Qubi: zu gut für dieses gottvergessene Schwaben-Dorf

Berücksichtig man die Sache mit dem Einäugigen und den Blinden, so war der Purist sicherlich Augsburgs beste Cocktailbar. Aber der ist ja jetzt Dank Corona Geschichte, wer weiß, wohin es  Matthias Möschl und sein Team nun verschlagen mag, in der Retro-Perspektive vergisst man das notorische Convenience-Food und die durchaus happigen Preise für Cocktails, im Purist gab’s einfach die besten Cocktails Augsburgs. Um das Ganze gleich zu relativieren: in einer Stadt – München, Hamburg oder Berlin – wäre der Purist guter Standard, in einer Metropole – Paris, Hong Kong oder New York – wären die Drinks im Purist normaler Standard gewesen. Aber man soll ja nicht nachkarteln, danke für zwölf tapfere Jahre in der Provinz, Matthias Möschl, und so manchen perfekten Martini Cocktail. Jetzt sieht es mau aus in Augsburg, was Cocktail-Bars anbelangt. Im Anas mixt Robert an Wochenenden um sein Leben für ein verklärtes, calvinistisch-genussfeindliches Gutmenschen-Publikum, er könnte ja, wenn er könnte, aber weder die Bar-Ausstattung noch die Nachfrage werden einem Vollblut-Keeper wie Robert gerecht. Die Kellerbar im Anapam ist komisch. Und den Zeitgeist-Einknickern im ehemaligen Drei Mohren werde ich niemals mehr einen Cent bringen, gerade habe ich nach der erbärmlichen, kriecherischen Umbenennung des Hauses mehrere große Firmenveranstaltungen von uns auf andere Hotels umbuchen lassen, zu solchen Zeitgeist-Speichelleckern schicke ich meine Leute nicht. Aber wo nun öffentlich in Augsburg saufen, fragt sich der zirrhotische Säufer?

Zwei junge Männer – ich kenne ihre Namen noch nicht, aber sie scheinen italienische Wurzeln zu haben – haben sich nun daran gemacht, die Lücke, die der Purist hinterlassen hat, zu füllen, praktischer Weise gleich in den nämlichen Räumlichkeiten in den Gollwitzerhäusern an der Volkhartstraße. Anfang Oktober eröffneten sie dort ihr Qubi Kitchen & Bar. Das Konzept ist das gleiche wie vormals: gute Cocktails, leckere Kleinigkeiten zu Essen, lockere Atmosphäre, die Unterschiede liegen eher im Detail. Das prall gefüllte Spirituosen-Regal, das es weiland im Puristen gab, ist sehr deutlich ausgedünnt, hochprozentige Spezereien gibt es kaum mehr, aber die Basics sind durch die Bank weg da. Dafür ist die Speisekarte deutlich aufgemotzt, statt des immer-gleichen mäßigen Convenience-Chilis gibt es ein paar Vorspeisen, frische Salate, frisches Tatar, vom Hummer Suppe, Stulle oder Nudeln, verschiedene Gerichte mit frischem Oktopus oder frischem Thunfisch, vegetarisches bzw. veganes wie Tempura oder Orecchiette mit Paprika-Kokosmilchsoße, frittiertem Rucola und Mandeln, Kleinigkeiten zum Knabbern und drei Desserts, insgesamt ist die Karte sehr fischig-vegetarisch mit deutlich unterrepräsentierten Fleischgerichten, aber was soll’s. Wer die Küche hinter dem Lokal kennt weiß, dass es sehr sportlich ist, solch eine Vielfalt durchaus nicht simpler Speisen hier frisch anzubieten. Einen guten Überblick über die Vielfalt und Qualität der Gerichte im Qubi gibt die Tapas-Auswahl, bestehend aus zwölf (12!) Tapas-Portionen wechselnder Gerichte, nicht immer von der Karte, und dann sind da so typische Speisen wie ein frittiertes Ei mit Majo, drei Bissen Vitello tonnato, ein Arancino – eine frittierte sizilianische Reiskugel mit Thunfisch und Teriyaki-Sauce (glaube ich) –, frisch gegrillter Oktopus, Gemüselasagne, frische Kartoffelchips auf einer Gemüsesauce, ein Crêpe-chen mit einer Pilzfüllung, … you name ist. Einerseits, frisch und selber zubereitet sind alle diese Speisen mit Garantie, da stammt nix aus der Tiefkühle oder dem Plastik-Eimer; andererseits, wer verfeinerte, raffinierte, denkwürdige kulinarische Erlebnisse sucht, der wird hier enttäuscht werden, das alles ist eher grobschlächtig – aber keinesfalls schlecht oder unlecker – gemachte Bauernküche ohne große Kunst im Anrichten und der Präsentation; dritterseits, gerade das macht einen großen Reiz aus, solche Gerichte könnte man genau so authentisch – gut, frisch, grobschlächtig, unprätentiös, unverschnörkelt, ungekünstelt, gekonnt, einfach, gekonnt einfach – auch auf dem Marktplatz eines sizilianischen Städtchens serviert bekommen.

