Trdelník: Da wird man alt wie ein Schuh und kennt den Trdelník nicht

Der missgelaunte Kurgast spaziert durch das überfüllte Karlsbad, und inmitten des allerschönsten Missmuts entdeckt er plötzlich zwischen Fressbuden mit Würstchen, Cola, Softeis und Hamburgern einen Marktstand in und vor dem zwei alte Weiber frischen Trdelník herstellen, ein Gericht, dessen Existenz dem Missgelaunten bisher zur Gänze verborgen war.

Trdelník, das ist eine Art Baumkuchen, nur anders. Der Trendelík ist ein traditionelles slowakisches Gebäck (und übrigens das erste slowakische Lebensmittel, das von der EU 2007 eine geschützte Herkunftsbezeichnung erhielt). Der Historie nach soll es zurückgehen auf den ungarischen Baumstriezel (Kürtőskalács), dessen Rezept ein Koch aus Siebenbürgen im Dienste des Grafen József Gvadányi in die Slowakei gebracht hat. Der bei uns allseits bekannte Baumkuchen wird aus einer Sandteigmasse gebacken, die ursprünglich um ein Walze gewickelt und dort festgebunden wurde und die dann über offener Glut rotierte; seit dem 17 Jahrhundert wird der flüssige Sandteig Schicht für Schicht auf die über der Glut sich drehende Walze gegossen, wodurch sich auch die an Baumjahresringe erinnernde, typische, namensgebende Struktur des Gebäcks ergibt. Der Trdelník hingegen wird aus einem lockeren Hefeteig hergestellt, der dünn ausgerollt um eine gebutterte Holzwalze gewickelt wird, und diese rotiert dann (heutzutage maschinell betrieben, früher war das typische Kinderarbeit gegen ein Stücklein Kuchen) langsam über Holzkohlenglut, bis der Teig gut durchgebacken ist. Während des Backens wird der Teig mit flüssiger Butter bestrichen und in einer Mischung aus Zucker, Zimt, Nüssen und zuweilen auch anderen Aromaten gewälzt. Der fertige Trdelník wird von der Holzwalze gezogen und sollte noch warm geknabbert werden. In Prag, so wurde mir hinterbracht, werden seit einigen Jahren auch zylinderförmige Trdelníks hergestellt, etwa in der Form monströser, dickwandiger Eis-Waffelhörnchen, und diese würden sodann mit eben Eis, aber auch Früchten und Sahne und anderen Spezereien befüllt. Von Geschmack und Konsistenz her kann ich nur sagen, ist so ein frisch gebackener Trdelník etwas ganz etwas Köstliches … hätten die fleißigen Damen in Karlsbad nicht Unmengen von Vanillin in und über das Gebäck gekippt.

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One comment

  1. Tom Wolf

    Der Trdelník ist in Tschechien bei Einheimischen äußerst unbeliebt und wird von ihnen boykottiert, da er unter Vorspiegelung falscher Tatsachen („traditionelles böhmisch/tschechisches Original“) vornehmlich in Touri-Hotspots wie Prag, Karlsbad, Krumlau… usw. an selbige verhökert wird. Die Wikipedia, aus der Sie Ihre Informationen vermutlich bezogen haben, nennt das auch „Marketing-Betrug“.

    Hinzu kommt, dass die Tschechen die Slowaken seit Ewigkeiten nicht leiden können und daher doppelt angep*sst sind, wenn ein slowakisches Produkt als „tschechisch“ angepriesen wird.

    Mit Ihren böhmischen/sudetendeutschen Wurzeln sollten Sie da eigentlich etwas informierter sein.

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