Derzeit gibt es in den Supermärkten eine Sonderverpackung des Strohrums, mit einem wirklich netten quietsche-orangen Metall-Trinkpott dazu, genau richtig zum Beginn der Glühwein-, Jagertee- und bald auch Weihnachtsmakt-Zeit.
Die Tatsache, dass ich länger in Österreich gelebt habe, mag es geschuldet sein und zugleich entschuldigen, dass ich auch eine gewisse Vorliebe für den Stroh Rum entwickelt habe. In echten Connaisseur-Kreisen hingegen ist Stroh Rum ein No-go, Bacardi und Pott werden hier nur noch belächelt, aber für einen Cartavio oder Gosling werden derzeit locker 50 EURO gezahlt, für einen alten Bristol oder Zacapaneca auch mal klaglos 250 EURO, für einen 25jährigen El Dorado oder einen 30jährigen Zacapaneca können gerne auch schon mal über 500 EURO aufgerufen werden, während dieses 80prozentige Alkoholmonster aus Klagenfurt gerade mal 30 EURO der Liter kostet. Bei Stroh Rum wird nicht über miel de virgen diskutiert, über Vanille-, Karamell- und Schokoladennoten, Solera-System, amerikanische und europäische Eiche, Portwein- und Sherryfässer, Stroh Rum ist einfach brachial, was sicherlich auch seiner Entstehung geschuldet ist. Die kuk-Monarchie verfügte über keine überseeischen Besitzungen mit Zuckerrohranbau, aus denen sie hätte Rum beziehen können (lassen wir den unglücklichen Erzherzog Ferdinand Maximilian einmal außen vor). Ein Apotheker aus Krems an der Donau soll im 19. Jahrhundert als erster auf die Idee gekommen sein, einheimischen Äthylalkohol mit Wasser, Aroma- und Farbstoffen zu vermischen, bis er ein Rum-ähnliches Gebräu geschaffen hatte. Hier wird nicht Zuckermelasse schonend vergoren und destilliert und dann jahrelang in verschiedenen Holzfässern gelagert, hier wird einfach industrieller Alkohol mit Bonifikateur bzw. Typage wie Karamellsirup, Zuckercouleur, Extrakten aus Eichenholzchips, Pflaumen, grünen Walnüssen oder gerösteten Mandelschalen versetzt und mit Wasser auf Trinkstärke gebracht; das ist gewiss keine Story, über die Connaisseurs philosophieren mögen, und da entwickeln sich ebenso gewiss keine Geschmacks-Nuancen, denen geübte Schnuten nachschnüffeln könnten. Um diese Mixtur von echtem Rum zu unterscheiden, wird sie als „Inländer Rum“ bezeichnet, was zwischenzeitlich Dank der EU eine geschützte Herkunftsbezeichnung ist. Heute gibt es in Österreich 8 bekannte Hersteller von Inländer Rum: Alte Excellenz, Felser, Gautier-Mückstein, Lehar, Mautner, Riquet, Spitz und eben Stroh, eine 1832 von Sebastian Stroh gegründete Brennerei in Klagenfurt, die nach unglücklichen strategischen Allianzen mit der Linzer Brennerei Stock und dem Nieder-Olmer Getränke-Multi Eckes in Klauen der britischen Stock Spirits Group Ltd. geriet, aber Dank eines Management-Buy-Outs seit 2008 wieder in Österreichischem Besitz ist.
Nichtsdestotrotz, ich mag den Stroh Rum. Sicherlich käme ich nie auf die Idee, das Zeugs pur zu trinken oder in Mixgetränken zu verwenden, auch im Glühwein hat er wegen seines recht starken, typischen Eigengeschmacks nichts verloren. Aber im Grog ist für mich Stroh Rum unschlagbar, natürlich im Jagertee und beim Backen, da kann er seine Stärken so richtig gut entfalten.