Immer mehr altehrwürdige wie neue Wiener Wirtshäuser biedern sich den touristischen Heerscharen und ihren verqueren Geschmäckern an, da gibt es Burger im Kaffeehaus, Steak beim Heurigen, Pommes Frittes zu Wiener Schnitzel, eine Melange mit Schlagsahne („Bei uns im Café in Wanne-Eickel machen die das auch so.“ – O-Ton vom Nachbartisch im Havelka, einer Wiener Kaffeehaus-Institution), alteingesessene Geschäfte werden zunehmend in gesichtslose Filialen internationaler Konzerne umgewandelt … Was weiland die Türken weder 1529 noch 1683 geschafft haben, das machen die Touristen von heute mit Links: Wien einnehmen und überrennen, zumindest den Ersten Bezirk mit den angrenzenden Gebieten, den Prater und Schönbrunn. Und dennoch gibt es mitten im Ersten Bezirk, versteckt, abseits der Touristen-Trampelpfade, recht unscheinbar, ohne schreiende Werbung und Speisekarten in Englisch oder gleich in Bildern eine letzte echte Wiener Bastion, die sich nicht den Touristen und ihren Geldbeuteln prostituiert, ein Beisl, in dem einfach, konsequent, unbeirrt, standhaft echt Wienerisch gekocht wird: Zu den Drei Hacken in der Singerstraße.
Vor dem Haus ein paar Tische, von Pflanzkübeln eingerahmt, einige handgeschriebene Tafeln mit den Tagesgerichten, nichts ist hier werbetechnisch optimiert oder neu, gestylt und geleckt wie in den Plachuta-Filial-Betrieben, alles ist authentisch, gewachsen, nicht perfekt, sondern menschlich-liebenswert. Man betritt das Lokal durch eine niedrige Tür, auch die Decken sind niedrig, es ist düster, fast etwas bedrückend, links von der Tür ein uralter Schanktresen, links und rechts je ein Gastraum jeweils mit nicht mal zehn Tischen. Und auf die Toilette geht’s über den Gang. Die Tische sind weiß eingedeckt, Porzellan, Besteck und Gläser sind von robust-funktionaler Qualität. Schubert und Nestroy waren hier Stammgäste, das ist 200 Jahre her, wahrscheinlich hat sich seit dem nicht allzu viel verändert. Und die Kellner sind stets etwas mürrisch, alles andere als anbiedernd, aber höflich, korrekt und unglaublich flott. Auch hier ist nichts groß, protzig, großartig, modern, geleckt, gestylt, alles ist so, wie es über Jahrzehnte und Jahrhunderte gewachsen ist, hier schert man sich nicht um Moden, Lifestyle, Trends, und schon gar nicht um Touristen, statt dessen serviert man hier Gästen gutes Wiener Essen und ordentliche Weine zu fairen Preisen, punktum. Offensichtlich schert man sich hier auch nicht um Profit-Optimierung: mit ein paar Stellschrauben an den Preisen, dem Marketing und ein paar zusätzlichen Räumen ließe sich hier viel mehr rausholen, wenn man die Marke „Drei Hacken“ richtig aufbauen und ausbeuten würde. 300 (fast durchweg positive) Erwähnungen haben die Drei Hacken in Tripadvisor, das ist mager, verglichen etwa mit der unsäglichen Massen-Abfütterungs-Anstalt „Ribs of Vienna“ mit 1.800 Erwähnungen. Aber das ist auch gut so, man sollte nicht so viel über solche kulinarischen Kleinode wie die Drei Hacken ausplaudern, die Touristen sollen ruhig Riesenportionen von Billig-Fleisch mit Convenience-Beilagen in den „Ribs of Vienna“ fressen.
Die Küche der Drei Hacken konzentriert sich ganz Wienerisch auf Rindfleischgerichte; auch wenn das Schnitzel Wiener Art vom Schwein weltweite Popularität erlangt hat, so ist doch die traditionelle Wiener Küchen vor allem eine Rindfleischküche: Rindssuppe mit Einlagen, Tafelspitz, Goulasch, Kalbshirn, Beuscherl, Kalbsleber, Rindermark, Zwiebelrostbraten, Beef Tartare, das sind allesamt altwiener Rindfleisch-Klassiker, die in den Drei Hacken immer richtig gut sind. Die Tafelspitzbrühe ist kräftig, die Grießnockerln fluffig und gut gewürzt, die Friattaten hausgemacht, mit frischen Kräutern und nicht durchgeweicht; der Altwiener Suppentopf mit Einlagen ist so portioniert, dass danach in der Regel nur noch eine Nachspeise Platz hat. Geröstetes Rindermark auf geröstetem Graubrot ist sicherlich nicht jedermanns Sache, aber erstens eine bei Kennern seit jeher begehrte Vorspeise und zweitens in kaum einem Lokal noch zu bekommen – in den Drei Hacken gibt es es, und es ist ganz vorzüglich. Goulasch stets perfekt (steht nicht in der Karte, aber auch als kleine Vorspeisen-Portion mit Gebäck erhältlich, zum Probieren). Tafelspitz je nach Tagesform, nicht immer perfekt, aber immer gut, Kren und Schnittlauchsauce dazu geschmacklich sehr gut, Rösterdäpfel dazu authentisch (in der Pfanne angeröstete gekochte Kartoffelscheibchen, die zum Servieren in einer Suppenkelle rund geformt werden – und nicht etwa eine formidable Rösti, wie jüngst im Sacher). Die Kalbsleber wirklich rosa gebraten, mit leckerer Majoransauce mit frischem (!) Majoran und frisch gekochten Kartoffeln. Die Speisekarte ist sich aber auch nicht zu schade für Spinat mit Spiegelei und Salzkartoffeln oder für Linsen mit Knödel. Zusätzlich zur Standardkarte (die sich seit Jahrzehnten kaum verändert hat) gibt es stets eine saisonale Karte mit Gans ab November, Lamm zu Ostern, Spargel im Mai, … Und es gibt – das ist das Unglaublichste an den Drei Hacken – im Ersten Wiener Gemeindebezirk, einem der teuersten Pflaster ganz Österreichs, ein wechselndes Tagesmenue mit Suppe und Hauptspeise um 8,90 €. Ansonsten bewegen sich die Suppen bei 5 €, die Vorspeisen bei 7,50 €, die Hauptspeisen zwischen 10 und 20 €, die Nachspeisen wieder bei 5 € – für gutes Futter in der Wiener Innenstadt ist das fair. Die Weinkarte ist klein und übersichtlich, nur ordentliche Österreichische Schoppen, keine Spitzengewächse, aber auch kein Fusel, mit 4 bis 9 € pro Viertel schon etwas sportlich bepreist, und dazu vier offene Österreichische Biere, allen voran Schwechater. In den Drei Hacken wird nicht optimiert, hofiert, prostituiert, modernisiert, amortisiert, in den Drei Hacken wird einfach, unbeirrt und fast schon stur gepflegte Wiener Beisl-Kultur praktiziert.
Neben dem Stammhaus haben die Eigner der Drei Hacken ein paar Häuser weiter noch einen jungen Klon eröffnet, das „Magazin der 3 Hacken“, zusammen mit einem Weinhandel. Hier werden in einem etwas moderneren und hellerem Ambiente die meisten der Standard-Gerichte des Stammhauses angeboten, dazu verschiedene Tagesgerichte um 6,90 €. In der angeschlossenen Vinothek „Vinum“ schließlich werden Weine von 150 Winzern, vorwiegend aus Österreich sowie Öle, Marmeladen und Edelbrände zum Kauf angeboten.