Jenseits der hinlänglich bekannten Apfel- und Topfenstrudel eignet sich der Strudel als solches zu zweierlei Behufe: zum einen lässt er unterschiedliche, divergierende Zutaten gemeinsam in der schützenden Teighülle schonend gegart zu einem homogenen Gesamt-Geschmacks-Erlebnis synthetisieren; zum zweiten kann er zugleich auch minderwertigere Zutaten kaschieren und gleichsam als verdecktes Gesamtkunstwerk präsentieren. Die sudetendeutsche Küche kennt unzählige Strudelrezepte, auf die gewiss der alte Metzger-Spruch über seine Würste zutrifft: „Wenn jemals rauskommt, was da reinkommt, komme ich wo rein, wo ich niemals wieder rauskomme.“ Nun gut, die derartigen Rezepte habe ich aus meiner Erinnerung verdrängt, aber es gibt auch durchaus sehr leckere Strudelrezepte mit ganz einfachen, wohlfeilen Zutaten, die im Strudel zu einer fulminanten Symbiose verschmelzen.
Zutaten Krautstrudel:
- 750 g Sauerkraut (abgetropft)
- 250 g geräucherter Speck mit hohem Fettanteil*
- 1 Essl. Öl
- ½ Speisezwiebel (ca. 50 g)
- 100 ml herber Weißwein
- 4 Wachholderbeeren
- Pfeffer, Salz
Zubereitung Krautstrudel:
- Sauerkraut in ein Sieb geben und gut abtropfen lassen
- Speck von der Schwarte und evtl. Knorpeln befreien, in 2 bis 3 mm dicke Scheiben (am besten auf der Maschine) schneiden und dann in kleine Würfel
- Speck in einem Löffel Öl auf guter Flamme (7,5 von 9) langsam auslassen (das dauert schon seine 15, 20 Minuten, nur Geduld, nicht die Hitze hochdrehen)
- Währenddessen die Zwiebel schälen und sehr fei würfeln
- Wachholderbeeren im Möser sehr fein zerreiben
- Wenn der Speck anfängt, knusprig zu werden, Zwiebel dazugeben und glasig braten
- Wenn die Zwiebel glasig sein, abgetropftes Sauerkraut dazu geben, alles sehr gut verrühren und Sauerkraut 10 Minuten unter Rühren mitbraten lassen
- Den Mörser mit dem Wachholder gut mit dem Weißwein auswaschen, Flüssigkeit zu dem Sauerkraut-Speck-Gemisch geben, mit reichlich schwarzem Pfeffer aus der Mühle und vorsichtig mit Salz würzen (der Speck ist i.d.R. schon salzig)
- Alles gut durchmischen, Masse unter Rühren köcheln, bis alle Flüssigkeit verdampft ist; beiseitestellen
Zutaten Pilzstrudel:
- 800 g ** Steinchampignons
- 2 Essl. Butter
- 200 g Schinken (sehr gerne Schwarzwälder)
- 15 g Schnittlauch oder krause Petersilie (3 Essl.)
- Pfeffer, Salz
Zubereitung Pilzstrudel:
- Champignons gut waschen*** und putzen
- Champignons in dünne Scheiben schneiden****, auf Küchenkrepp trocknen
- Butter in einer großen Pfanne gut erhitzen (8 von 9), Champignons in die heiße Butter geben, unter gelegentlichem Rühren trocken braten, wenn die Pilze trocken scheinen, salzen, verrühren, sie ziehen jetzt nochmals Wasser und weiter trocken braten
- Während dessen Schinken von der Schwarte befreien, in ca. 1 bis 2 mm dicke Scheiben (am besten auf der Maschine) und dann in Würfel schneiden
- Schinken zu den Pilzen geben, kräftig mit schwarzem Pfeffer aus der Mühle und sehr vorsichtig mit Salz würzen, unter Rühren braten
- Schnittlauch oder Petersilie waschen, putzen, Petersilie von den Stängeln zupfen, klein hacken, zu der Pilz-Schinken-Mischung geben
- Bevor der Schinken knusprig wird, vom Feuer nehmen und beiseitestellen
Zutaten Fleischstrudel:
- 1 Speisezwiebel (ca. 100 g)
- 2 Essl.Öl
- 400 g Hack halb und halb
- 50 g Tomatenmark (3 Essl.)
- 5 g Kreuzkümmel (1 Teel.)
