Summa summarum: absolut zentral in Jever gelegenes, alteingesessenes Gasthaus, Zimmer im Altbau nach vorne raus altbacken, klein, laut, unwohnlich, die Basics sind da, die Zimmer im Neubau nach hinten raus moderner, Systemmöbel, etwas geräumiger, leiser, unwohnlich, die Basics sind da; die ehemalige Gaststätte des Hotels wurde umgebaut in einen ziemlich kitschig-schwülstigen Systemgastronomie-Pseudo-Italiener mit Cocktailbar, in dem auch das mäßige Frühstück serviert wird: alles nicht mehr zu empfehlen.
Auch wenn es der gegeigte Leser wahrscheinlich nicht glauben mag: es gibt Gründe, nach Jever zu fahren, gute Gründe. Das namensgleiche Bier zählt gewiss nicht dazu, aber vielleicht ein Sorgerechtsprozess um ein uneheliches Kind, der plötzliche Tod einer reichen, kinderlosen Tante, eine größere Drogenlieferung aus den nahen Niederlanden, oder etwa ein Prozess vor dem Truppendienstgericht Nord, eigentlich in Münster stationiert, aber wenn es um Ausschreibungs-Schmuh am größten Standort der Bundeswehr geht, könnte es ja – rein hypothetisch – sein, dass das Hohe Gericht seinen Standort verlässt und vor Ort verhandelt, es könnte auch – rein hypothetisch – der Fall sein, dass irgendeine der renommiertesten Wirtschaftsanwältinnen Deutschlands irgendeine Seite in diesem per se schmutzigen Prozess vertritt, und schließlich könnte es sein, das diese renommierte Wirtschaftsanwältin das Atlantic in Wilhemshaven, das eigentlich genau für solche Events gebaut wurde, verschmäht, alldieweil dort die gesamte Gegenseite – sofern sie nicht in Kasernen oder Untersuchungshaftzellen schläft – untergebracht ist. Und an genau dieser Stelle kommt Jever in’s Spiel, das ist nämlich das nächste Kaff neben W’haven (wie es lieblos abgekürzt wird), eine halbe Stunde mit dem Wagen oder Regionalbahn; und ich komme auch in’s Spiel, insofern die renommierte Wirtschaftsanwältin keinen Bock hat, trotz exorbitanter Bezahlung am Arsch der Welt alleine abzuhängen.
Also Jever. Die Hotel-Landschaft sieht hier mehr als mau aus. Klar gibt es in Ostfriesland ein paar nette Häuser, meistens am Deich, auf den Inseln sowieso, aber in Jever selber wird’s schwierig, insbesondere wenn man was in der Innenstadt sucht, wo man Abends nochmal fußläufig auf ein Bier oder in ein Restaurant raus kann. Friesen-Hotel, Pellmühle, Stöber, Parkhotel, Hotel Pension Am Elisabethufer liegen zwar fußläufig zur Innenstadt, sind aber nur Garni-Häuser, nach dem Frühstück ist Schicht im Schacht (ok, das Parkhotel hat noch eine Hotelbar, aber zu essen gibt’s dort auch nix, und der Bär steppt auch nicht gerade). Als Hotels mit eigenem Restaurant bleiben das Hotel im Schützenhof, aber das ist 30 Fuß-Minuten von der Innenstadt entfernt, und direkt in der Altstadt gibt es noch das Stadthotel Jever an der Schlachte und den Schwarzen Adler am Markt. Wir haben uns dann – aus welchen Gründen auch immer – für den Schwarzen Adler entschieden. Zusammenfassend kann man sagen, das Haus ist schlichtweg belanglos. Im Altbau nach vorne zum Marktplatz raus altbackene, durchaus uncharmante kleine Nächtigungsgelasse mit kleinen Bädern und der notwendigsten Drei-Sterne-Ausstattung; von meinem Zimmer blicke ich auf eine verhinderte Dachterrasse mit jeder Menge Gerümpel darauf, des Nachts wird in den benachbarten Kneipen lange gefeiert. Im neuen Anbau nach hinten raus sind die Zimmer und Bäder etwas größer und moderner, im Erdgeschoss sogar mit kleiner Terrasse, aber Wohnlichkeit will sich nicht einstellen, dafür ist’s halbwegs ruhig. Hotelhalle oder ähnliches gibt es nicht, sondern nur eine Art kalter, zugiger Eingangsflur mit einem wirklich schönen, wuchtigen, geschnitzten, alten Rezeptions-Tresen, nur Wohnlichkeit bringt der auch keine.
Früher einmal gab es im Schwarzen Adler das hauseigene Restaurant Jever Fass, eine urige, gemütliche, friesische Kneipe, ich erinnere mich an Bratkartoffeln, Schnitzel, Labskaus, Grünkohl, Heringe und Schollen; das war aller weit davon entfernt, wirklich gute Küche zu sein, aber es war ehrliche, derbe, vor allem frisch und selbst zubereitete Regionalküche aus vorwiegend regionalen Zutaten. Das Jever Fass ist heute vom traditionellen deutschen Wirtshaus umgebaut zu etwas, was nach meinem Empfinden auch ein Entrée eines Puffs sein könnte: Stühle und Bänke mit lila und baby-blauem Samt-Imitat bezogen, vergoldete Säulen und Prunk-Spiegel, kitschiger Deko-Tinneff, unablässig spielende Großbildfernseher, ein Tresen mehr und kitschiger beleuchtet als der Coca-Cola-Weihnachts-Truck. Heute heißt das Restaurant – in dem auch das Frühstück für die Gäste des Schwarzen Adlers gereicht wird, und das ist durchaus nicht besonders – mauro’s theitalien, geöffnet zu Mittag und wieder ab 17:00 Uhr. Statt deutscher Hausmannskost gibt es pseudo-italienische Systemgastronomie mit allen Scheußlichkeiten, die man sich denken kann (Pizza mit Hollandaise, Käse, Putenstreifen, Brokkoli oder Pasta mit Currywurst, Kräuterbutter, Sahne, Curry und Parmesan, die typisch italienischen Fleischklopse im Labberbrötchen gibt’s sowieso in reichlicher Auswahl), dazu suspekt klingende Cocktails (ein Dry Martini mit Lime Juice etwa, ich bekomme Gänsehaut). Schöpferisch auch die Benamsung so mancher kreativer kulinarischer Kreationen: etwa „Tussiburger“ (ein Burger mit Preiselbeermarmelade), „Hasenpups“, „Pizza Bunga Bunga“ oder „Pizza Mmmuuuhhh“ – ich lach‘ mich tot; allerdings spätestens bei einer „Pizza 666“ hört der Spaß wirklich auf.
Hotel Schwarzer Adler
JaCo Gastwirtschaftsgesellschaft mbH & Co. KG
Vertreten durch Oliver Jache & Maurizio Costantin
Alter Markt 3
D – 26441 Jever
Tel.: +49 (44 61) 91 66 0
Fax: +49 (44 61) 91 66 29
E-Mail: info@schwarzeradler-jever.de
Online: https://schwarzeradler-jever.de/
DZ/ÜF von ca. 117 bis 123 EURO (pro Zimmer, pro Nacht)