Maaschanz Frankfurt: Ruppiges Frankreich am Main

Summa summarum: Ein echtes Stück Frankreich im verrotteten Frankfurt mit bodenständiger, authentischer, unverfeinerter, guter französischer Land-Küche zu fairen Preisen, einem kauzigen bis zuweilen ruppigen Patron, stark schwankender Servicequalität, einer netten Auswahl von landestypischen, wohlfeilen Alkoholika in einem nicht zu lobenden, nicht zu tadelnden Ambiente.

Eigentlich hatte ich mir ein zentrales Fünf-Sterne-Hotel in Bahnhofsnähe in Frankfurt genommen, um abends nach dem Meeting einfach im Hotelrestaurant noch was zu essen, einen Absacker an der Hotelbar zu nehmen und früh zu Bett zu gehen, alldieweil ich am nächsten morgen früh weiter musste. Das örtliche Le Méridien entpuppte sich dabei als absolute Katastrophe, ungemütlich, schlechter Service, Corona-Not-Speisekarte mit miesem Futter aus dem Einweckglas, noch dazu mitten in einer no go area gelegen, in der man nicht ohne Bodyguard unterwegs sein möchte. Also irgendwo anders in die Stadt, in eine halbwegs sichere Gegend, zum Essen fahren. Auf etepetete Sterne-Gedöns mit viel Pi, Pa und Po hatte ich ebenso wenig Lust wie auf trunkene schunkelnde Touristen bei fetten Würsten in Apfelwein-Seligkeit. Mit Caro war ich schon ein paarmal im Maaschanz, zwar in Sachsenhausen mitten in der Touristen-Meile gelegen, aber Sterne-, Apfelwein- und weitgehend Touristen-frei, mit einer sehr bodenständigen, fast schon rustikalen, aber ordentlichen französischen Land-Bistro Küche. Solch ein Lokal würde man in Brest vermuten, oder in Nancy, aber nicht in Frankfurt (und auch nicht in Paris).

Die Einrichtung des relativ kleinen Lokals mit vielleicht einem Dutzend Tischen ist eine Mischung aus deutscher rustikaler Gaststube und filigranerem, aber nicht unbedingt feinerem französischen Bistro, halbhoch holzvertäfelte Wände (die verfolgen mich tatsächlich, diese halbhoch holzvertäfelten Wände), massive Holzmöbel, weißes Leinen, Kerzen, Blumenschmuck, an den Wänden Bilder von offensichtlich wechselnden Künstlern, Flaschen, Kupfertöpfe, sonstiger Zierrat, ein Klavier, Beleuchtungstechnik an der Decke, hier geht zuweilen auch der Punk ab, eine ziemlich zugestellte Theke, eher schummrig-gelbliches Licht, des Sommers vor dem Haus ein hübscher Freisitz im Schatten der benachbarten Dreikönigskirche, zwar am stark befahrenen Sachsenhäuser Ufer, aber mit Blick über den Main auf das Skylinechen dieser verrotteten Stadt – das passt schon alles irgendwie. Die Touristenmassen in Sachsenhausen lechzen nach Äbbelwoi, also bleibt das Maschaanz von ihnen weitgehend verschont, für Spesenritter und Steuerhinterzieher ist das Lokal zu wohlfeil, wenn schon, denn schon, die gehen ihrem verbrecherischem Treiben in teureren Etablissements nach. Im Maaschanz verkehren wohlhabendere Einheimische, wenn ich mich so umblicke, schätze ich mal, der Herr Abteilungsleiter mit Gattin und zwei pubertierenden, wohlgeratenen Söhnen bei Mamas Geburtstagsessen, die Fabrikantenwitwe mit Schwester oder Freundin und missratenem Sohn bei der Planung des Menues für die Familienfeier, der Herr Richter, der beim Aktenstudium nebenher rasch ein paar Froschschenkelchen knabbert und dazu mehr Armagnac als Rotwein süffelt, möge es ihn milde stimmen, solche Leute halt. Es geht gediegen-leger zu, der füllige, gesprächige, gastfreundliche, launische Wirt mit Moustache Bruno Jean Jacques Lauffenburger, den seine Stammgäste nur Bruno nennen, erinnert ein wenig an die diversen gallischen Wirte aus Asterix und Obelix.