- Pfeffer, Salz
- 100 ml Fleischbrühe oder Rotwein
Zubereitung Fleischstrudel:
- Zwiebel schälen, in feine Würfel schneiden, in etwas Öl bei guter Hitze (8 von 9) leicht glasig dünsten
- Hackfleisch dazu geben, unter Rühren krümelig braten (wenn das Hackfleisch zwischenzeitlich im eigenen Saft dünstet, unbedingt den Metzger wechseln, der hat Dreck verscherbelt)
- Tomatenmark zum Hackfleisch geben, unterrühren, kurz mitbraten lassen
- Masse mit Kreuzkümmel, schwarzem Pfeffer aus der Mühle und Salz würzen, durchrühren, mit Fleischbrühe oder Rotwein ablöschen
- Masse unter Rühren wieder trocken braten, nochmals abschmecken, beiseite stellen
Finish:
- Eine Portion Strudelteig dünn***** ausrollen (ca. so groß wie das Backblech), Teig dick mit flüssiger Butter einstreichen, dünn, aber vollständig mit Semmelbröseln bestreuen
- Eine Füllung auf 2/3 des Teiges verteilen, Strudel aufrollen, vorsichtig mit der Naht nach unten auf ein Backblech mit Backpapier setzen, Seiten zusammendrücken und den ganzen Strudel dick mit flüssiger Butter einpinseln
- Mit den beiden anderen Füllungen ebenso verfahren
- Backblech mit drei Strudeln im vorgeheizten Backofen auf mittlerer Schiene ca. 40 Minuten bei 180°goldgelb backen, nach 25 Minuten die Strudel nochmals mit Butter einpinseln
Die Strudel werden gemeinsam auf einem großen Brett serviert, erst bei Tisch angeschnitten (allein der entströmende Duft ist herrlich!) und nach Wunsch der Gäste verteilt (die meisten probieren ohnehin alle drei). Dazu werden Variationen vom Schmand gereicht: Schmand natur (Schmand mit etwas Salz cremig rühren), Schnittlauchschmand (Schmand mit etwas Salz cremig rühren und reichlich fein geschnittenen Schnittlauch – es gehen auch andere Kräutlein – unterrühren), Knoblauchschmand (Schmand mit etwas Salz cremig rühren, reichlich Knoblauch hineinpressen und verrühren), scharfer Schmand (Schmand mit etwas Salz cremig rühren und mehr oder minder reichlich Pul Biber untermischen, die ganz Harten können auch Chilipulver oder entkernte, gehackte frische Chilis nehmen)
* Ja, das Rezept funktioniert auch mit Bacon oder dänischem Frühstücksspeck aus der Kühlung, aber ein richtig guter Südtiroler Speck mit hohem Fettanteil führt zu einem ungleich besseren Ergebnis, auch wenn er ein Vielfaches des Industrie-Specks kostet.
** 800 g Champignons, das mag bei Einkaufen recht viel – viel zu viel, um es in einen kleinen Strudel zu bekommen – aussehen. Die Dinger verlieren beim Braten allerdings ihre Flüssigkeit und das Pilz-Volumen reduziert sich dabei auf vielleicht ein Viertel, und das passt dann schon in einen Strudel.
*** Ich weiß, dass in jedem besseren Kochbuch steht, am solle Pilze nicht waschen, da sie sich ansonsten mit Wasser vollsaugten und stattdessen nur vorsichtig mit Messer und Pinsel säubern. Drauf g’schi… Pilze sind Gewächse der Erde und als solche schmutzig wie alle anderen Pflanzen, vielleicht sogar noch belastet mit Strahlen oder Pipi eines Rehleins; das darüber seine Notdurft verrichtet hat. Sterilität wird es nicht geben, aber ein wenig waschen schadet nie, zumal die Fungi eh zu über 90% aus Wasser bestehen und danach bis zur weitgehenden Dehydrierung gebraten werden, da nehme ich es gerne in Kauf, dass sie beim Waschen nochmals etwas mehr Wasser aufnehmen, dessen sie unmittelbar danach ohnehin wieder verlustig gehen.
**** Pilze schnippeln ist eine mühselige Aufgabe. Ich habe einmal richtig viel Geld für einen richtig stabilen Eierschneider ausgeben. Durch den jage ich auch klaglos die Champignons. Mit einem 1,95-Aluminium-Spritzguss-Eierschneider (der bei harten Eiern klaglos seine Dienste verrichtet) geht das allerdings nicht, zumindest nicht auf Dauer.
***** „Strudelteig dünn ausrollen“ ist auch so’ne Sache. Vorgefertigte industrielle Convenience-Strudelteige haben ihre normierte Dicke, die nur durch das Übereinanderlegen von zwei oder drei Teigblättern variiert werden kann (wenn man industrielle Strudelteigblätter übereinanderlegt, diese unbedingt einzeln komplett mit Butter bestreichen, damit sie sich beim Backen zu einem halbwegs homogenen Teig verbinden). Bei selbst gemachten Strudelteigen hat man die Wahl zwischen knusprigen, dünnen Teigen und eher Mürbeteig-ähnlichen Teigen, und hier kann jeder Strudel-Bäcker seine Vorlieben hemmungslos ausleben. Wer es ganz traditionell mag, kann den Strudelteig auch mit Schweineschmalz statt Öl oder Butter zubereiten, aber dieser Geschmack ist dann schon sehr speziell.