Das Praha in Dresden-Hellerau: Verbrechen an der Böhmisch-Tschechischen Küche

Summa summarum: Schmuckloses Ambiente mit mieser Tschechischer Küche, viel Convenience und Aufgewärmtem und mieser Bedienung an der Peripherie, die Fahrt dorthin niemals wert

 
Ich liebe die Tschechische, speziell die Böhmische Küche über alles. Knedlíky, Svícková, Liwanzen, das sind Kindheitserinnerungen an die Küche meiner Großmutter – auch wenn sie Sudetendeutsche und stolz darauf war –, Ihre Küche war in weiten Strecken sehr, sehr Böhmisch.  Heute ist die Tschechisch-Böhmische Küche zumindest in Deutschland nach meiner Beobachtung eine aussterbende Gattung. In Süddeutschland hat der hochambitionierte und talentierte Erhard Spacek in München aufgegeben und ist von der kulinarischen Bildfläche verschwunden, bei Kochel im Rabenkopf kocht Jörg Slaschek bei jedem Besuch schlechter und launischer, mittlerweile ist er auf unserer Schwarzen Liste gelandet. In Sachsen sah es in der Vergangenheit Dank der Nähe zur Tschechoslowakischen / Tschechischen Grenze mit Böhmischen Restaurants etwas besser aus. In Dresden gab es in den neunziger Jahren ein ganz famoses Tschechisches Restaurant am Barbarossaplatz, heute ist das komische Spitz dort ansässig. Irgendwann machte das Wenzel Prager Bierstuben an der Königsstraße in der Nobel-Touri-Neustadt auf und nimmt seit dem in seinen zugigen, kitschig-sterilen Speisehallen Touristen aus aller Welt mit schlechtem Essen, Tschechischem Bier und pampigen, unkoordinierten Bedienungen gehörig aus und ist eine kulinarische No-Go-Area. Jetzt hatte ich entdeckt, dass die Familie Míček das Restaurant in der Pension („Hotel“ wäre bei Leibe übertrieben) Fliegerhorst in Hellerau übernommen hat und vorgibt, authentische Tschechische Küche anzubieten. Tschechisch-Böhmisches Restaurant am A… von Dresden, mitten im – zwischenzeitlich noblen – Villenvorort, 27 Taxi-Euros oder eine lange Fahrt mit der Straßenbahnlinie 8 bis zum Festspielhaus Hellerau für wohlfeile 2,30 €. Vom Design her plumpe, aber verheißungsvolle Speisekarte im Internet, trotz der Photos eines durch und durch spieß- bis kleinbürgerlichen Ambientes verlockend, wohl eben deshalb, weil alles so plump und un-gekünstelt und un-designt aussieht. Vielleicht ist das ja DER Geheimtipp, abseits der Touristen-Pfade an der Peripherie, wo die Wohlhabenden in ihren Villen und Riemerschmid-Häusern wohnen und sich an abgelegenem, ja fast geheimem Orte im Restaurant Prag zu trefflichem Schmause treffen. Denk’ste.

Von der Straßenbahn-Haltestelle Festspielhaus Hellerau sind es ein paar Schritte zum Restaurant Prag. Keine  Dresdner Reformarchitektur, sondern ein schlichter, zwei-stöckiger Fünfziger-Jahre-Bau, unmittelbar vor dem Haus die Straßenbahn und eine Asphaltplatte, halb Parkplatz, halb „Biergarten“, will sagen ein paar rustikale Tische und ein Sonnenschirm. Die Inneneinrichtung ist mit den Worten schmuckloses Vorstadt-Kneipen-Interieur hinlänglich beschrieben, grobe Holztische und –stühle, keine Tischdecken, Linoleumboden von zweifelhafter Sauberkeit, ein kleiner Schanktresen, dahinter die Küche und noch ein Nebenraum für private Feiern. Den Service machen zwei junge Damen, wohl Tschechinnen mit einem deutlichen, aber netten Akzent. Wir setzen uns vor das Haus auf die Asphaltplatte, an zwei Tischen vor dem Gebäude feiern mittelalterliche Männer den „Herrentag“, wie Christi Himmelfahrt bzw. der Vatertag in der ehemaligen DDR hieß, will sagen, sie geben sich tierisch die Kante mit großen Humpen von Staropramen und Pilsener Urquell vom Fass und grölen dazu. Auch wenn dies am „Herrentag“ eine zeihliche Ausnahme sein mag, dies ist weder angenehm noch lässt es auf gehobene Restauration schließen. Aber sei’s drum …

