Warum Sprüngli nicht Lindt ist, warum ein X kein U ist, warum kosten die einen Trüffel 28 € pro 100 g, die anderen aber 4 € pro 100 g, und wie kriegt man wenigstens 1 Kilo Schokolade und 1 Kilo Butter in einen Kuchen von 650 Gramm?

Kennengelernt habe ich Sprüngli erstmals Anfang des Jahrtausends, wir waren zu einer Due Diligence in Zürich, mehrere Tage lang bei einer Unternehmensberatung in einem kleinen, stickigen Raum in der Stadtmitte, der wahrscheinlich im Monat mehr Miete kostet als ein Einfamilienhaus in Wanne-Eickel in einem Jahr, zusammen mit Wirtschaftsprüfern, Anwälten, Geschäftsführern, Controllern, Buchhaltern und Beratern, Berge von Aktenordnern durcharbeiten, um das zu kaufende Unternehmen auch ja bis in die hinterste Ecke zu durchleuchten und jede nur erdenkliche Gefahr ausschließen zu können oder aber – wenn dies eben nicht der Fall war – durch entsprechende Garantien im Kaufvertrag absichern zu lassen. Irgendwann musste ich frische Luft schnappen, verließ den Raum, vertrat mir draußen ein wenig die Beine und gelangte zu einer Confiserie-Filiale namens „Sprüngli“. Eigentlich einer ganz normale Confiserie mit Torten, Pralinen, Sandwiches, Kuchen, den berühmten Luxemburgerli (eine von Sprüngli geschützte Marke für ihre Macarons). Obwohl bei Lebensmitteln nicht wirklich preissensitiv, zuckte ich schon ein wenig, als ich für ein Schinkenbrötchen – zugegeben ein gutes Brötchen mit gutem Schinken und gutem sonstigen Belag, frisch, noch knusprig, nicht durchgeweicht – über 7 Franken zahlte. Billig geht anders, aber nichts bei Sprüngli ist billig. Billig – oder zumindest preiswerter –, das macht die Firma Lindt & Sprüngli, die überhaupt ganz und gar nichts mehr mit Sprüngli zu tun hat.

David Sprüngli eröffnete 1836 an der Marktgasse in Zürich die Confiserie Sprüngli & Fils, 1859 siedelten sie an den damals aufstrebenden Paradeplatz. Sprüngli setzte immer auf höchste Qualität, beste Zutaten und beste Verarbeitung, und wurde so zu einer der ersten Adressen für feine Confiserie- und Konditoreiwaren und zu einem beliebten Treffpunkt der besseren Gesellschaft. 1892 teilte Rudolf Sprüngli  sein Unternehmen unter seinen beiden Söhnen auf. Die Schokoladenfabrik Rudolf Sprüngli Sohn (jetzt Lindt & Sprüngli) bekam Johann Rudolf, der andere Sohn David Robert  erhielt die Konditorei, welche heute die Confiserie Sprüngli ist. Seither haben beide Unternehmen nichts mehr miteinander zu tun, aus der Chocoladenfabrik Lindt & Sprüngli wurde ein Industriebetrieb, die Confiserie Sprüngli blieb ein handwerkliches Familienunternehmen und ist nach wie vor in Familienbesitz. Heute betreibt Sprüngli – wenn ich richtig zähle – 37 Filialen, immer in allerbesten Lagen in den Schweizer Großstädten sowie an allen großen Schweizer Flughäfen und Bahnhöfen, dazu einen Ableger in Dubai. Wusste ich bis dato auch nicht.

Das Sprüngli Stammhaus am Paradeplatz in Zürich, eine der teuersten Adressen in dieser ohnehin aburd teuren Stadt

So atemberauben die Preise bei Sprüngli sind, so atemberaubend ist die Qualität, das muss man neidlos eingestehen.  Aber, ich esse lieber ein Truffes Grand Cru von Sprüngli für 2,90 € das Stück (46 € für 16 Trüffel oder 28,11 € pro 100 g), als z.B. ein  Lindt & Sprüngli Pralines Classic für 40 Cent das Stück oder 3,95 € pro 100 g; hier ist Sprüngli schlichtweg 7 mal teurer als Lindt & Sprüngli, und ich würde wagen zu behaupten, 70 mal so gut. Unser absoluter Favorite bei Sprüngli ist der Truffes Cake, 400 g für vier Portionen zu 26 CHF oder 650 g für sechs Portionen zu 32 CHF. So wie dieser Kuchen schmeckt, müssen die in diesem 650 g schweren Teil wenigstens 1 kg beste Schokolade und 1 kg beste Butter verbacken (ich weiß, rechnerisch ist das nur schwer möglich, es schmeckt aber so). Zuweilen macht es einfach Spaß, das Beste zu genießen.

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