Und gallisch gibt sich auch die Speisekarte: Austern, Pasteten, tatsächlich Froschschenkel, Schnecken Fischsuppe mit Rouille vorweg, diverse Salate und Flammenkuchen, Quiche, veganes Couscous mit Gemüsen, Tatar, Moules Frites, Entrecôte mit Béarnaise, Adlerfisch mit Kartoffelbrandade, Pipperade mit Ei, zum Schluss Tarte des Tages, Crêpes oder Käse … auch das könnte so in Brest oder Nancy auf der Speisekarte stehen. Dazu die Weinkarte macht Freude, es gibt Taittinger für schlappe 80 EURO (in anderen Etablissements zahlt man gerne mal das Doppelte oder Dreifache für einen Taittinger, auch ohne dass die Bedienungen leicht bekleidet sind), ein paar offene Franzosen für 5 bis 6 EURO das 0,2er Glas, und Boutillen aus den wichtigsten Französischen Anbau-Regionen, beginnend bei 25 EURO,  für 30, 40 EURO bekommt man hier sehr passable Alltagsweine, nur ein paar Raritäten, die nicht auf der Karte stehen und die man beim Patron erfragen kann, sprengen mal die Hundert-EURO-Marke.

Als ich zuerst Schnecken und danach die Foie Gras bestelle, herrscht mich Bruno an (er wendet nicht ein, er gibt nicht zu bedenken, er rät nicht freundlich … er herrscht mich an), das ginge so nicht, der starke Knoblauchgeschmack der Schnecken werde mir den Genuss der feinen Entenstopfleber unmöglich machen; als ich auf dieser Speisefolge bestehe, ist er beleidigt, murmelt irgendwas in seinen Bart und trollt sich, ohne meine restliche Bestellung aufzunehmen, quasi zur Strafe, nehme ich an. Das ist halt das immer wiederkehrende Probleme des Maaschanz, viele Gäste berichten von unfreundlicher, schlechter, lahmer, gar beleidigender Bedienung, falschen Bestellungen, kaltem Essen, unkorrekten, unleserlichen, gar überhöhten Rechnungen, viele gehen genau deshalb nicht mehr dorthin. Nun ja, als Speerspitze einer Charme-Offensive würde ich Bruno Lauffenburger gewiss nicht engagieren. Andererseits, ich will ja nicht mit dem Patron kuscheln, sondern gut essen. Leitungswasser zur Boutille 2016er Cahors aus 85% Malbec und 15% Merlot mit wunderbar weichen Tanninen vom Chateau Pineraie der Familie Burc wird ohne Murren und Knurren serviert (und erscheint dann auch nicht auf der Rechnung), das ist doch schon mal was. Es gibt zwar kein Amuse-Bouche, aber das Schälchen mit schwarzen Oliven ist vom Feinsten, richtig gute provenzalische Oliven. Die Schnecken sind groß, fleischig, heiß, zart und schwimmen nicht in Kräuterbutter, sondern tatsächlich in einem grünlichen, höllisch knofeligen, aber nicht bitteren Knoblauchbrei, heftig, nicht jedermanns Sache, aber lecker, um Vampire brauche ich mir die nächsten Tage keine Gedanken zu machen,  um mein Liebesleben wahrscheinlich auch nicht. Das Baguette dazu könnte glatt als echt Französisch durchgehen. Ein wohlfeiler 41 Jahre alter Armagnac Hors d’Âge Dupeyron spült mir die Papillen dann wieder halbwegs sauber. Die Foie Gras ist im Gegensatz zu früher viel kompakter, fester, besser geputzt, geschmacklich deutlicher gewürzt, ohne das unangenehme pelzige Gefühl auf der Zunge zu lassen, insgesamt sehr gut, die könnte in jedem Sterne-Lokal reüssieren, das Weingelee dazu belanglos, die Scheibe Brioche (früher gab’s hier eine Art Brioche-Muffin dazu, heute mutet’s mehr wie eine Scheibe trockener Rührkuchen an) mit sehr viel Potential nach oben. Das Basilikum-Minz-Sorbet mit ein paar frischen Früchten ist dann nicht wirklich der Brüller, außerdem als Zwischengang viel zu groß portioniert. Dann das Entrecôte ist tadellos, gutes Fleisch, zart, rosa gebraten, weitgehend Fett- und Sehnen-frei, die Béarnaise ist frisch aufgeschlagen, die Pommes wahrscheinlich etwas dunkler, als die EU uns noch erlaubt, dafür aber knusprig-lecker aus gutem Frittierfett, die paar Gemüsebröckchen frisch , selbst tourniert, knackig blanchiert und dann wohl kurz nochmal erwärmt. Und obwohl es nicht auf der Speisekarte steht, lässt mir Bruno – er hat sich wohl wieder beruhigt – eine leckere Portion Crêpe Suzettes machen, mit allem, was dazu gehört, sogar mit Orangen-Filets und –Zesten, nur leider nicht feierlich am Tisch zelebriert. Und von langsamer Bedienung habe ich zumindest an diesem Tag nichts bemerkt, das ging alles flott und meist sogar freundlich, die Rechnung stimmte auf den Heller.


