burger. Die Speisekarte erklärt dazu, die Wirtsleute hätten länger in Irland gelebt und dabei das Land und seine Pub-Kultur lieben gelernt; nach ihrer Rückkehr nach Deutschland haben sie dann sieben Jahre lang ein Irish Pub namens Cinn Mhara in Kothen betrieben, bevor sie nach Poppenhausen in die Rhön gingen, und auch dort wollen sie ihr irisches Pub demnächst in einem Wirtschaftsgebäude hinter dem Gasthaus unter gleichem Namen wiedereröffnen. Ich weiß zwar nicht, was gegrillte Fleischklopse mit irischer Pub-Kultur zu tun haben sollten – ich habe in Pubs in Irland Sandwiches, Stew, Lachs, Seafood Chowder oder Colcannon gegessen, die verfluchten Burger habe ich dort eigentlich nur in Touristen-Abzocken mit überwiegend internationalem Publikum gesehen, nicht aber in den echten irischen Pubs –, aber sei’s drum.

Aber was dann an echter, traditioneller, heimischer Kost aus der Rhön auf meinen Tisch kommt, hat durchaus Burger-Qualität, sprich durch die Bank weg enttäuschend. Die Mehlspatzen sind monströse, Kinderfaust-große Spätzle, wohl tatsächlich selbst gemacht, aber keinerlei eigener Geschmack, nur abgekochte Klumpen aus Mehl und Wasser, kurz in der Pfanne aufgewärmt und leicht gebräunt, der gelbliche Sauerrahm dazu mit grünen Punkten darinnen ist nicht frei vom Ruch der Convenience-Bottich-Sauce, Sauerrahm ist nun mal weiß, und frische Kräuter schmecken anders; dazu der wässrige Gurkensalat ist nur sauer, aber immerhin frisch. Meine Bitte, eine kleine Vorspeiseportion zum Probieren zu erhalten, wird schlichtweg ignoriert, sowohl auf dem Teller als auch auf der Rechnung, das ist mengen- und preismäßig eine volle Portion, immerhin angetan, einen ausgehungerten Holzfäller trefflich, doch bar jeden kulinarischen Genusses zu sättigen. Die geräucherte Rhön-Forelle ist tatsächlich lauwarm, geschmacksarm, keinerlei Rauch- oder sonstige Aromen, geräuchertes, trockenes Fischfilet halt, begleitet von einer scharfen Meerrettich-Preiselbeer-Tunke, die Kartoffel-Möhren-Rösti dazu tatsächlich selbst gemacht, dünn, fettig, mega-fettig, eine gänzlich ungeeignete Beilage zu dem fetten Fisch, ergänzt von einem tadellos geputzten, frischen, knackigen, gemischten Salat mit wieder fettigem Schmand-Dressing. Das Rhön-Schnitzel entpuppt sich als Flatschen harten, geschmacklosen Fleisches, angepappte Panade, Sauce aus saurem Rahm mit angeschwitzten Speckstücklein drinnen, keinerlei erkennbare Würzung, Bratkartoffeln selber gekocht, gepellt, geschnippelt, jedoch mit dem Ruch des Aufgewärmten, geschmacklich und von der Konsistenz her absolut belanglos, dazu der gleiche, ordentliche Salat, den ich schon von der Forelle her kenne mit demselben Sauerrahmdressing. Auch das Dessert war nämlich.

Das Essen hat keinen Spaß gemacht im Stern in Poppenhausen.

Dafür war mein Übernachtungszimmer nett. Zu erreichen über eine schmale, steile Treppe, oben enge Gänge, wertige, weiße, neue Kastentüren, das Zimmer selber klein, aber irgendwie gemütlich-individuell eingerichtet, Holzfußboden, gutes Bett, Tischlein, Schrank, kleines Bad mit Tageslicht, Flasche Wasser vom Haus, eine verfluchte Kapsel-Kaffeemaschine, ordentlicher und sauberer Drei-Sterne-Standard, für 72 EURO im Doppelzimmer zur Einzelnutzung nicht wirklich preiswert. Es gibt wohlfeilere Zimmer, die haben das Bad dann über den Flur, jedes Zimmer zwar ein eigenes Bad, aber halt über den Flur. Dennoch war die Nacht alles andere als beschaulich, hinter dem Haus führt eine viel befahrene Straße den Berg hoch, mit reichlich Lastwagenverkehr bis spät in den Abend und schon früh am Morgen, das viertelstündliche Glockengebimmelt der Dorfkirche tut sein nämliches.

Das Frühstück im Stern muss man bereits am Vorabend mithilfe eines Zettels bestellen, auf dem man angeben kann, wann man am nächsten Morgen auf was in welcher Menge Lust haben wird, zur Auswahl stehen diverse Brötchen- und Brotsorten, Getränke, Aufstriche, Wurst, Käse, Cerealien, Eier, … eigentlich gibt es alles, was man von einem Frühstück in einem Drei-Sterne-Haus erwarten darf, und eigentlich finde ich es ja auch gut, wenn kein Riesen-Frühstücks-Buffet aufgebaut wird, von dem jeden Tag ein gehöriger Batzen weggeworfen werden muss. Wenn man dann des Morgens zur gewählten Zeit im Gastraum – ich vergaß zu erwähnen, dass dieser nicht sonderlich hübsch und gemütlich ist – erscheint, erwartet einen ein gedeckter Tisch mit Brotkorb (die Brötchen sind Industrieware aus der örtlichen Großbäckerei), Thermoskanne, Teller mit Wurst und Käse unter Cellophan, industrielle Brotaufstriche und Butter in Plastik-Einzelverpackungen, usw., nur Eierspeisen kann man à la minute bei einer quirligen Kaltmamsell ordern. Ich frage mich, ob die Ersparnis an Lebensmitteln auf diese Weise wirklich so groß ist oder ob es nicht vielmehr um die Einsparung von Arbeitskräften am Morgen geht.

Ich verlasse Poppendorf an der Wasserkuppe und den Landgasthof Zum Stern nicht wirklich enthusiastisch.


Landgasthof Zum Stern
Andreas & Miriam Jahn
Am Marktplatz 5
D – 36163 Poppenhausen (Wasserkuppe / Rhön)
Tel.: +49 (66 58) 12 02
E-Mail: booking@landgasthof-zum-stern.com
Online: https://landgasthof-zum-stern.com

Hauptgerichte von 10,80 € (Mehlspatzen, Specksoße, Gurkensalat) bis 26 € (Rumpsteak, Kräuterbutter, Zwiebeln, Wedges), Drei-Gänge-Menue von 20,80 € bis 47,10 €

Doppelzimmer Ü/F ab 92 € (pro Nacht, pro Zimmer)

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