Marginalie 62: Adel verpflichtet

Berühmtes Grandhotel, zusammen mit seinen diversen Restaurants hat der Schuppen wohl mehr Sterne, Punkte, Hauben als ich Jahre auf dem Buckel, das ganz große Theater also. (Nein, ich will nicht angeben, so ist das halt, wenn Caro einlädt, weil sie was zu feiern hat, und da muss ich dann eben durch.) Hier setzt man sich nicht etwa einfach in den Frühstückssaal und frühstückt, hier wird man auch nicht vor einem Pult am Eingang nach langem Suchen auf einer zerfledderten Liste als Hotelgast mit Frühstück-Berechtigungs-Buchung abgecheckt, abgehakt und durchgewunken, hier wird man vom Maître d’hôtel in schwarzem Anzug, weißem Hemd, schwarzer Fliege mit Namen und Handschlag begrüßt und sodann zu dem vorbereiteten Tisch geleitet. Auf den Tischen stehen die Namen der jeweiligen Gäste ordentlich handgeschrieben auf weißen Porzellantäfelchen. Dank dieser Porzellantäfelchen sehen wir, dass neben uns Herr und Frau von A-B sitzen. Caro wird mich später davor warnen, hier Klarnamen der handelnden Hotels und Personen zu verwenden, da ich und meine Kindeskinder von beiden wahrscheinlich bis in’s dritte Glied bis auf die Unterhosen verklagt würden. Also belassen wir’s bei von A-B, mittel-alter, aber schwer-reicher deutscher Geld-Adel, der Urgroßvater diente treu dem Kaiser und verdiente gut an Verdun, der Großvater machte seine Milliarden unter und wohl mit dem Hitler-Regime, der Vater agierte sehr erfolgreich zu Adenauers Zeiten, der Sohn, auch schon in die Jahre gekommen und Privatier (bis auf einige kleine Aufsichtsratsmandate, nur ein paar Dax-Konzerne, nichts Besonderes) mehrte Geld und Ruhm als Dax-Vorstandschef unter Kohl, wahrscheinlich bastelt ein Enkel bereits sehr erfolgreich an einer Karriere im Merkel-Regime. Diese Herrschaften aus der Kohl-Zeit also, ich schätze um die 70, sehr rüstig, schlank, durchtrainiert, gepflegt, die Dame offensichtlich chirurgisch runderneuert, bestens gekleidet, Schmuck-behangen wie ein Weihnachtsbaum kommen also tatsächlich etwas später neben uns zu sitzen, der Maître d’hôtel steht noch an ihrem Tisch und fragt nach Getränkewünschen, da erscheint schon einer der Hotelbesitzer und macht seinen morgendlichen Kotau … vor denen, uns grüßt er immerhin nebenbei.

