Immer wieder kann man lesen, Grüne Soße sei das erklärte Leibgericht Goethes gewesen, und er habe sich dieselbe regelmäßig von seiner Mutter in Frankfurt zubereiten und per Eil-Droschke nach Weimar bringen lassen. Hier schreibt wohl ein Schreiberling vom anderen wacker ab, ohne in Original-Quellen gegenzuchecken, und so perpetuiert sich der Schwachsinn ad infinitum, in Artikeln ebenso wie auf den Aufdrucken auf den Verpackungen der fertigen Kräutermischung für Grüne Soße, die man nicht mehr nur im Frühjahr, sondern zwischenzeitlich ganzjährig in Frankfurt und Umgebung kaufen kann – „Echte Frankfurter Grüne Soße – Goethes Leibgericht“ kann man dort überall lesen. Ich habe ja nun auch ein, zwei Seiten von Goethe selber gelesen, auch Vieles seiner reichhaltigen Ausführungen über’s Essen und seine diesbezüglichen Vorlieben, er schreibt da von Wild, warmem Krautsalat mit Speck, Artischocken, Teltower Rübchen, Schwartenmagen, … von Grüner Soße habe ich jedenfalls nichts gelesen, und das bestätigt auch Doris Hopp, ehemalige Chefin der Bibliothek des Freien Deutschen Hochstifts-Goethemuseum Frankfurt, die sich viel mit Goethes Essgewohnheiten befasst hat. Aber eine Geschichte muss ja nicht stimmen, Hauptsache ist, sie ist gut erzählt.
Anyway, die Rezepte für Grüne Soße sind Legion. Die „reine Lehre“ ist wohl Schmand (die Hessen kennen keine Creme Fraiche, und Schmand ist eh viel besser) mit sieben Kräutern, daneben gibt es einmal die Mayonnaisen-Fraktion, die die sieben Kräuter in eben eine Mayonnaise einrührt, dann gibt es die Milch-Mix-Fraktion, die die Kräuter in variierende Mischungen von Schmand, Joghurt, Quark und Sahne kippt, schließlich gibt es die Hybrid-Fraktion, die Mayonnaise und Milchprodukte als Grundlage mischt, und schließlich gibt es die Odenwald-Fraktion, die eine Mehlschwitze mit Brühe ablöscht, sämig durchkocht und dann mit den Kräutern und Sahne abschließt. Natürlich war der Odenwald eine der ärmsten Regionen des ohnehin schon armen Hessens, und entsprechend ärmlich ist diese Rezeptvariante; aber wenn moderne Küchenheinis sich heutzutage dem Thema Grüne Soße widmen, nehmen sie erschreckend oft die Odenwald-Variante als Basis…
Zutaten
- Die berühmten sieben Kräuter (Petersilie, Kerbel, Schnittlauch, Borretsch, Pimpinelle, Sauerampfer, Dill), aber man sollte hier nicht dogmatisch sein: vier oder fünf von sieben reichen ebenfalls, auch Variationen – junge Brennnessel, Spinat, Bärlauch, Basilikum, … – sind nicht uninteressant
- 2 ordinäre Zwiebeln, keine Schalotten, rote oder sonst welche, sondern die ganz ordinären mit der braunen Schale, die beim Schälen zu Tränen reizen
- 5 Eßl. Obstessig
- 8 Eier
- 100 bis 200 ml neutrales Öl
- 2 Eßl. Senf (ich mag halb Monschauer und halb Düsseldorfer Löwensenf)
- Salz, Zucker, weißer Pfeffer (aus der Mühle)
- 250 g Schmand
- 250 g Quark (halbfett)
- 150 ml süße Sahne
- 1 kg kleine neue Kartoffeln
- 1 Teel. Kümmel
Zubereitung
- 8 Eier wachsweich kochen (je nach Größe und Temperatur der Eier dauert das in der Regel 6 bis 8 Minuten), abschrecken, schälen, abkühlen lassen
- Kräuter putzen, Stiele entfernen, waschen, trocknen (schleudern oder auf Küchenpapier abtropfen)
- Kräuter mit einem scharfen, großen Messer hacken (Finger weg von allen Cuttern, Mixern, Mulinetten und was es sonst noch an Hackmaschinen gibt: die Kräuter wollen einfach nur mittelfein gehackt sein, ohne Hitze, ohne Püree, …)
- Die Zwiebel schälen und sehr fein würfeln
- Gehackte Kräuter und Zwiebel in eine Metallschüssel (ich habe keine Ahnung warum Metall, aber es macht tatsächlich einen Unterschied, wahrscheinlich irgendwas mit Küchenchemie …) geben, mit 5 Eßl. Obstessig (ich liebe echten Apfelessig, ist hier aber nicht erfolgskritisch) vermischen, ca. eine Stunde kühl stellen, zwischenzeitlich drei, vier mal gut mit einem Löffel durchrühren
- Wenn die Eier Zimmertemperatur erreicht haben (das ist wichtig, eine Mayonnaise gelingt nur, wenn alle Zutaten ungefähr die selbe Temperatur haben) vier Eier mit einem Pürierstab verrühren, zwei Sorten Senf, Salz, weißen Pfeffer aus der Mühle und Zucker hinzufügen, Öl in dünnem Strahl dazugießen und langsam zur Mayonnaise mixen
- Mayonnaise mit Schmand, Quark und Sahne vermischen, nochmals kräftig abschmecken, dann die in Essig eingelegten Kräuter dazugeben und – unbedingt von Hand mit einem simplen Löffel, wieder ohne jeden Mixer und Pürierstab!!! – gut verrühren, nochmals abschmecken, Grüne Soße mindestens eine Stunde kühl ziehen lassen
- Zwischenzeitlich Pellkartoffeln (mit Salz und reichlich Kümmel im Kochwasser) weich kochen
- Grüne Soße in eine Schüssel füllen, acht Hälften von gekochten Eiern salzen, pfeffern und auf der Soße anrichten (oder separat dazu reichen)
- Grüne Soße mit Pellkartoffeln – sonst nix, es braucht kein gekochtes Rindfleisch und auch keine Frankfurter (Verzeihung: Wiener) Würstchen – servieren
Wenn man ein Ei 9min kocht ist das doch steinhart und nicht wachsweich oder? Ich koche meine Frühstückseier 6 1/2 min und da kann es dann auch schon sein das zuhart ist!
Lieber Hr. Opl,
die vorherige Antwort dürfte mit Sicherheit zutreffen, dann sind die Eier hart wie ein Stein! Der Stadtteil Frankfurt-Oberrad ist das Hauptanbaugebiet der Kräuter für grüne Sauce, am Gründonnerstag sind die Geschäfte vollgepackt mit den Kräutern in der Papierverpackung- Jedoch muss ich auch sagen, dass oftmals zu viel krause Petersilie in den Paketen steckt, auch Spinatblätter habe ich schon gesehen. Seit einigen Jahren kaufe ich meine Kräuter lose, dann kann ich selbst entscheiden was ich haben möchte. Außerdem darf ich sagen, dass ich bisher in Südhessen noch keine grüne Sauce mit Mayonnaise gesehen habe, das macht man doch nur in solchen Gegenden, wo der Kartoffelsalat ebenfalls mit Mayonnaise zubereitet wird.
Auch ein Tafelspitz mit grüner Sauce ist sehr schmackhaft, vor allem wesentlich eleganter und frühlingshafter als eine Meerettichsauce und Spargel geht außerordentlich gut mit grüner Sauce.
Viele Grüße