Marginalie 54: So wird das hier gemacht

Der Rezeptionist des alteingesessenen Fünf-Sterne-Schuppens hat mir, nachdem ich die Rechnung beglichen habe, ein Taxi gerufen, der Page trägt meine Tasche vom Zimmer vor das Haus, keine Minute später fährt das Taxi schon vor, irgendein asiatisches Fabrikat, offensichtlich ein offizielles, konzessioniertes Taxi mit Schild auf dem Dach und Lizenz am Armaturenbrett, sogar halbwegs sauber und in Schuss, ein stämmiger Mann steigt aus, öffnet den Kofferraum, der Page wuchtet meine Tasche hinein, diskret lasse ich 3 EURO in seine Hand gleiten, er bedankt sich höflich, ich steige in den Fond des Wagens, radebreche eine Adresse auf Italienisch, „Ah, la stazione di Avis in fondo al porto!“ antwortet der Taxifahrer, ich vermute, dass wir beide ein gemeinsames Verständnis haben, dass ich zur örtlichen Avis-Autovermietung am Hafen will, der Taxifahrer fährt, ohne einen Taxameter einzuschalten, ich sehe noch nicht mal einen in dem Taxi, zügig, fluchend, hupend, schimpfend, nicht immer vollends gesetzestreu, aber tatsächlich relativ flott, angesichts des allgemeinen Verkehrschaos, durch enge Gassen der Altstadt und des Hafenviertels, einen zu kecken Mofafahrer touchiert er gekonnt mit seinem Seitenspiegel, keine 10 Minuten später stehen wir in zweiter Reihe vor der Avis-Station, der Taxifahrer ignoriert das Hupkonzert hinter uns vollständig, steigt aus, fast wäre ein anderer kecker Mofa- oder Moped-Fahrer in seine vollkommen rücksichtslos geöffnete Fahrertür gekracht, wenn er nicht mit einem waghalsigen Schlenker nach links in den fließenden Verkehr ausgewichen wäre, der Taxifahrer ruft ihm offenbar wüste Flüche nach (wie kann der Kerl auch mit seinem knatternden Zweirad da lang fahren, wenn ein Sizilianischer Taxifahrer seine Tür öffnen will, zefix!), geht um seinen Wagen, öffnet die Kofferraum-Klappe, wuchtet meine quietsche-gelbe Samsonite Paradiver light Reisetasche auf den Bürgersteig und sagt „Twentyfive“ zu mir, ich vermute, der geforderte Droschkerlohn für 10 Minuten fluchend durch die Altstadt kutschieren, was mir recht viel erscheint, angesichts der Tatsache, dass die Taxameter-abgerechnete eine Stunde Fahrt vom örtlichen Flughafen in die Innenstadt samt kilometer-fressender Autobahn ein paar Tage zuvor gerade mal 60 EURO kostete, aber der sizilianische Droschkenkutscher sieht nicht so aus, als wäre er bereit, über die Angemessenheit seiner Forderung mit mir zu diskutieren, ganz zu schweigen davon, dass meine Italienisch-Kenntnisse solch einer Diskussion niemals gewachsen wären, also, auch um einen Schlag in die Fresse – meine Fresse – zu vermeiden, so wird das hier wohl gemacht, drücke ich ihm lustlos einen Zwanziger und einen Fünfer in die Hand, Trinkgeld gibt’s zur Strafe keines, der Taxifahrer steckt die Scheine dankeslos in seine Hosentasche, aber jetzt will ich’s wissen und verlange keck eine Quittung, „Una ricevuta per favore“ radebreche ich, der Taxifahrer knurrt, kramt dann bei geöffneter Fahrertür mitten in den eher minder als mehr fließenden Verkehr in seinem Wagen, findet einen dieser quadratischen Notizzettel, wie sie in dicken Blöcken in Supermärkten verkauft werden, vollkommen weiß und unbedruckt, schreibt die Zahl 25 darauf, macht einen Kringel darunter und drückt mir den Zettel wortlos und recht grimmig dreinschauend in die Hand, steigt in seinen Wagen und verschwindet im endlosen Fluss des Verkehrs in Palermo auf Nimmerwiedersehen, während ich mit meiner quietsche-gelben Reisetasche und einem Zettel mit der Zahl 25 und einem Kringel darunter vor der Avis-Station zurück bleibe. Nun gut, dies ist ohnehin eine Privatreise, und es gibt keine Stelle und kein Amt, wo ich diesen Zettel mit der Zahl 25 und einem Kringel darunter als Beleg einreichen könnte, aber ich möchte zu gern das Gesicht eines deutschen Finanzbeamten sehen, wenn ich diesen Zettel mit der Zahl 25 und einem Kringel darunter als Nachweis einer steuermindernden betriebsbedingten Ausgabe einreichen würde. Wahrscheinlich würde mich der deutsche Finanzbeamte den Zettel mit der Zahl 25 und einem Kringel darunter schlucken lassen, und danach das komplette HGB.

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