40+3 Abi-Treffen (+3, alldieweil das vierzigste im Jahr 2020 wg. kollektiver Hysterie ausfallen musste) im tiefsten Ostwestfalen-Lippe in einem ziemlich alten Gasthaus, in dem wir schon als Gymnasiasten nach dem – und durchaus auch während des – Unterrichts Dinge taten, die von den Lehrern sicherlich nicht gutgeheißen worden wären, zumindest nicht offiziell. Die Lebensläufe, die an diesem Abend erzählt werden, sind so kunterbunt wie das Leben selber: Handwerker, Lohnabhängiger, Arzt, Geschäftsführer, mittelständischer Unternehmer, Hausfrau, Lehrer, ein waschechter Priester, Journalist, … Wir alle sind vor 43 Jahren mit mehr oder weniger demselben Rüstzeug von hier gestartet. Keinen hat das Leben offenbar arg gebeutelt, oder die arg gebeutelten gehen nicht zu solchen Treffen, oder sie behalten ihre Beutel lieber für sich. Alle 60+, fast alle ein, zwei Mal verheiratet, fast alle Kinder, viele schon Enkelkinder, eigentlich jeder ein Häuschen oder ein Haus, vielleicht die Hälfte in der Region geblieben, die Hälfte nicht in alle Welt, so doch quer über Deutschland verstreut, die meisten sprechen vom bevorstehenden Vorruhestand, nur der Priester muss bis 70 arbeiten, erschreckend viele sind schon frei- oder unfreiwillig aus dem Leben geschieden. Es ist ein schwatzendes, herzliches „Weißt‘e noch?“, „Hast’e noch“, „Bist’e noch?“, Kennst’e noch?“, „Machst’e noch?“ …
Aber darum geht es hier gar nicht. Es geht um das Klo des ziemlich alten Gasthauses in Ostwestfalen-Lippe. Ich muss es vergessen, verdrängt haben, aber hier gibt es auf der Toilette mit Augenkrebs erzeugenden Siebziger-Jahre Kacheln noch ein Spuckbecken, auch Speibecken, Expektorierbecken oder – in der Burschensprache – Papst oder Großes weißes Telefon genannt, eine Sanitär-Installation speziell zu Kotzen, weniger wegen schlechten Essens, als vielmehr wegen zu unbotmäßigen Alkoholkonsums. Eine schöne Tradition in Ostwestfalen-Lippe.
Ich zitiere jetzt einfach mal Wikipedia:
„Ein Speibecken … ist eine wassergespülte Sanitärinstallation zur hygienischen Entsorgung von menschlichen Ausscheidungen, die durch den Mund abgegeben werden, wie Speichel, Wasser, Blut oder Erbrochenem, aber auch von aufgenommenen Fremdkörpern wie Ruß. Von den Speibecken sind die Spucknäpfe zu unterscheiden, in die Menschen nur hineinspucken, ohne sich zu übergeben. … In Verbindungshäusern und manchen Gastronomiebetrieben lassen sich Speibecken in Form eines viereckigen Porzellanbeckens mit abgerundeten Kanten und einem an der Wand befestigten Metallgriff finden. Es ist etwa in Brusthöhe montiert und hat eine leistungsfähige Wasserspülung und ein Fallrohr ähnlich einer Toilettenspülung, jedoch meist mit etwas größerem Durchmesser der Spülöffnung. Diese Becken dienen der Aufnahme von Erbrochenem, falls sich einer der Gäste beim Alkoholkonsum übernommen hat. Luxusausführungen haben gepolsterte Armlehnen.“
Tja, und neben (neben, nicht vor!!!) solch einem originalen viereckigen Porzellanbecken mit abgerundeten Kanten und einem an der Wand befestigten Metallgriff stand ich unvermittelt in einem ziemlich alten Gasthaus in Ostwestfalen-Lippe. Irgendwie denkwürdig …