Restaurant Maaschanz
MHB Maaschanz GmbH
Geschäftsführung: Bruno Lauffenburger
Färberstraße 75
D-60594 Frankfurt am Main
Tel.: +49 (0) 69 622 886
Fax: +49 (0) 69 400 32 324
E-Mail: reservierung@maaschanz.de
Online: www.maaschanz.de

Hauptgerichte von 10,50 € (Pipperade mit pochiertem Ei) bis 28,50 € (Adlerfischfilet auf Kartoffelbrandade), Drei-Gänge-Menue von 27 € bis 40,50 €

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5 Comments

  1. Petra S.

    Herrn Opl kann ich hier nicht ganz zustimmen. Ich war schon so oft im Maaschanz, in wechselnder Besetzung, auch zur Weihnachtsfeier mit Kollegen. Das Essen war immer vorzüglich mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis und sehr guter Weinauswahl. Die Bedienung habe ich stets als freundlich und flott empfunden. Bruno ist etwas eigen, man muss ihn eben zu nehmen wissen aber das macht gerade seinen Charme aus. Schön sind auch die monatlich wechselnden regionalen Gerichte. Das Maaschanz ist für mich immer ein Kurztripp nach Frankreich.
    Nebenbei bemerkt finde ich es ziemlich arrogant Frankfurt als „verrottete Stadt“ zu bezeichnen.

  2. Jens Meyer

    wer leckere französische Küche genießen will ist hier genau richtig; das ist noch echtes Handwerk aus der Küche und vor allem frisch!
    super Qualität zum kleinen Preis und die Weine sind toll und am liebsten lasse ich mich von Bruno beraten … gut, manchmal kommen seine Eigenheiten deutlich zum Vorschein … aber ich kann ihm nicht böse sein; er hat uns schon so oft verwöhnt … IMMER gerne wieder

  3. Jan Ackermann

    Nachdem ich unlängst qua Zufall diesen Blog über obrigen Artikel entdeckte, will ich an dieser Stelle auch nochmal meinen Hut in den Ring werfen, um eine Lanze für das Bhfsvrtl zu brechen und dem Betreiber trotz der derzeit herrschenden, bereits genannten ethnischen wie auch ästhetischen Bereicherung durch Rotationseuropäer u.a. etwa folgende Adressen anzuempfehlen:
    Einmal (ggf. als zukünftige bahnhofsnahe Absteige) das nicht uncharmante Boutique Hotel Neckarvillen (AMERON Collection) nebst dem hauseigenen Ableger des hauptstädtischen Bistro Petit Royale (Utah Beach Austern, Steak Tatar wahlweise mit italienischem Zuchtkaviar u.a.). In unmittelbarer Nachbarschaft zudem die Mercedes Reyes Bar eine familiengeführte Konzeptbar im Kollonialstil mit Zigarrenmanufaktur(!). Vor unliebsamer Laufkundschaft verbiergt sich dieses Kleinod im 1.Stock eines Geschäftshauses.

