Rhöner Botschaft in Hilders: Pöbelnde Stadtfräcke in der Provinz

Wieder in der Rhöner Botschaft in Hilders, diesmal mit meinem kleinen Sohn, dem Fleischfresser, wieder alles gut, sehr gut, diesmal sogar größere Zimmer, nach hinten raus, geräumigere Bäder, besch… Aussicht auf die Hinterhöfe, aber still, mittlerweile vor dem Haus sogar ein kleiner Lounge-Bereich mit Möbeln aus Euro-Paletten gezimmert, unbequem, aber chic und trendy, dazu diskretes, aber nerviges Techno-Gewummer aus dem Hintergrund, nur zuweilen übertönt von den vorbeifahrendes Autos und Motorrädern, über den Häuserdächern von Hilders die untergehende, blutrote, schon richtig kräftig wärmende Abendsonne, frisches Hochstift-Pils vom Fass: das Leben ist schön.

Das Abendessen wieder hervorragend, frugal, lecker, auch mein kleiner Sohn ist begeistert von dem Ochsenrücken aus dem Ofen, endlich mal eine Portion Fleisch, die seinen fleischlichen Gelüsten angemessen ist. Ludwig Leist persönlich steht am Zapfhahn, eine junge, flinke, freundliche Dame macht den Service alleine. Es ist verhältnismäßig wenig los in der Gaststube an diesem Montagabend, die beiden anderen Restaurants des Hauses – das Das Ox und das Das OxExclusiv – sind montags geschlossen, nur ein paar Hausgäste, zumeist ältere Herrschaften, die anscheinend ein Pauschal-Arrangement mit viergängigem Abend-Menue gebucht haben, bevölkern das Restaurant, etliche Tische sind leer, was ich eigentlich nicht gewohnt bin in der Rhöner Botschaft.

Exakt zum Küchenschluss betritt ein vielleicht 60-jähriges Ehepaar das Restaurant, gepflegt und alles andere als billig gekleidet, diese Art von Menschen, die es gewohnt sind, dass man nach ihrer Pfeife tanzt, wenn sie zahlen. Sie geben kund, zu Abend essen zu wollen. Leist Senior ist bereits verschwunden, die junge Bedienung erklärt den Gästen, dass eigentlich gerade Küchenschluss sei, aber sie wolle sehen, was sie tun könne; sodann lässt sie die Leute stehen und saust nach hinten, wo sich die Küchenbrigade gerade dran macht, zu gehen. Kurzes Getuschel unter Kollegen, die Küchenbrigade verschiebt ihren Feierabend, die Bedienung bittet die späten Gäste, sich an einen der bereits eingedeckte Tische zu setzen. Zielsicher lassen sich die Leute an einem uneingedeckten Tisch mit von den vorherigen Gästen schmutziger Tischwäsche nieder. Die junge Bedienung rotiert gerade ein wenig, drei Tischen gleichzeitig die Sorbet-Variationen als Dessert zu servieren. Sie bittet die späten Gäste höflich und – wie wir fanden – liebenswert, sich doch an einen eingedeckten Tisch zu setzten. Da aber, heidewitzka und hast’e nicht gesehen, heben die arroganten Stadtfräcke unvermittelt, als hätte man den berühmten Roten Knopf gedrückt, ein Geschimpfe und Geschrei an, dass dies doch wohl eine Unverschämtheit sei, man werde sich doch wohl setzen können, wo man wolle, und man werde jetzt gehen, und es gebe noch andere Restaurants in der Rhön, wo man sich nun zum Essen hinbegeben werde, und schönen Gruß an Björn Leist und Glückwunsch zu diesem unfähigen Personal, und überhaupt werde man Björn Leist anrufen, um ihm Kunde zu tun, von dererlei Frechheit, und Grüße von Familie G*** und sowieso und überhaupt. Unter unflätigem Gezeter verließen die pöbelnden Stadtfräcke den Ort des Geschehens. Alle anderen verbliebenen Gäste blickten wie wir fassungslos auf diesen Auftritt und bekundeten sodann allesamt der armen, ob dieses Auftritts sichtlich verstörten Bedienung, ihre – unsere gemeinsame – Solidarität und bestätigten, dass das arme Mädchen doch nun wirklich alles richtig gemacht hätte. Wieder einmal bekam der Ausdruck des Fremd-Schämens eine neue Facette für uns. Wir hatten noch nicht unser nächstes Bier bestellt, da hatten die arroganten Schnösel schon bei der Familie Leist angerufen und wohl eingefordert, man möge die Bedienung nochmals zur Sau machen.