Was nun aber folgt, ist unter aller Kanone. Er – ausgewiesener Milliardär, ich habe extra nochmals in der Manager-Magazin-Liste nachgeschaut – benimmt sich halbwegs normal, geht zu den überreichen Buffets und sammelt sich sein Frühstück zusammen. Sie hingegen rührt keinen Finger, winkt Kellner mit ausladenden Handbewegungen herbei, und erklärt, was sie vom Frühstücksbuffet geholt haben will (‚möchte‘ wäre hier das falsche Wort). Das Obst lässt sie zurückgehen, zu wenig reif, pauschal, alles. Dreimal schleppt die arme Servicekraft verschiedene Brötchen von dem großen Brotbuffet heran, bis endlich die Sorte dabei ist, die sie verlangt. Dann will sie alle Marmeladen, bis auf diese gelben, Orange und Marille, die mag sie ja nun gar nicht, probieren, nur auf dem Buffet sind wenigstens eineinhalb Dutzend selbstgemachte Marmeladen, schließlich schleppt der Kellner ein Tablett voller kleiner, gefüllter Marmeladenschälchen herbei, sie stippt gelangweilt ihr Croissant in die eine oder andere Marmelade, keineswegs in alle und lässt das Tablett wieder abräumen. Das verlangte Käse-Omelett in Butter gebraten, nur mit mittelaltem Cheddar und ein paar Schnittlauchröllchen, die Oberfläche noch ganz leicht feucht, lässt sie zweimal in die Küche zurückgehen, erst der dritte Versuch findet dann die Gnade, dass sie ein paar Bissen lustlos davon nimmt und dann ebenfalls wieder zurückgehen lässt. Von meinem Platz aus sehe ich, wie ein Kellner den von ihr georderten frisch gepressten Orangensaft an einer altertümlichen Maschine mit einer Kurbel an einem großen Schwungrad frisch presst; als er ihn serviert schnauzt sie ihn an, ob er sie verarschen (sie sagte tatsächlich ‚verarschen‘, selbst ihr Gatte, sonst eher von der schweigsamen Fraktion, blickte indigniert von seinen Eiern Benedict auf) wolle, das sei nie und nimmer frisch gepresster Orangensaft, sondern eindeutig aus der Flasche oder Tüte. Da kann ich nicht mehr an mich halten und sage mit aller Höflichkeit, zu der ich noch fähig bin: „Entschuldigen Sie, ich habe gerade gesehen, wie der Kellner den Saft dort hinten frisch gepresst und direkt zu Ihrem Tisch getragen hat.“ „Was wissen denn Sie, und was geht Sie das überhaupt an!“ herrscht die Kuh mich an. Der Gatte möchte sich liebsten unter seinen Eggs Benedict verstecken, sagt aber nichts und lässt sich auch nichts anmerken, der Kellner wirft mir einen verzweifelt-hilflosen Blick zu, ich lächle aufmunternd zurück, der arme Kerl, wenn die sich beim Hoteleigner beschwert, ist er wahrscheinlich seinen Job los.

So geht das das restliche Frühstück nahtlos weiter. Es macht dem Weib Spaß, das Personal zu tyrannisieren. Die Worte „Bitte“ und „Danke“ gibt es in ihrem Wortschatz nicht, vielleicht noch beim Nobel-Juwelier gegenüber ihrem Gatten, und selbst dort wahrscheinlich nicht. Dass sie die Kellner nicht schlägt, ist alles, aber ich vermute, das würde sie auch gerne tun. Ich weiß nicht, ob das Weib eine Ex-Sekretärin ist, die sich klug in’s richtige Bett gelegt hat, oder eine Dame selber von Stand und Adel mit eigenem Vermögen, die ihresgleichen geehelicht hat, oder eine super-toughe Business-Frau, die sich hart eigenen Reichtum erarbeitet hat, oder vielleicht eine Ex-Nutte, aber das ist auch vollkommen egal. So geht man nicht mit anderen Menschen um, egal ob Maurer oder Multi-Milliardär. Bei einem Voll-Proll ohne jede Kinderstube fände man ja vielleicht noch ein klein wenig Entschuldigung, aber nein, das Minimum an Anstand, Respekt und Achtung vor dem anderen muss generell gewahrt sein. Und das Benehmen dieses Weibsstücks ist einfach eine Schande, und das nicht nur für den deutschen Adel.

 

P.S.: Vor ein paar Jahren saß ich – hier kann ich Ross und Reiter ja ruhig nennen – im Taschenberg Palais in Dresden ein paar Morgen beim Frühstück neben dem Ehepaar von Pierer, er ehemaliger Siemens-VV, vor dem ich in einem anderen Leben ein paarmal als Berater mit vortanzen durfte. Das diametrale Benehmen dieser Herrschaften ist wahrlich ein Kontrapunkt zum oben geschilderten: , kein Satz zum Kellner, der nicht mit ‚Bitte‘ oder ‚Danke‘ abgeschlossen worden wäre. Folgende Begebenheit fasst es vielleicht am besten zusammen: beim Abräumen fiel dem Kellner eine Leinen-Serviette vom Tablett. Noch bevor er sich bücken konnte war Frau von Pierer schon nach unten gegangen, hatte die Serviette aufgehoben und legte sie lächelnd und sorgfältig zurück auf sein Tablett. Ich kann nur sagen: so geht echter Adel.

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