Palladio Augsburg: Italiener-Derivat mit belangloser Küche in künstlichem Ambiente

Summa summarum: Allerwelts-Italiener in künstlichem, ungemütlichem Ambiente, Speisekarte wie bei jedem Allerwelts-Italiener ohne besondere Highlights oder Spezereien, lieblose, meist untadelige, aber immer unspektakuläre 08/15-Küchenleistung, demotiviertes Personal, das seine schlechte Laune auch schon mal die Gäste spüren lässt.

 

Ganz ein kurioses Stück Stadtentwicklung, das sich einem südlich von der Bürgermeister-Ackermann-Straße, zwischen alter Reesekaserne und der ehemaligen Besatzer-Siedlung Sullivan Heights auf dem früheren Supply Center auftut. In die Betonskelette des imperial-amerikanischen PX-Versorgungszentrums wurde ein gigantisches Altenwohnzentrum implantiert, und ich frage mich, wenn man überall von „Inklusion“ spricht, warum darf hier so ungeniert „exkludiert“ und die Alten am Stadtrand ganz unter sich so verräumt werden. Aber es gibt genügend Parkplätze, einen Aldi, eine Apotheke, ein paar kleine Läden und sogar eine Grünanlage mit herzförmigem Wasserloch, euphemistisch „See“ genannt. Auf der anderen Seite dieser Wiese vor den Baracken-ähnlichen Zweckschuppen von Lidl und Kentucky Fried Chicken finden sich zwei Restaurants, die L’Osteria (wo man Gästen schon mal ins Bein schießt) und das Ristorante Palladio. Der Name Palladio bezieht sich auf Andrea di Piero della Gondola, genannt Palladio, einen berühmten italienischen Architekten der Renaissance. Palladio baute die Kirchen Kirche San Giorgio Maggiore und  Il Redentore in Venedig, die Villen Barbaro in Maser und La Malcontenta am Brenta-Kanal. Und das Gebäude des Ristorante Palladio sei eben dem Stil dieses Baumeisters nachempfunden, lese ich in der Speisekarte. Das ärgert mich schon mal. Das Ding sieht aus wie einer dieser zweckmäßigen Outletcenter-Phantasiebauten im Wertheim- oder Ingolstadt-Village, die großen asphaltierten Parklätze vor dem Gebäude passen ebenfalls dazu. Ehrlich gesagt, ich mag weder diese Architektur noch diese Art der Stadtentwicklung. Aber das ist mein Problem, und vielleicht ist das Restaurant darinnen ja gar nicht so schlecht. Betrieben wird es seit 2008 von Claudio Bagatella, der im Großraum Augsburg, bis dahin bekannt als der Betreiber einer kleinen, lokalen Eisdielen-Kette; und wer Eis machen kann, kann auch Pizza backen, ist ja eh alles Italienisch.

Das Palladio war der Augsburger Allgemeinen als Teil 60 der Serie „Gut Essen“ einen Bericht wert; unter der tollen Überschrift „Schwertfisch und Schweinebraten“ schreibt die begnadete Wortkünstlerin Andrea Baumann: „Das hausgemachte Gelato ist noch heute dem Gast so manche (Kalorien-)Sünde zum Abschluss eines Mittag- oder Abendessens wert. Doch auch die Karte mit den Vor- und Hauptspeisen hält so manche Versuchung bereit. Pizza- und Pastaliebhaber werden ebenso fündig wie die Anhänger von Fisch oder Fleisch. Wer abseits der vertrauten kulinarischen Pfade wandeln will, sollte einen Blick auf die schwarze Tafel mit den Tagesgerichten werfen. Dort halten bald Spargel- und Bärlauchgerichte Einzug. Pilzgerichte versüßen die Herbststürme und im Winter wird es auf der Saisonkarte wild …“ Da kann sich so mancher professionelle Werbetexter noch eine gehörige Scheibe abschneiden, Respekt Frau Baumann, Respekt Augsburger Allgemeine.

Doch vergessen wir kuriose Stadtentwicklung, Altenverbringungsanstalten, Outletcenter-Architektur, anmaßende Namensgebung und Provinz-Lobhudel-Sprachknittel-Journalismus einmal, widmen wir uns statt dessen ganz und gar, sine ira et studio, den kulinarischen und Service-Leistungen der Bagatella-Truppe. Man parkt direkt auf dem großen Parkplatz vor dem Haus, sehr praktisch, keinen Schritt zu viel gehen. Die Inneneinrichtung steht der Architektur des Gebäudes um nichts nach, ein gesichtsloser, großer Speiseraum, Möbel die ein wenig an den Stil des Real Existiert-habenden Sozialismus erinnern. Beim Betreten der Lokalität warten wir nicht, bis wir platziert werden (steht ja auch nirgends), sondern setzen uns an einen freien, aber noch nicht abgeräumten und neu eingedeckten Tisch. Nichts passiert. Der Kellner läuft wortlos an uns vorbei zum Nachbartisch, anscheinend Stammgäste, man plaudert, der Kellner läuft wortlos an uns vorbei, zur Theke, holt einen Napf Wasser, läuft wortlos an uns vorbei, stellt den Napf Wasser dem Hund der offensichtlichen Stammgäste am Nachbartisch auf den Boden, man plaudert, der Kellner läuft wortlos an uns vorbei, zur Theke, spricht mit dem Pizzabäcker, geht zu einem anderen Tisch, räumt dort ab, geht zurück zur Theke, läuft wortlos an uns vorbei, nimmt die Bestellung am Nachbartisch auf, läuft wortlos an uns vorbei … langsam platzt mir der Kragen, oder habe ich vergessen, meine Tarnkappe abzusetzen, sind wir unsichtbar? Nach gefühlten Äonen des Wartens kommt der Kellner an unseren Tisch, grußlos und mürrisch räumt er das Geschirr von den Vorgängern ab. Ich frage mich, ob wir dem Manne etwas getan haben. Vielleicht ist es hier nicht üblich, sich ungefragt an unabgeräumte Tische zu setzen. Vielleicht diskriminiert er uns ja auch, weil wir weiß sind … oder keine Stammgäste. Keine Ahnung, aber solch einen unfreundlichen Kellner habe ich seit 1986 in der DDR nicht mehr erlebt. Schließlich bringt er die Karten, statt eines allerersten Grußes fragt er mit Kasernenhofstimme: „Was darf es zu trinken sein?“

