Neulich im Interconti Berlin

Irgendwie tut es einem ja immer leid, wenn man miterleben muss, wie ein guter alter Freund so langsam vor die Hunde geht und man selber nur hilflos daneben steht, ohne wirklich etwas machen zu können. So geht es mir seit Jahren mit dem Interconti in Berlin. Früher, in den Siebzigern und Achtzigern, da logierten wir mit meinen Eltern ganz traditionell im Bristol Kempinski am Kudamm, so wie es sich halt gehörte. Dann kam ich erst wieder nach der Wende in die neue-alte (und grotten-schlecht besetzte) Schaltzentrale gesamtbundesdeutscher Regierungsgewalt. Zwischen Botschaftsviertel und Alex schossen die Fünf-Sterne-Hotels in Erwartung von spesenritternden Diplomaten, solventen Geschäftsleuten und bar zahlenden Kriminellen wie Unkraut aus dem Boden, es folgten Zeiten der touristischen Irrungen und Wirrungen für den Viel-Reisenden, Esplanade, vor allem wegen seiner Bar mit den offensichtlich blutjungen Nutten, Westin Grand, das schon immer mehr Westin als Grand war, der protzige Lagerfeld-Schuppen im Grunewald, das abgenudelte Hilton am Gendarmenmarkt mit dem schönen Club auf dem Dach, das noble, aber unendliche steife Regent schräg gegenüber, austauschbar das Grand Hyatt, Ritz-Carlton und Marriott am Potsdamer Platz, das reißt auch kein präsidialer Fitnessbereich mehr heraus, dann das Adlon, naja, da stellt sich die Frage von value for the money schon zurecht und selbst der großzügigste Chef zuckt hier bei der Spesenabrechnung merklich. So geirrt und gewirrt geriet ich irgendwann vor der Jahrtausendwende in’s Interconti, eigentlich auch nur ein gesichtsloser imperialer Stützpunkt, und trotzdem blieb ich dort hängen, damals war der Westflügel zum Zoo hin neu renoviert, und des Morgens von Löwengebrüll, Elephantengetröte und Affengekreische mitten in Berlin aufgeweckt zu werden, das hat schon was. Das Dachgeschoss war noch verwaist, das Hugos gab’s noch nicht, dafür die Marlene Bar mit gutem Bar-Food bis früh in den  Morgen, und die großen Feten der Berlinale, die fanden auch im Interconti statt, und als Hausgast konnte man sich uneingeladen einfach unter die Gäste mischen und mitfeiern. Es war eine schräge Zeit.

Seit dem die imperialen Machthaber als regelmäßige Gäste ausbleiben scheint es aber bergab zu gehen mit dem Interconti. Ohne allzu elitär daher kommen zu wollen, partielle Übernachtungspreise im Dumping-Bereich für Fünf-Sterne-Hotels ziehen nun nicht unbedingt nur eine Klientel an, die von Stil, Bildung, Etikette, Kaufkraft, Humanismus und abendländischem Werteverständnis geprägt ist, und das merkt man. Das Piano ist aus der Marlene Bar verschwunden, ebenso wie die Livemusik, die Clubsandwiches sind lausig geworden, der Barkeeper hatte keine Ahnung, was gewaschenes Eis oder ein Lemon Twist sind, der Service ist unkoordiniert, schleppend, teilweise patzig. Das Frühstücksangebot ist von der Auswahl her ziemlich groß, die Qualität ist mäßig: Eier Benedict mit Speck und Fertig-Hollandaise, dafür ohne Spinat, Billig-Käse, Billig-Wurst, Billig-Schinken, unreifes Obst, warmgehaltene Rühreipampe, Backlinge, Convenience-Pancakes, dünner Kaffee in Thermoskannen, lauwarme fettige Bratkartoffeln und kalte fettige Röstinchen, unabgeräumte Tische, dazu Kantinen-Atmosphäre, das alles macht keinen Spaß.

Und auf den Zimmern zeigt sich immer häufiger Renovierungsstau, der so nicht vorkommen sollte. Mal hatte ich jämmerlich abgestoßene Möbel, mal ein nicht schließendes Fenster, mal gleich drei defekte Lampen, jetzt diese Decke im Bad, von der die Farbe munter in die Badewanne herab abblättert. So etwas kann vorkommen … aber nicht in einem Fünf-Sterne-Haus. Für mich stellt sich da die Frage, ob das Hauspersonal so schlecht gebrieft / so schlampig ist, dass solche Mängel nicht sofort gemeldet und behoben werden, oder ob das weitere Anzeichen eines Auscashens sind, bei dem der Profit auf Basis der Substanz ein paar Jahre lang nochmal in die Höhe genudelt wird …

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