Vom Sperl bummeln wir die durch’s noch immer nicht fertige und für mich nach wie vor nicht inspirierende, gleichwohl aber ambitionierte Museumsquartier zum Ring, über den Heldenplatz durch die Hofburg, quer durch die Gässchen des 1. Bezirks, die hiesige Idiotenrennmeile – die Kärntner Straße – sorgsam meidend, mitten durch das zwischenzeitlich vollkommen touristisch verkommene Bermhudadreieck zum Schwedenplatz, und dort über den Donaukanal in den 2. Bezirk, mein altes Gräzen, so heißt man hier Kietz oder Viertel. Zu „meiner Zeit“, da lebten im 2. Bezirk – jetzt muss ich aufpassen, was ich schreibe – sozial Schwache, Juden, Alt-Nazis („Untam Hitler hätt’s des need geben …“ hörte man regelmäßig offen, laut und unwidersprochen ausgesprochen in den kleinen Wiener Beiseln, wo man ordentliches Schnitzel um 50, manchmal sogar um 35 Schilling bekam), Huren und Kriminelle uneinträchtig nebeneinander. Heute sind die Juden – auffallend viele Orthodoxe – immer noch da, die Huren und die Kriminellen sind weitgehend hinter den Gürtel verschwunden (früher, ja früher, da war der Prater noch etwas verrucht, niemals habe ich größere Ratten gesehen als des Nachts im Prater, heute ist er Disney-Land-steril für das internationale zahlende Publikum nach DIN- und ISO-Normen zu Tode reglementiert), die Beisln der Alt-Nazis sind heute Asia-Imbisse, Döner-Buden oder Szene-Treffs, und die sozial Schwachen werden mehr und mehr von jungem, urbanem Volk verdrängt, das in die teuer renovierte alten Mietshäuser einzieht: der 2. Bezirk wird gerade zum angesagten Szene-Viertel, immer mehr Bobos (ein Kunstwort, gebildet aus bourgeois und bohémien, zwei Dinge, die eigentlich gar nicht zusammen passen, daher Oxymoron und zugleich Neologismus, zurückgehend auf das Buch „Bobos in Paradise“ von dem New York Times – Kolumnisten David Brooks aus dem Jahr 2000) ziehen hier her. Wir schlendern die Tabor-Straße hoch, hinter den Häusern ragen noch immer der Gefechtsturm Augarten mit dem Codenamen „Peter“ und der Feuerleitturn Augarten empor, betonerne Relikte einer grausamen Zeit, aber stabil gebaut, wollte man sie heute sprengen, legte man zugleich den ganzen 2. Bezirk in Schutt und Asche, machen einen Schlenker über den Karmeliten-Markt, vorbei an Siegrids Haus, eine gewisse Nostalgie überkommt mich, aber bevor sie mich richtig runterreißen kann fahren wir mit der Mietdroschke in die „Drei Hacken“ (siehe opl.guide vom 29. März 2016), bekommen dort etwas nach dem Mittagsgeschäft einen Platz, schmausen vortrefflich und leisten uns eine Bouteille (nein, bleiben wir ehrlich, es waren zwei) Pichler F.X., einen 2013er Grünen Veltliner Smaragd vom Dürnsteiner Kellerberg, benannt nach dem Senior Franz Xaver Pichler, aber seit Jahren schon unter der Verantwortung seines Sohnes Lucas (Lucas mit „c“, so wie mein Kurzer) und dessen umtriebiger Frau Johanna stehend, und das mit beachtlichem önologischem – und anscheinend auch wirtschaftlichem – Erfolg (obwohl ich das neue Kellereigebäude trotz der beeindruckenden Lage nach wie vor für’n Arsch finde).