Weißes Ross in Illschwang deflated …

Summa summarum: Noch immer ein heimeliger, angenehmer Vier-Sterne-Wellness-Gasthof in der tiefsten Provinz, allerdings hat die Küche, die irgendwann mal durchaus am Sterne-Niveau kratze, in letzter Zeit radikal abgebaut und hat heute maximal noch ordentliches Dorfkneipen-Level mit meist belanglosen regionalen Gerichten und verhundsten Versuchen bei feineren Gerichten, ein Trauerspiel

„Ha, ha, ha, das war ja wohl wirklich nichts.“ Caro ist hörbar sauer. Enttäuscht sowieso, aber dazu auch noch sauer. Auf mich. Dabei kann ich eigentlich gar nichts dazu. Eigentlich. But I should have known better. Nur wie? Seit über zehn Jahren komme ich nun regelmäßig in’s Weiße Ross nach Illschwang, in der tiefsten Oberpfalz, mein kleiner Sohn hatte es bei einer Reise durch den Bayrischen Wald mehr durch Zufall im Gault Millau erwähnt gefunden und wir waren spontan hingefahren, seitdem haben wir den kontinuierlichen Wandel vom liebenswerten Landgasthaus zum liebenswerten Vier-Sterne Wellness- und Tagungshotel miterlebt (bei unserem ersten Besuch war die Hopfen-Therme nicht viel mehr als ein Badezuber im Keller, heute ist sie eine respektables SPA mit Pool, 4 Saunen, Liegewiese, Ruheräumen, …), ebenso den Wandel vom liebenswerten, ambitionierten Dorfwirtshaus zum liebenswerten kulinarischen Sterne-Aspiranten. Zum kulinarischen Sterne-Aspiranten und wieder zurück, muss man ehrlicher Weise sagen. Wieso viermal „liebenswert“? Das Weiße Ross hat sich gewandelt, ist dabei aber immer liebenswert geblieben, mit echt freundlichen Mitarbeitern, nicht dressierten, Freundlichkeit heuchelnden Service-Lakaien, mit einer lockeren und doch gepflegten Atmosphäre und einem angenehmen, aber nicht überkandidelten Ambiente, da sorgt schon die omnipräsente Chefin Susanne Nägerl für. Und da hatte ich Caro Ewigkeiten von diesem Hotel und vor allem von der Küche von Hans-Jürgen Nägerl vorgeschwärmt, diesem friedlichen Nebeneinander von Schweinebraten und Schwertfisch-Carpaccio, von Foie Gras und Gänsebraten mit Knödeln, von Brioche und Bratwurst auf einer Karte in einem einzigen Gasthaus, von kartelnden einheimischen Bauern mit Seppelhüten beim Schweinsbraten in trauter Eintracht neben schlemmenden Stadtfräcken beim Nobelfresschen. Und nun das. Um mich auch mal zu revanchieren, hatte ich Caro für ein Wochenende nach Illschwang in’s Weiße Ross eingeladen, in dem Glauben, hier eine sichere Bank zu haben. Normalerweise will ich ja eine Speisekarte im Internet sehen oder hilfsweise vorab zugemailt haben, bevor ich ein Restaurant – zumal ein ganzes Wochenende mit Caro – buche, aber bei Hans-Jürgen Nägerl wähnte ich mich auf der sicheren Seite, selbst wenn das Weiße Ross es nicht nötig hat, Speisekarten in’s Internet zu stellen. Böser Fehler. Und deswegen ist Caro jetzt sauer. Wir beide hatten uns auf ein tolles Abendessen gefreut. Und dann das. Griff in’s Klo. Volle Möhre.

Schon die Tatsache, dass bei meiner kurzfristigen Buchung noch alle Zimmerkategorien zu haben waren, hätte mir zu denken geben sollen. Dann bei der Anreise die Tatsache, dass die engen Gassen rund um das Hotel nicht wie üblich kreuz und quer zugeparkt waren mit Autos, sondern dass direkt vor der Rezeption noch etliche Parkplätze frei waren, ebenso. Einchecken problemlos und flott, Zimmer gehoben einfach-rustikal, aber sauber, heimelig, keine 08/15 System-Möblierung, gutes Licht, lahmes Internet, passt alles für keine 200 EURO samt Frühstück. Hopfentherme klein, aber ebenfalls tadellos, da beißt die Maus kein Faden ab, Bar erst ab 20:30 geöffnet, kein ausgebildeter Keeper, aber das würde sich kaum rechnen, das Mädel hinter der Theke jedenfalls bemüht und freundlich, die Lounge-Atmosphäre in der Hotelhalle / Bar abends stark abhängig von der Zusammensetzung der Gäste. Aperitif vor dem Haus an der Kirchmauer, persönlich Begrüßung durch die Chefin und kleines Schwätzchen, auch der Herr Pfarrer mit Hut, Pfeife und Hund ist noch da, alles gut, deutlich mehr, als man von einem Landgasthof erwartet. Aber das Publikum scheint sich gewandelt zu haben. Keine kartelnden Bauern mit Seppelhüten, und obwohl auf dem Parkplatz noch ein Porsche und ein paar dicke Benz rumstehen, scheinen die reichen, schlemmer-süchtigen Stadtfräcke zu fehlen, das Publikum sind eher der örtliche Oberleher mit Familie im Sonntagsgewandt und angereiste Großfamilien mit Kindern, die hier ein Wochenende für eine Familienfeier mit Oma, Opa, Tante, Onkel verbringen.