    • Lieber Jan Ackermann,
      vielen Dank für Ihren konstruktiven Kommentar. Eines ist mir bei allen drei Kommentaren von Frankfurtern zu meinem Beitrag – der ja nun nicht wirklich freundlich mit Frankfurt umgeht – aufgefallen: die Kommentare sind nicht in dem oft zynisch-beleidigt-beleidigenden Ton abgefasst à la „… erdreistet sich der Schreiberling, der offensichtlich keinerlei Ahnung hat …“, sondern alle drei Kommentare sind konstruktiv zum einen, und sie brechen eine Lanze für die Heimatstadt, deren Probleme man dennoch durchaus nicht unter den Tisch kehrt.
      Ich glaube, ich darf sagen, dass ich Frankfurt halbwegs kenne: als Berater habe ich fast ein Jahr lang für einen Frankfurter Baukonzern gearbeitet, ein halbes Jahr für ein örtliches Medienunternehmen, die Buchmesse – heute nur noch Schatten ihrer selbst – habe ich jahrzehntelang besucht. Damals wohnte ich meist im – nun leider geschlossenen – Hessischen Hof oder im Frankfurter Hof, gerne auch mal in der Villa Kennedy, zuweilen musste ich in’s Westin Grand oder in’s Interconti ausweichen, das war leiden auf hohem Niveau. Damals hatte das Bahnhofs-Viertel noch eine gewisse verruchte Schmuddeligkeit, was durchaus einen gewissen Reiz hatte (ungeachtet von Drogendealern, -abhängigen und wahrscheinlich auch Zwangsprostitution, von denen der Reisende aber nichts mitbekam, sofern er kein Hurenbock war), vergleichbar mit der Reeperbahn in den siebziger und achtziger Jahren, bevor sie zur Party- und Touristen-Meile verkam. Eines Nachts kam ich damals mit meinem Köfferchen aus dem Japan Center, winkte mir ein Taxi heran und ließ mich zum Hauptbahnhof fahren; ich entschuldigte mich beim Fahrer für die kurze Strecke, aber mir sei in meinem Business-Zwirn um diese Zeit zu Fuß nicht recht wohl im Bahnhofsviertel; der Fahrer entgegnete fröhlich-freundlich, ich brauche mir da überhaupt keine Sorgen zu machen, Raub und Mord seien schlecht für’s Geschäft und brächten nur Polizei, Absperrungen, Durchsuchungen, Personalienfeststellungen und Razzien in’s Viertel, daher achteten schon die Luden und Dealer darauf, dass so etwas nicht passiere, ich sei hier sicher wie in Abrahams Schoß. Das war in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Heute empfinde ich das Frankfurter Bahnhofsviertel nur noch als abstoßend und angsteinflößend. Sicherlich mag es schönere und friedlichere Viertel in Frankfurt geben, das meiste Business findet nun mal um das Bankenviertel und die Messe statt, und als Geschäftsreisender schätzt man kurze Wege.
      Wie dem auch sei, wenn ich wieder mal in Frankfurt bin, werde ich Ihre Tipps gerne beherzigen und in die beiden empfohlenen Etablissements aufsuchen. Vielen Dank dafür. Haben Sie vielleicht auch noch einen Geheim-Tipp für ein richtig gutes, traditionelles deutsches/hessisches Lokal ohne Touristenhorden mit einheimischer Küche für mich?
      Stets der Ihre
      Eberhard Opl

  4. Sascha Opalka

    Wenn ich aus Bayern Richtung Norddeutschland fahre (eigentlich über Fulda/A7), dann nehme ich einen Umweg von mehr als 100 Kilometern (und ca. zwei Stunden) in Kauf, um in Frankfurt im „Maaschanz“ zu essen.
    Ich denke, das sagt eigentlich alles!

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