„Da ist noch dieser 2230 4560 9861.“ hob der junge Marketing-Mitarbeiter der Airline an. „Was ist mit dem?“ fragte der alte Marketing-Chef. „Ich habe mal die Daten von dem Typen ausgewertet.“ „Sie wissen, dass wir unsere Daten nicht personalisieren dürfen.“ „Dürfen nicht, aber Sie wissen doch selber, dass wir’s können.“ „Können schon. Aber wozu? Was also haben Sie gefunden?“ fragte der alte Marketing-Chef sichtlich nicht sonderlich interessiert. „Ich habe mal den Sprit-Verbrauch dieses Menschen nachvollzogen.“ „Wozu?“ „Mir ist beim routinemäßigen Durchgehen der Abrechnungen aufgefallen, dass nach nahezu jedem Flug, auf dem dieser 2230 4560 9861 gebucht ist, nachher die gesamten Sprit-Vorräte leergesoffen sind. Auf Kurzstrecken haben wir normaler Weise je 2 bzw. 4 Fläschchen Vodka, Whisky, Cognac, Baileys, Fernet und Rum an Bord, und jedes Mal, wenn dieser Kerl mitfliegt, ist danach alles ratzekahl alle. Ich habe es gecheckt, die Cabin Crew schenkt das meiste an dem Platz aus, wo er jeweils sitzt.“ „Selbst das wird bei uns getrackt?“ fragte der alte Marketing-Chef fast ungläubig. „Sie haben doch weiland selber die Arbeitsgruppe mit den Beratern geleitet, die dieses System eingeführt hat.“ sagte der Junge fast bewundernd. „Tatsächlich? Habe ich das?“ „Und wenn er Langstrecke fliegt, neulich hat ihm nach Bombay eine Flasche Ziegler nicht gereicht, ganz zu schweigen von dem Champagner und Wein zusätzlich.“ „Was Sie nicht sagen!“, entgegnete der Alte scheinbar empört, tatsächlich aber gelangweilt. Dermaßen scheinbar ermutigt plapperte der Junge fort: „Und wenn er in der Lounge ist, ich habe da mal bei den Kollegen vor Ort nachgefragt, in einer Stunde schafft der auch locker eine halbe Flasche, und er ist meist lange vor Abflug da, auch das können wir ja tracken.“ „Unglaublich!“ So langsam dämmerte es dem Jungen, dass der Alte ihn nur verarschte. „Aber die Kosten!“, versuchte der Junge die Situation zu retten. „Ich habe es mal überschlagmäßig zusammengerechnet, jeden Monat säuft uns dieser Kerl weit über 300 EURO Sprit weg.“ „300 EURO zu welchen Preisen?“ „Wie meinen Sie das, Chef, ‚zu welchen Preisen‘?“ „Welche Preise haben Sie dieser Kalkulation zugrunde gelegt, will ich wissen.“ „Na, Listenpreise halt.“ „Zahlen wir beim Spriteinkauf Listenpreise?“ „Natürlich nicht, diese ganzen Getränkehersteller sind ja wie wild darauf, bei uns an Bord ausgeschenkt zu werden und sich unseren gut verdienenden Passagieren präsentieren zu können, ebenso wie die Zeitungsfritzen.“ „Das heißt?“ „OK, vielleicht sind die tatsächlichen Kosten für uns am Ende nicht 300, sondern nur 150 EURO.“ „Und wie oft fliegt dieser 223wasweißich?“ „Letztes Jahr waren es, Augenblick …“- der Junge nestelte ein Papier aus seiner mitgebrachten Mappe – „…127 Flüge, nur bei uns, 99 Kurzstrecke, 28 Intercontinental.“ „Welche Klasse?“ „Immer Business, vier Mal First, davon zwei Mal allerdings mit Punkten.“ „Das heißt Umsatz-mäßig?“ Der Junge nestelte wieder: „Brutto sind das 98.750 EURO an Flugticktes, noch abzüglich des Rabatt-Programms seiner Company, netto macht das dann …“ Der alte Marketing-Chef explodierte mit einem Male förmlich: „Dieser 223wasweißich macht also pro Jahr 100.000 EURO Umsatz bei uns und säuft uns dafür für keine 2.000 EURO Sprit weg? Also quasi 2% selbst bewilligter Natural-Rabatt? Ja sind Sie denn des Wahnsinns? Junger Herr Kollege, erstens sind besoffene Business-Class-Passagiere in der Regel ruhige, zuvorkommende Passagiere, wenn sie ihr Level haben und halten können, nicht wie dieser pöbelnde, kotzende Mob in unseren Ferienfliegern. Zweitens sind besoffene Business-Class-Passagiere zufriedene Passagiere und unsere besten Markenbotschafter, die all ihren Business-Class fliegenden Kollegen erzählen, wie toll es bei uns in den Lounges und an Bord ist, und die im Tran unsere Verspätungen, verschwundenes Gepäck und Überbuchungen gar nicht so recht wahrnehmen. Und drittens, junger Herr Kollege, jemand, der jeden dritten Tag auf den Flieger muss, ist eine verdammt arme Socke, die unser Mitgefühl und – und! – unseren Schnaps verdient! Haben Sie mich verstanden?“ Der junge Marketing-Mitarbeiter der Airline nuschelte etwas Unverständliches. „Wie lange haben Sie für diesen Zahlen-Schmarren gebraucht?“ „Immer mal wieder, nebenbei.“ „Keine Ausflüchte, wieviel Manntage?“ „Vielleicht drei oder vier, in Summe.“ druckste der Junge. Der Alte entgegnete streng: „Im vergangenen Jahr haben Sie 90.000 EURO und 20.000 EURO Bonus verdient. Bei – runden wir mal – 200 Arbeitstage im Jahr macht das 550 EURO pro Arbeitstag oder 2.200 EURO an vier Arbeitstagen. Das Gehalt kann ich Ihnen nur mit viel Umständen kürzen. Aber wären Sie damit einverstanden, dass Sie in diesem Jahr keinen höheren Bonus, sondern ganz im Gegenteil nur 17.800 EURO Bonus bekommen? Nehmen Sie’s als erzieherische Maßnahme.“ Der Junge druckste und verließ das Büro.