Die Speisekarte ist die übliche 08/15 Italiener-Speisekarte von Vorspeisen, Salaten, Nudeln, Fleisch, Fisch, Pizzen, Desserts, auch auf der Tageskarte nichts Außergewöhnliches; das Einzige, was hervorsticht und einen Unterschied zu sonstigen Italienern macht sind fünf Gerichte unter der Überschrift „Cucina borghese“, zu Deutsch „bürgerliche Küche“: da finden sich dann Filetspitzen mit Calvadosrahm, Schweinerücken mit Backpflaumen auf Gemüsebett, Wiener Schnitzel mit Preiselbeeren und Bratkartoffeln oder Kalbsgeschnetzeltes mit Rösti. Wohl ein Eingeständnis an die Deutsche Wahlheimat des Herren Bagatella. Bei aller Reserviertheit angesichts der Speisekarte, die Weinkarte macht einen für diese Restaurant-Klasse guten Eindruck, ordentliche, mit Verstand ausgesuchte Italienische Weine der – sagen wir mal – unteren Mittelklasse (was ja keinesfalls „schlecht“ bedeuten muss, sondern eher „bezahlbar“) von 25 bis 65 €, sicherlich erwähnenswert der Amarone von Fratelli Giuliari für sehr faire 55 €. Als wir just den dann bestellen wird der Kellner dann mit einem Male plötzlich freundlicher … warum wohl?

Trotzdem kommt der als Aperitif bestellte Cynar auf Eis mit Orangenscheibe dann ohne Eis, aber mit Zitronenscheibe, die große Flasche San Pellegrino wird bereits geöffnet zu Tisch gebracht, so dass man als Gast nicht weiß, ob das tatsächlich Pellegrino ist oder nur eine wiederbefüllte Pellegrino-Flasche mit Wasser aus dem Siphon oder so: eine Unsitte sondergleichen. Salat von weißen Bohnen mit Zwiebeln sehr lecker, das Pizza Pane dazu bleich-wabbelig, aber mit einer großen verbrannten Blase in der Mitte: so etwas kann man doch nicht servieren. Doch, kann man, meint der Kellner spröde auf unsere Reklamation. Die Spaghetti Bolognese – die simple Nagelprobe für jeden Italiener – kommen daher als ordentliche al dente gekochte Nudeln mit einer penetrant süßlichen Ragout-Sauce, nicht etwa die Süße sonnengereifter Tomaten, noch nicht einmal die Süße von raffiniertem Zucker, sondern diese ganz schlimme Süße von künstlichem Süßstoff. Die Caprese – die andere Nagelprobe eines jeden italienischen Restaurants – schlichtweg eine Katastrophe: geschmacklose Tomatenscheiben, billigster, ebenfalls geschmackfreier, dafür aber zäher Mozzarella, nochmals geschmackfreie – Respekt, ich wusste tatsächlich nicht, dass es so etwas gibt – Basilikumblättchen, alles ertränkt in einer bräunlichen Soße, wohl industrielles Balsamico-Essig-Imitat. Tadellos die Piccata milanese, zwar nicht drei (wie in der Speisekarte angekündigt), sondern nur zwei ordentliche Schweineschnitzel aus dem Rücken, dick, saftig, rosa gebraten, zart, in einer einwandfreien Hülle aus Parmesan, Ei und Brösel, richtig gut – … wären da nicht die Spaghetti dazu, diesmal mit einer penetrant süßlichen Tomatensauce. Die Dorade vom Grill – mit 16,50 € eigentlich viel zu billig für einen wirklich guten Fisch – roch beim Servieren schon richtig fischig, das ‚Fleisch‘ (oder wie sagt man beim Fisch?) fiel strohtrocken quasi von den Gräten, die aufgewärmten Kartoffel- und Gemüseschnitze dazu konnten das Ganze dann auch nicht retten. Wer kocht den sowas? Die Pizza tatsächlich kein Backling, sondern frisch ausgezogen und tatsächlich im Holzofen gebacken, knuspriger, dünner Boden (im Gegensatz zum Pizza Pane, geht doch …), der Belag aber wieder billigste Ware, die keine Freude beim Essen aufkommen lässt. Die Stammgäste am Nachbartisch hatten noch das Kalbsgeschnetzelte bestellt, da grinsten mich vom Nachbartisch auch noch frech Röstinchen aus der Tiefkühltruhe an, mein ganz persönliches gastronomisches No-Go (aber selber schuld, wer sowas beim Italiener bestellt).

 

Hauptgerichte von 6,20 € (Pizza) bis 19,50 € (Fischplatte), Drei-gängiges Menue von 13,20 € bis 38,00 €

Das sagen die Anderen:

Tripadvisor 4 von 5 Punkten

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