Weißes Ross, Illschwang, Nägerl, Hopfentherme, Waltmann, Oberpfalz, Bayern

Aber dann. Früher gab es auf der Speisekarte ein sechs- oder siebengängiges, mit unter 100 EURO relativ wohlfeiles Feinschmecker-Menue. Das ist verschwunden. Stattdessen gibt es noch einige Reminiszenzen daran auf der Karte: Jakobsmuscheln mit Erbsencrème etwa, Pfifferlings-Cappuccino, Seeteufel mit mediterraner Vinaigrette oder Käse von Wagen des Affineurs Waltmann aus Erlangen. Ansonsten dominieren Kurzgebratenes, Traditionelles, Plumps und Falsches. Stichwort Falsches: auch wenn die Schweizer ganzjährig auf ihren Nüssli-Salat bestehen mögen, Feldsalat auf eine Speisekarte im Deutschen Juni zu setzen, ist sowas von falsch-falsch-falsch, im Juni gibt es keinen frei wachsenden Feldsalat in Deutschland, höchstens Treibhausware, aber dafür gäbe es jede Menge anderes schmackhaftes Grünzeugs. Aber dieser Fauxpas ist nur die Spitze des Eisberges im weißen Ross in Illschwang im Juni 2018. Amuse Gueule wurde bei uns schlichtweg ausgelassen / vergessen, aber bei aufgebackenem Baguette, Butter und einem Töpfchen Leberwurt aus der hauseigenen Metzgerei kein wirklicher Verlust. Leberknödelsuppe: Brühe OK, Knödel geschmacklich zurückhaltend, etwas breiig, passt schon. Pfifferlings-Cappuccino: schwammige Pfifferlinge aus Serbien, Portugal, Bulgarien oder sonst wo her (Juni ist nicht nur keine Feldsalat-Zeit in Deutschland, sondern auch keine Pfifferlings-Zeit! Sapperlott!) in einem salzigen Sahne-Süppchen, braucht kein Mensch. Seeteufel sanft gegart mit mediterraner Vinaigrette und Risotto: steinharter, trockener, geschmackloser Fisch, man braucht ein Messer, um das Teil zu zerteilen, übel schmeckende, salzige Schwarze Oliven, ein versalzenes Püree (Kartoffel? Petersilie? Sellerie?) auf dem Tellerboden, von der Konsistenz her sämig-knackiger, aber völlig überwürzter Risotto. Jakobsmuschel mit Erbsencrème und Pfifferlingen: Erbsencrème überwürzt-versalzen, Pfifferlinge s.o., Jakobsmuschel übel-fischig riechend, angewidert und unangerührt unter Protest zurückgehen lassen, trotzdem gnadenlos auf der Rechnung. Rehkeule sind mehrere zerfranste, weitgehend geschmackfreie Scheiben totes Tier irgendwo zwischen zart auf der Zunge zergehend und faserig trocken zerfallend, dazu ein ausdrucksloses Saucenbinder-Schwangeres Sößchen, die hausgemachten grünen Spätzle belanglos-geschmacklos, der Kartoffelkloß richtig gut, wenn er den eine richtige Sauce zum auftunken hätte (hat er aber nicht). Der gemischte Salat dazu ordentlich geputztes, frisches Grünzeugs in einer unendlich öligen Pampe, sollte wohl eine Vinaigrette sein, machte den Salat aber schlichtweg ungenießbar. Unverändert Gold-Standard-verdächtig der Schweinsbraten mit Kloß, das kann man nach wie vor in Illschwag. Nachtisch dann wieder ernüchternd: der pochierte Weinbergpfirsich weitgehend geschmackfrei (Wer kauft solche Ware nur ein? Wird da nicht probiert?), sinnfrei mit Quinoa-Pest bestreut, die vier optisch hübschen Himbeeren im Innern mit industriellem Pfirsich-Püree vollgespritzt, das Pfirsich-Buttereis in Erwartung einer formidablen Sünde enttäuschend. Die gemischten Sorbets schließlich allem Anschein nach gefrorene Industrie-Frucht-Pürees, kriegt man anderswo auch nicht besser (könnte man aber besser machen).

Weißes Ross, Illschwang, Nägerl, Hopfentherme, Waltmann, Oberpfalz, Bayern

Die Bedienungen dazu unkoordiniert bemüht. Obwohl nur vielleicht ein Dutzend Tische überhaupt besetzt sind, geht es mit einem vermeintlichen Oberkellner in schwarzem Anzug, drei jungen, Hühner-Haufen-gleich durcheinander laufenden Mädeln in einheitlich grün gesprenkelten Schifferhemdchen und gelegentlich reingrätschender Chefin drunter und drüber im Service. Das führt zum bemühtem, langwierigem, meist erfolglosem Winken des schüchternen Gastes, wenn man vielleicht noch ein Bier, einen weiteren Gang oder einfach nur Salz ordern möchte, das Service-Personal läuft einfach vorbei und sieht nicht oder ignoriert. Und ein Bier kann durchaus schon mal eine viertel Stunde dauern, wenn man es denn einmal bestellt hat.