Gulaschsuppe verheißt eine handgeschriebene Tafel als Tagessuppe, damit kann man ja kaum was falsch machen. Was kommt ist ein braun-gräuliches Gebräu mit einer Konsistenz zwischen Brei und Sauce, darinnen Bröckchen von Kartoffel, Paprika, Fleisch, allesamt breiig-verkocht, der Geschmack künstlich-unangenehm, vielleicht essbar, aber keinesfalls genießbar, nach meinem Dafürhalten niemals selber gekocht, sondern aus der großen Convenience-Dose. Das Tatar kommt mit den klassischen Beilagen unangemacht auf einem Holzbrettchen daher. Der Geruch – ich bin mir nicht sicher, ob er originär von dem speckigen Brettchen oder dem rohen Fleisch oder von beiden stammt – lässt von einem Verzehr nur abraten. Die  Bedienung räumt die unberührte Portion wortlos ab, ohne zu fragen, was denn nicht gepasst hätte oder so. Wahrscheinlich ist sie schon gewohnt, dass das Tatar unangerührt zurückgeht. Das Wiener Schnitzel ist ein Riesendrumm panierten Schweinefleischs, ich vermute, vorpanierte Tiefkühlware, ausgebacken in schlechtem Frittierfett mit deutlicher Fischnote (wohl von dem Wels im Bierteig), darunter fettige, lauwarme, teilweise etwas gebräunte Kartoffelscheiben garantiert aus der Convenience-Tüte mit geschälten, vorgeschnittenen und -gekochten Kartoffeln, in der Speisekarte euphemistisch „Bratkartoffeln“ geheißen. Der Böhmische Schweinebraten mit Sauerkraut sind zwei Scheiben fettigen, trockenen, deutlich aufgewärmten Schweinefleischs auf in der Tat schlorzigem, leckerem, leicht süßlichem (wie in Böhmen üblich) Sauerkraut, bei dem das Aufwärmen wohl in der Tat zur Geschmacksverbesserung beigetragen hat. Meine über alles geliebte Svíčková na smetaně (Rinderfilet oder –lende, gespickt und mit Butter und Gewürzen ein paar Tage mariniert, dann langsam mit Gemüse geschmort, die Sauce samt Gemüse passiert und mit viel Sahne versetzt) serviert Josef Míček in einer Qualität, die eigentlich eine Aberkennung der Tschechischen Staatsbürgerschaft zur Folge haben sollte wegen der Entehrung einer kulinarischen nationalen Ikone: zwei Scheiben aufgewärmten, trockenen, harten, Sehnen- und Fett-durchzogenen Rindfleischs – keinesfalls Filet oder Lende – auf einer breiigen, weißen, fetten, weitgehend geschmackfreien Sauce, dazu vorgefertigte Böhmische Klöße. Dreimal bitte ich die Bedienung ob der Geschmackfreiheit der Sauce um Salz, dreimal verschwindet sie im Lokal, dreimal kommt sie nach geraumer Zeit wieder heraus und bedient an den anderen Tischen, macht aber keinerlei Anstalten, mir Salz zu bringen; ich gehe wütend in das Lokal, dort stehen beide Bedienungen und ein junger Mann am Tresen und quatschen untätig und einträchtig auf Tschechisch. Ich nehme mir Pfeffer- und Salzstreuer von einem der Tische, plötzlich stürzt sie auf mich, nimmt mir Pfeffer- und Salzstreuer aus weißem Porzellan wieder ab und drückt mir welche aus Glas mit Blechdeckel in die Hand: sehe ich aus, wie ein Salz- und  Pfefferstreuer-Dieb? Anscheinend. Auch der Biernachschub hapert bei der Bedienung gewaltig, ein paar Mal bestellen wir, jedes Mal müssen wir mehrfach nachfragen, bis wir endlich ein frisches Bier bekommen.

Hier lebt sie noch, die alte kommunistische Dienstleistungsmentalität, dies ist wahrlich ein höchst anschauliches Museum längst untergegangen geglaubter Sitten. Ich weiß nicht, was eine größere Unverschämtheit ist, die frech-faule Ignoranz des Servicepersonals oder Chuzpe der Küche, diesen minderwertigen Fraß als authentisches Tschechisches Essen anzubieten.

 

Prag Restaurant / Restaurace Praha
Inhaber: Josef Micek
Moritzburger Weg 24
01109 Dresden
Telefon: 0351 / 88961850
E-Mail: info@restaurant-prag-dresden.de
Internet: www.restaurant-prag-dresden.de
Hauptgerichte von € 7,90 € (Omelett) bis 14,90 € (halbe Ente)

 

Das sagen die anderen:

  • Tripadvisor: 4,5 von 5
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