The Grand Berlin: Much Ado About Nothing

Summa summarum: Heruntergekommene Mischung aus Trash und möchte-gern edel, vor zehn Jahren vielleicht mal hipp und schick, heute weder vom Ambiente noch vom Service, geschweige denn vom Essen her auch nur annähernd überzeugend, noch nicht einmal mehr Publikum zum sehen und gesehen werden, schlichtweg sein Geld nicht wert.

Vor viereinhalb Jahren war ich das erste Mal im The Grand in Berlin, damals titelte ich „Landmaus erstarrt vor Bewunderung“. Nun gut, die Starre ist diesmal definitiv weggefallen. Der unscheinbare, graue, klassizistische Zweckbau in einer Seitenstraße um die Ecke von Volksbühne und Hackeschen Höfen, ist weitgehend der selbe geblieben, vor Jahr und Tag war er etwas heruntergekommen, jetzt erscheint er ziemlich heruntergekommen (was z.T. auch daran liegen mag, dass in der unmittelbaren Umgebung mehr und mehr renoviert wird, so dass der Kontrast stärker zum Tragen kommt), noch immer keine Werbung oder reißerische Beschilderung, das Grand gibt sich verborgen, man muss wissen, was man sucht. In einem engen Flur mit Blick in die Küche und den Gastraum und mit offener Garderobe an den Wänden warten wir auf jemanden, der uns begrüßt, die Mäntel abnimmt und uns zu unserem bestellten Tisch geleitet. Hektische Bedienungen hüpfen vorbei, mal mit vollen, mal mit leeren Tabletts, keine grüßt, irgendwann kommt ein junger Mann in schlecht sitzendem, irgendwie schmuddligem schwarzen Anzug, begrüßt uns zurückhalten, heißt uns nach Namensnennung und Blick in ein dickes, speckiges Buch dann tatsächlich willkommen, nimmt sich unserer Garderobe an, geleitet uns in den vielleicht halb bis zu zwei Drittel gefüllten Speisesaal und stellt uns geschäftstüchtig vor die Wahl, entweder einen Tisch in der Mitte des Raumes, der eigentlich für uns reserviert gewesen sei, zu nehmen, oder aber … oder aber gerade sei ein Tisch am Fenster frei geworden, wenn wir noch einen Drink in der Bar nehmen würden wäre auch dieser Tisch für uns verfügbar, er müsse halt noch hergerichtet werden. „Upselling“ nennt man sowas wohl in der Verkäufersprache, nun gut, nehmen wir noch zwei Cocktails in der Bar des Hauses, einem düsteren, verrauchten Nebenraum, das ist nicht stylisch, das ist nicht nobel, das ist nicht leger, das ist nicht gepflegt, das ist einfach schmuddelig, so stelle ich mir etwa eine Studentenkneipe vor, aber keine In-Bar. Vielleicht sind wir ja kleinstädtisch-spießig, aber die etwa dreißigjährige tätowierte Frau in Mini und Netzoberteil, nur mit zwei Klebestreifen über den Nippeln und sonst nichts drunter, irritiert uns schon ein wenig; sie scheint irgendwie zum Haus zu gehören  und wird allseits freudig begrüßt, auch das sonstige Bar-Personal scheint sich eher beim Flohmarkt denn bei Fendi einzukleiden, aber nun gut, um ehrlich zu sein, die Gin-Auswahl ist zwar nicht so dolle, aber der Barkeeper versteht sein Handwerk, mein Martini tadellos,  auch Caros Mojito, obwohl doch eigentlich gar keinen Minze-Zeit ist, und das Alles für keine 30 EURO, das ist für Berlin schon wieder fair.

Dermaßen gestärkt und irritiert holt uns der junge Mann in schlecht sitzendem, irgendwie schmuddligem schwarzen Anzug in der Bar ab will uns nun zu unserem Tisch zu geleiten, die halbleeren Drinks könnten wir gerne mitnehmen, sagt er. Hallooooo? Ja, niemand hier macht hier etwa Anstalten, uns die Gläser rüber zu tragen, das kann man hier selber machen. Soviel dazu.

Den Speisesaal mit seinen Patchwork-Wänden aus Ziegel, Putz, Tapeten, schlecht deckender Farbe und teils offenen Leitungen steht in krassem Gegensatz zu den weiß mit Leinen eingedeckten Tischen, den dunklen Frankfurter Restaurant-Stühlen und den schweren gesteppten grünen Lederfauteuils. Ich weiß auch nicht, vor viereinhalb Jahren hat mich dieses Design beeindruckt, jetzt finden wir es eher ziemlich heruntergekommen, auch das Publikum wirkt nicht mehr so urban, mondän, weltläufig, hier scheint jetzt eher das bürgerliche Mittelmaß zu verkehren, mehr Leute wie Du und ich, ebenfalls ein krasser Kontrast zu der Dame im durchsichtigen Netzoberteil mit abgeklebten Nippeln. Die Bedienungen sind jung, flott, ambitioniert, freundlich, aber offensichtlich nicht immer wirklich vom Fach. Auf unsere Frage, mit was genau das Schwarzfederhuhn denn gefüllt sei bekommen wir nur ein „Äh … da muss ich nachfragen.“ zur Antwort, nun gut, kann vorkommen, sollte aber nicht vorkommen.