Wie es der Zufall will, kurz zuvor war ich in einem Fünf-Sterne-Hotel in Dresden zu Gast. Des Morgens beim Frühstück saß ich neben dem ehemaligen Vorstandvorsitzenden eines Dax-Konzerns und seiner Gattin, zudem auch noch adlig, wahrscheinlich mit einem Vermögen, das eine gewisse Unabhängigkeit ermöglicht. Als Berater hatte ich mal für diesen Konzern gearbeitet, irgendwie kannten wir uns noch, wir grüßten uns kurz, plauderten im Stehen belangloses Zeugs über die alten Zeiten (die leider alles andere als „gut“ waren, Massenentlassungen und Sparprogramme, aber die Basis hat zumindest überlebt und prosperiert zwischenzeitlich wieder), verabschiedeten uns höflich und setzten uns getrennt nieder. Selten habe ich so höfliche Menschen erlebt. Die Bestellung jedes Frühstückseis und Kaffees beim Servicepersonal wurde mit einem “Bitte“ begonnen und/oder abgeschlossen, wenn nicht sogar beides, der Bedienung wurde die Kaffeetasse beim Servieren abgenommen, um ihr die Arbeit zu erleichtern, der Herr half seiner Gattin selber in den Jacke, obwohl der Oberkellner selber herbei geeilt war, als die Herrschaften Anstalten machten, zu gehen, sie sprachen leise, alles war höflich, bescheiden, und doch mit Stil. Und jetzt diese arroganten Stadtfräcke in Hilders, die nichts Besseres zu tun haben, als eine junge Bedienung, die ihnen außer der Reihe, nach Küchenschluss noch freundlich zu Diensten sein will, wüst zu beschimpfen und bei ihrem Arbeitgeber zu denunzieren, also ich finde das schlichtweg widerlich. Wenn sie wenigstens noch den Arsch in der Hose gehabt hätten, noch in der Gaststube nach dem Patron für ihre Beschwerde zu verlangen, aber nein, gehen und dann aus der Ferne, anonym per Telephon, ohne der Beschuldigten eine Chance zur Gegenrede zu geben, seinen Schmutz abladen, das ist wahrlich widerlich. Und genau diese Leute würden, da bin ich mir sicher, bei Schuhbeck, Klink oder Wohlfahrt devot selbst im zugigen Eingang verharren und ehrfürchtig warten, bis ihnen ein Tisch zugewiesen wird, und selbst wenn es der Tisch im hintersten Eck neben der Toilette wäre, sie würden akzeptieren und sich klaglos setzen. Nur in Hilders, da glauben sie, eine hilfsbereite junge Bedienung beschimpfen, zusammenzufalten und denunzieren zu können. Widerlich. Ich habe nicht die ganze Szenerie mitbekommen, manches spielte sich hinter den Kulissen ab, aber soweit ich es verstanden habe, hatte die Familie Leist ihrerseits den Arsch in der Hose, sich hinter ihre denunzierte Mitarbeiterin zu stellen und unbewiesene, anonyme Anschuldigungen zurückzuweisen. Recht so, ein Patron, der nicht hinter seinen Mitarbeitern steht, wird niemals wirklich gute Mitarbeiter um sich scharen können. Tadel, Kritik, alles gut und wichtig, mache ich ja schließlich auch, aber mit offenem Visier, wohl begründet und im richtigen Ton.

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3 Comments

  1. Reinhard Daab

    Lieber Hr. Opl,

    die verschiedenen Restaurants der Leists kenne ich nun schon seit einigen Jahren. Was soll man zu solch unflätigen Zeitgenossen sagen, eigentlich sollte man der Servicekraft Unterstützung zukommen lassen. Natürlich können diese Figuren auch woanders hingehen, es stellt sich aber die Frage wohin?Empfehlen könnte ich auf Anhieb eigentlich nichts. Björn Leist ist schon das Beste was der Rhön passieren konnte. Man möge nur einmal an seine fast göttlich zu nennende Milchkalbsleber mit Kartoffelschaum denken, wo gibt es sonst noch Milchkalbsleber, dann auch in absolut perfekter Zubereitung.
    Erwähnen möchte ich noch, dass man dies im ganz normalen Restaurant bekommt. Außerdem werden die Speisen auf schönen Tellern perfekt angerichtet.

    Seit geraumer Zeit hat das Restaurant jedoch nicht mehr Mittags geöffnet, so können wir eigentlich nur noch in Verbindung mit einer Hotelübernachtung dort hingehen.

    Viele Grüße

  2. Lieber Herr Daab,
    ja, das ist auch bereits negativ aufgefallen, dass die Leists Mittags nicht mehr aufmachen. Wird sich wahrscheinlich nicht rechnen, aber schade ist’s trotzdem. Ein Dorfgasthaus sollte nach meinem Geschmack den ganzen Tag aufhaben. Waren gestern gerade wieder im Adler in Bad Waldsee (überigens auch eine formidable Innereien-Karte), die haben ganztägig geöffnet.
    Herzliche Güße
    E. Opl

  3. Reinhard Daab

    Lieber Hr. Opl,

    vor Wochen hatte ich schon einmal dieses Haus ins Auge gefasst, es war im Rahmen einer Suche, denn der Adler gehört wohl zur Vereinigung Landzunge. Natürlich freut man sich, auch wenn man z.B. Saure Kutteln auf einer Speisekarte findet. Ein Deutsches Gasthaus mit normalem Preisniveau. Von dort aus könnte man ganz gut die Oberschwäbische Barockstraße bis zum Bodensee abfahren.

    Beste Grüße
    R. Daab

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