Schilcherlandhof in Stainz: Die DDR lebt!

Sicher, nicht immer kann alles perfekt sein bei einem Restaurant-Besuch, Fehler sind menschlich und meist auch noch liebenswert oder zumindest zeihlich. Aber dass alles nicht nur nicht perfekt, sondern einfach nur unter aller Kanone ist – fast durch die Bank weg – das ist mir bisher selten passiert. Aber es ist mir passiert, z.B. im neuen Riegele in Augsburg, im Belgrave Arms in Helmsdale, im Krumlovska Fontana in Krumau, und jetzt im Schilcherlandhof in Stainz. Dabei sieht der gelbe, zweigeschossige, langgestreckte Bau am kleinen Hauptplatz von Stainz in der Steiermark hübsch und vertrauenserweckend aus, wie ein richtiger österreichischer Kleinstadt-Gasthof, historisch gewachsen und verwinkelt über wenigstens zwei Häuser, die hauseigene Fleischerei geschlossen und statt dessen Folklore-Tinnef zum Kaufen in’s verwaiste Schaufenster gestellt, gemütliche, große Gaststube, dahinter eine Art Gastgarten, allerdings nicht wirklich gemütlich, mehr ein gepflasterter Innenhof mit schweren Holzbänken, der weniger an einen Heurigen erinnert als viel mehr an den „VEB Sozialistische Rebe“ aus alten DDR-Zeiten, und so ist auch die Laune und Arbeitsmoral der Personals. „Jetzt nur kleine Karte, Küche ist noch nicht auf.“ schnauzt mich die junge Frau an, als ich nach den gebackenen Champignons mit Remouladen-Sauce frage, die auf der Karte vor dem Haus stehen. Sie sagt das nicht irgendwie entschuldigend oder neutral, sie schnauzt, als hätte ich ihr an den Hintern gelangt oder sonst etwas Unanständiges getan. Also beschließe ich, mich in Geduld zu fassen, bestelle mir ein Jausenbrettl und eine Johannisbeerschorle und beginne zu lesen. Nach langem Warten, nach sehr langem Warten kommt die Johannisbeerschorle, eigentlich nur Schorle, von Johannisbeer kaum eine Spur, was man auch an der hellen Farbe sieht. Als ich reklamiere sagt mir die Frau, das werde hier immer so serviert. Als ich frage, ob ich noch ein Glas Johannisbeersaft haben könne, um Geschmack in die Sache zu bringen, zischt sie nur „Das müssen’s dann aber extra zahlen.“ Drauf gepfiffen. Statt des bestellten Glases Johannisbeersaftes kommt eine ältere Frau im Dirndlverschnitt und fragt mich im scharfen Ton, was mir an ihrer Johannisbeerschorle nicht passe, ich könne ja – sagt sie tatsächlich – woanders hingehen, wo mir die Schorle besser schmecke. „Ist heute der traditionelle ‚Ich beschimpfe meine Gäste – Tag‘ in der Steiermark, von dem ich als Einziger nichts weiß?“, frage ich mich. Aber von der lasse ich mich schon gar nicht vergraulen, jetzt erst mit Fleiß. Ich ignoriere sie einfach und lese weiter in meinen neu erstandenen regionalen Kochbüchern. Ach, hätte ich mich doch vergraulen lassen, vielleicht meinte es die Alte ja nur gut mit mir, auf ihre Art. Das Jausenbrettel jedenfalls ist belanglos, als ich nach frischem Kren verlange, wird dies einfach ignoriert, ebenso wie mein Johannisbeersaft, der nie kam, das Brot dazu Wabbel-Ware. Irgendwann darf ich dann die volle Speisekarte haben, dass sie auf Deutsch und auf Englisch ist, erhöht mein Vertrauen in die kulinarische Authentizität und Qualität nicht im Geringsten, und als ich sehe, dass es auch noch eine Buskarte gibt, bin ich mir bereits sicher, in einer Massen-Abfütterungs-Anstalt gelandet zu sein. Das Carpaccio vom Steirischen Jungstier ist faserig, das Kürbiskernpesto dazu gewöhnungsbedürftig bis penetrant, der Asmonte (ein Hartkäse aus Österreich) viel zu jung und weich, die Himbeer-Balsamico Vignette (auf der Karte stand tatsächlich „Vignette“) entpuppt sich als Vinaigrette, die geschmacklich von dem Kürbismatsch erschlagen wird. Von der Österreichischen Band EAV (Erste Allgemeine Verunsicherung) gibt es ein Lied über einen Würger, der verzweifelt ein Opfer sucht, aber niemand will sich würgen lassen, bis der Wirt zum Würger sagt „Probieran’s uns Gulasch, da ham’s was zum Würgen.“ Nun gut, eine ähnliche Erfahrung mache ich mit dem kleinen Gulasch in Stainz, und das Gebäck dazu ist uralt. Der Rostbraten ist zäh, die Zwiebelsoße süß und die kurz Bratkartoffeln sind in Fett geschwenkte Kartoffelscheiben, nur lauwarm. Der Käferbohnen-Salat dazu ist allerdings ok, ich liebe Käferbohnen, und hier passt sogar mal das Kernöl. Und den Apfelschmarrn lasse ich schlichtweg nach einmal probieren zurückgehen (was niemanden davon abhält, das Zeugs doch auf die Rechnung zu setzen). Ach ja, und die gebackenen Champignons, weswegen ich eigentlich in das Lokal gegangen war, die waren aus. Mäßige Location, schlechtes Essen, unfreundliche und langsame Bedienung, ich fühlte mich wirklich an gute alte DDR-Zeiten erinnert.

 

Schilcherlandhof
Günter Schaar e. U.
Gerda und Günter Schaar
Hauptplatz 15
A-8510 Stainz
Tel.:+43 (34 63) 23 57
Email: info@schilcherlandhof.at
Online: www.schilcherlandhof.at

 

Hauptgerichte von 8,90 € (Schweineschnitzel mit Pommes) bis 16,50 € (Wienerschnitzel mit Petersilienkartoffeln), Drei-Gänge-Menue von 16,00 € bis 31,50 €

Doppelzimmer mit Frühstück (pro Zimmer, pro Nacht) 102 € bis 112€

 

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2 Comments

  1. Reinhard Daab

    Hallo H. Opl,

    es verwundert immer wieder aufs neue, dass Sie trotz ihrer großen Lebens-und Gastroerfahrung immer wieder in solche Häuser hinein geraten. Wie kann das sein?

    Gerade in Stainz wäre das nicht nötig gewesen, denn es gibt dort zwei sehr empfehlenswerte Adressen:

    1. Der Stainzerhof
    2. Der Rauch Hof

    In keinem der beiden Häuser hätten Sie solche „wundervoll, freundlichen“ Erlebnisse gehabt. Gerade wenn man unterwegs ist, möchte man sich doch nicht ärgern!

    Aber es ist natürlich gut, dass Sie in dieser ausführlichen Art und Weise darüber berichten, jemand muß schließlich der Dumme sein, oder?

    Viele Grüße

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