Das Essen: kein Amuse Gueule, ok, man hat ja keinen Anspruch darauf, von der Küche gegrüßt zu werden. Foie Gras zu warm, mehr breiige Konsistenz, geschmacklich ok, die Apfelwürfelchen dazu Unsinn, die Roten Beeren darauf eine Pest, die Brioche mehr symbolisch, ebenso die roten Marmeladenkleckse auf dem Teller. Die Jakobsmuscheln mit Pancetta, gebratene Wildgarnele, Blumenkohlpüree und Tomaten-Kapernvinaigrette ein kulinarische Tohuwabohu, Muscheln und Garnele zwar frisch und von guter Qualität, aber darunter ein Matsch von Blumenkohl, Speckstreifen und Vinaigrette, die sich irgendwie nicht zur Symbiose vereinen wollen, schon gar nicht in der Verbindung Speck – Meeresgetier, aber Caro musste es unbedingt bestellen. Der mit Hollandaise gratinierte halbe Hummer ein Hunger-Hummer wahrscheinlich vorkonfektionierte TK-Ware, das Beste daran ist, dass kaum was dran war an dem Tierchen und das Drama nach ein paar Bissen schon sein Ende findet, die angewelkten, großen, unzerteilten, nicht angemachten, nur mit ein paar Granatapfelkernen bestreuten Friséesalat-Blätter daneben wieder sinnbefreit, optische Farbtupfer allemal, aber kulinarisch sinnbefreit. Das pochierte Filet und das gebackene Bäckchen vom Brandenburger Milchkalb vom Fleisch her gut, nur leider den Garpunkt bei beiden um Längen verfehlt, die Morchelsauce dazu – man kann es nicht anders nennen – dubios, das weiße Bohnenpüree ganz ok, ebenso die beiden Möhrchen, hingegen grüner Spargel und Blumenkohl breiig verkocht, weder Textur noch nennenswerter Eigengeschmack mehr. Auf’s Dessert haben wir dann verzichtet. An der Weinkarte hat sich seit 2014 wenig verändert: riesig und gut international bestückt, ab 30 € ist man mit einer kleinen, ordentlichen Flasche dabei, nach oben geht’s dann deutlich in den vierstelligen Preisbereich.

Sonntagmorgen waren  wir bei Freunden von Caro zum Brunch eingeladen, irgendwelchen wichtigen Ministerialdirigenten, Abteilungsleitern, ein Staatssekretär war, glaube ich, auch dabei, die meisten – wie sollte es bei Caro anders sein – aus dem Justizministerium und dazu erfolgreiche Hauptstadtjuristen, man kann sowas Netzwerk nennen, man kann es auch Klüngel nennen. Beim Smalltalk im Wintergarten der großen, alten Stadtwohnung in Charlottenburg mit schlechtem Prosecco und ebenso schlechten Häppchen vom Caterer werden wir gefragt, was wir denn so getan hätten, die letzten Tage in der Hauptstadt des Schwachsinns. „Wir waren im The Grand.“ antworte ich spontan. „The Grand?“ fragt unser hauptstädtisches Gegenüber. „Dieses Restaurant, Bar und Club direkt neben der Volksbühne.“ fügt Caro erläuternd an. „Den Schuppen gibt’s tatsächlich noch? Ist ja kaum zu glauben!“ entgegnet der Eingeborene. Mehr braucht man nicht mehr zu sagen …

The Grand
The Grand Master Betriebs GmbH
Geschäftsführer Jesko Klatt
Hirtenstrasse 4
10178 Berlin
Tel.: +49 (30) 27 89 09 95 55
Fax: +49 (30) 27 89 09 95 60
E-Mail: info@the-grand-berlin.com
Internet: www.the-grand-berlin.com

Hauptgerichte von 21,50 € (Mille Feuille von Ricotta und Wirsing mit Aprikosen, Pinienkernen, Rote Beete-Ragout, Senfkohl) bis 362,50 € (300 g Filetsteak vom Kobe Rind mit Pommes, Speckbohnen,  Sauce Bérnaise), Drei-Gänge-Menue von 38,50 € bis 413,50 €

P.S. Rein interessehalber habe ich mal nachgeschaut, wem der Laden überhaupt gehört. Über verschiedene Zwischengesellschaften, u.a. die EVENT 365 CONSULTING LIMITED in Limassol auf Zypern gelangt man schließlich zur E.A.A. TRADING FZE, einem Staatsunternehmen der Vereinigten Arabischen Emirate sowie zu dem Berliner Szene-Gastronomen Martin Hötzl, der 2017 die Rodeo Gastro GmbH in die Pleite geführt hat und 2018 die Glanz & Gloria Gastro GmbH.

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