Die kurze und übersichtliche Cocktail-Karte ist mir im Gegensatz dazu ehrlich gesagt zu abgehoben-versponnen, ich brauche weder einen Espresso-Martini noch einen Pisco Sour mit Erdnussbutter noch einen Drinkong-Punch aus altem Rum, Bananenlikör, Allspice Dram (was immer das sein mag), Ananas, Limette, Kokosnusswasser und Milch. Aber alles gut, als ich einen gerührten, extra trockenen Martini auf gewaschenem Eis mit Lemontwist bestelle, versteht mich der Keeper sofort, er versteht also sein Handwerk, und es gibt Botanist und Tanqueray #10, was will ich mehr? Caro nimmt einen giftgrünen Basil Smash mit zermatschtem Basilikum, Gin, Zitrone, Zucker und Eiweiß, und der ist gar nicht mal schlecht.

Und diese ambitionierten, ziemlich guten Kerle machen ihre Kneipe einen Monat vor dem neuen Lockdown auf, arme Socken kann man da nur sagen, und schade. Das Konzept ist gut, die Speisekarte ist gut und gekonnt und charmant, die Jungs können mixen … und trotzdem wird Augsburg das Qubi einfach auffressen und verdauen. Besagte Tapas-Auswahl von 12 verschiedenen Gerichten kostet lächerliche 18,50 EURO – jedes Schälchen 1,50 EURO. Mehr als 18,50 EURO kann man in der schwäbischen Genuss-Diaspora nicht dafür verlangen, aber 18,50 EURO sind hier nie und nimmer kostendeckend, selbst bei extremster Selbstausbeutung von Verwandten und Freunden in Küche und Service und wohlfeilen Bezugsquellen und Lieferwegen direkt aus Italien. Und die – sehr guten – Cocktails kosten keine 10 EURO, auch damit kommt man nicht auf einen grünen Zweig, schon gar nicht bei Knausern, die den ganzen Abend vor einem Glas sitzen. Klar, dass bei diesen Preisen der Laden halbwegs voll ist, und doch ist der kreisende Geier für mich bereits sichtbar. Der Purist hatte geringeren Waren- und Personaleinsatz bei deutlich höheren Preisen und hat sich am Ende nicht gerechnet. Wie sich da ein Qubi auf Dauer rechnen sollte, ist mir ein Rätsel, aber ich lasse mich sehr gerne eines Besseren belehren. Alles Gute und viel Erfolg Jungs, Ihr hättet’s verdient.


Qubi Kitchen & Bar
Volkhartstraße 12
86152 Augsburg
Tel.: +49 (8 21) 47 01 96 28
Email: info@qubi.bar
Facebook: www.facebook.com/QubiAugsburg

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One comment

  1. Karl Eichberger

    Zufälle gibt´s?! Ohne das Qubi wäre ich wahrscheinlich nicht auf diese Seite gestoßen. Die wunderbare Kritik möchte man gerne zum Anlass nehmen das Qubi zu besuchen, Coronabedingt ja leider nicht möglich. Man kann nur hoffen, dass das Qubi den Lockdown überlebt … da ja die Bar-Landschaft in Augsburg ja leider recht übersichtlich ist?! Versponnen brauche ich es auch nicht … aber wenn der Martini passt, dann gerne! Und beim Gin Basil Smash bleibe ich lieber bei Jörg Meyer (auf dem Foto sieht er mir zu verspielt aus, wird dem Original aus dem Le Lion nicht gerecht).

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