Weißes Ross, Illschwang, Nägerl, Hopfentherme, Waltmann, Oberpfalz, Bayern

Von daher, ich kann ja sehr gut verstehen, dass Caro sauer ist ob solch einer grottigen Küchen- und Service-Performance, das reißen auch romantische Lage, hübsches Zimmer, freundlich-bemühte Chefin und nette Hopfentherme nicht raus. Man kann ja noch nicht einmal vermuten, dass man hier die anspruchsvollere Küche – aus welchen Gründen auch immer – von der Speisekarte verbannt hätte und sich nun auf perfektionierte regionale Volksküche kapriziert, aber davon waren Leberknödelsuppe, Rehbraten, Salate und Sorbets weit, sehr weit entfernt, das war Dorfkneipen-Niveau. Dazu passten – das nur noch zum Abschluss – die Semmeln beim Frühstück. Wenn diese Semmeln tatsächlich frisch waren, dann waren das Semmeln von dem schlechtesten Bäcker, den man sich vorstellen kann; wahrscheinlich waren die labbrigen Dinger aber vom Vortag. Beides jedenfalls ist inakzeptabel, da sind noch manche Backlinge besser. Und warmgehaltene Eierspeisen sind auf diesem Niveau eigentlich auch nicht angebracht, was ist das für ein Aufwand, Spiegel- und Rühreier und Speck à la minute frisch zu brutzeln? Der Rest – Wurst, Käse, Obst, Milchprodukte, Cerealien, Marmeladen, Gemüse, Säfte – ist schon ok, nur kein frisch gepresster Orangen-Saft. Caro und ich haben dann auch nicht, wie ursprünglich geplant, ein verlängertes Wochenende dageblieben, sondern sind unter irgendeinem Vorwand schon am Samstag wieder ab- bzw. weitergereist, derzeit kann man in Illschwang nicht mehr schlemmender Dings ein Relax-, Wohlfühl- und anderes Wochenende verbringen. Unendlich schade eigentlich …

Weißes Ross, Illschwang, Nägerl, Hopfentherme, Waltmann, Oberpfalz, Bayern

Landhotel Weißes Roß
Familie Nägerl
Am Kirchberg 1
92278 Illschwang
Tel.: +49 (96 66) 18 80 50
Fax: +49 (96 66) 18 80 52 84
Mail: info@weisses-ross.de
Online: www.weisses-ross.de

Hauptgerichte von 11,50 € (Schweinsbraten mit Kloß und Salat) bis 28,80 € (Filetsteak mit Pfeffersauce, Pfifferlingen, Kartoffelkrapfen), Drei-Gänge-Menue von 23,90 € bis 57,40 €

Doppelzimmer Ü/F (pro Zimmer) 154 € bis 244 €

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One comment

  1. Steffen Habenicht

    Ich will ja mal gar nicht auf die vielen hoffentlich zufällig gemachten Fehler im Beurteilen der Speisen eingehen.
    Aber wer Illschang mitten in die tiefste Oberpfalz setzt, obwohl es grade mal 10 KM von Mittelfanken und ca. 75 Km von der Mitte der Oberpfalz entfernt liegt, hat eigentlich keine weitere Aufmerksamkeit verdient.
    Das der Parkplatz und alle herum liegenden Straßen immer noch fast jeden Tag zugeparkt sind, das Hotel fast immer ausgebucht und im Restaurant nur selten kurzfristig ein Platz zu bekommen ist, braucht man nicht weiter zu erwähnen. Aber es passt ins Bild von dieser wie ausgedacht klingenden „Restaurant-Kritik“, das das was das angesprochen und beschrieben wurde sicher nicht der Normalität entspricht. Ich würde sagen nicht mal der Realität.
    Kurz gesagt/geschrieben: Für uns, die wir seit über 10 Jahren sehr oft in Illschwang im „Weissen Ross“ sind und da auch sehr kritisch auftreten, ist dieses „Schriftstück“ peinlich und hilft leider niemanden weiter. Da hilft auch ein aufgesetzt klingendes Deutsch nicht weiter.

    PS: Kleiner Tipp, am Ende liegt die seit einigen Monaten anders aussehende Speisekarte, daran, das seit August 2018 im „Weissen Ross“ ein Gourmet-Restaurant (Cheval Blanc) eröffnet wurde. Das war auch schon lange vor Juni 2018 bekannt und sollte schon erwähnt werden. Klar wird dann im „Weissen Ross“ keine Gourmetküche mehr angeboten. Oder sollte man sich gegenseitig herausfordern?
    Evtl. hat der Verfasser aber auch das verpasst, aber die genaue Erntezeit des Feldsalates auswendig gelernt und die Herkunft der Pfifferlinge in seiner Glaskugel gesehen.

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