Marginalie 9: Eine Zensur findet nicht statt

„Eine Zensur findet nicht statt.“, so steht es zumindest im Artikel 5, Absatz 1 des Grundgesetztes, aber – das hätte klar sein müssen – das gilt für Imperial-Amerikaner ja nicht. Da stelle ich seit Jahren mein Gerschreibsel über Restaurants und Hotels auch auf TripAdvisor ein, unentlohnt, aus Idealismus, aus einem gewissen Maß an Narzissmus gewiss auch. Die Algorithmen der Maschine loben mich in höchsten Tönen (streicheln meinen Narzissmus, zweifelsohne ein Teil des Geschäftsmodells, um Deppen wie mich bei der Stange zu halten), sie nennen mich „Luxushotelexperte der Stufe 6“ und „Beitragender der Stufe 5“ (hört sich ein bisschen an wie bei den Scientologen), ich habe ein „Hervorgehobenes Badge Leserkreis 65.000 Leser“ und eine „Gesamtpunktzahl von 8.891“ (was immer das alles auch bedeuten soll, es vermittelt auf jeden Fall den Eindruck, dass ich wichtig bin, zumindest den maschinellen Algorithmen).

Heute nun erhielt ich folgendes Mail von TripAdvisor:

„Liebes TripAdvisor Mitglied,

vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, eine Bewertung auf TripAdvisor zu schreiben. Leider können wir Ihre Bewertung nicht veröffentlichen, da sie eines oder mehrere der unten aufgeführten Kriterien für die Veröffentlichung nicht erfüllt. Unsere vollständigen Richtlinien finden Sie unter: http://www.tripadvisor.de/pages/userrev_rules.html
*Relevant für andere Reisende
Ihre beschriebene Reiseerfahrung sollte nicht mehr als ein Jahr zurück liegen und darf keine persönlichen Beleidigungen oder beleidigenden Beschreibungen, keine Verleumdung und keine Themen ohne Reisebezug enthalten. TripAdvisor ist kein Forum für allgemein politische, ethische oder religiöse Ansichten. Wir veröffentlichen weder Fragen oder Kommentare, die sich an die Vertreter des Objekts richten noch solche, die sich an Mitarbeiter von TripAdvisor oder andere TripAdvisor Mitglieder richten. TripAdvisor veröffentlicht keine Bewertungen, die das Ziel verfolgen, Geld oder andere Gegenleistungen von dem entsprechenden Betrieb für das Nichteinstellen oder die Entfernung von Bewertungen zu erreichen.

Wir freuen uns über Ihre Beiträge und bitten um Verzeihung für diesen Umstand. Vielen Dank , dass Sie Ihre Reise-Erfahrungen auf TripAdvisor teilen.

Mit freundlichen Grüßen

TripAdvisor Service Team“

Das kuriose an diesem maschinellen Serien-Mail ist die Tatsache, dass mir überhaupt nicht mitgeteilt wird, auf welchen meiner eingereichten Beiträge sich diese willkürliche maschinelle Unterstellung denn bezieht. Keine Ahnung, ich stelle so viele Texte ein, darüber führe ich nicht Buch. Und antworten oder nachfragen kann man auf diese Mail auch nicht:

„Bitte antworten Sie nicht direkt auf diese E-Mail. Diese E-Mail wurde von einer Adresse gesendet, die keine eingehenden Nachrichten empfangen kann. Wenn Sie Fragen haben oder Hilfe benötigen, wenden Sie sich an
TripAdvisor LLC, 400 1st Ave., Needham, MA 02494, USA
© 2016 TripAdvisor LLC. Alle Rechte vorbehalten. TripAdvisor“

Entweder man geht auf die TripAdvisor-Seite, wo es eine Hilfe-Abteilung mit vorgefertigten Antworten auf FAQs gibt, aber eine Interaktionsmöglichkeit, ein Kontaktformular, eine Email-Adresse gibt es hier nicht; oder aber man schreibt einen Brief (Brief! an ein reines Internet-Unternehmen!) nach Imperial-Amerika. TripAdvisor wünscht also nicht, dass man Kontakt aufnimmt. Da sitzt irgendwo ein anonymer Zirkel von Zensoren, der ohne einen konkreten Grund zu nennen, ja ohne auf einen konkreten Fall einzugehen, zensiert. Rückfragen sind nicht möglich, Erklärungen werden nicht gegeben. Da könnte man ja auch den Verdacht haben, dass ich mit meinem Artikel einem guten Geschäftspartner von TripAdvisor auf die Füße getreten bin und ich deshalb zensiert werde. Keine Ahnung, Dank der Informationspolitik der Imperial-Amerikaner werde ich das nie wirklich erfahren …

Die Bewertungen auf TripAdvisor sind ja meist ohnehin unter aller Kanone (bis auf meine natürlich ;-)): „Die Schnitzel waren groß, das Bier reichlich, eine Musi hat aufgespielt, und grad lustig war’s.“ So und so ähnlich sind die meisten Bewertungen auf TripAdvisor, Volkes Stimme bewertet für Volkes Geschmack. Gut, so wird man sicherlich das größte Reise-Bewertungsportal der Welt. Aber irgendwann lernt der „denkende, bessere Theil des Volks“ (nicht schimpfen, ist ein Zitat von Friedrich Schiller, und der ist schließlich ein Klassiker, gelle!), dass große und viele Lobe auf TripAdvisor in der Regel Warnungen sind, vor dem, was in diesen Etablissements so verkehrt und auf welchem Niveau da was geboten wird. Es ist Zeit für ein neues, ehrliches, kritisches, kompetentes, gepflegtes Hotel- und Restaurant-Bewertungs-Portal. Nieder mit imperial-amerikanischen Zensoren!

 

 

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