„Wir brauchen einen vorsichtigen Umgang mit Fischen und ihrem Lebensraum.“ lautet der erste Satz des neuen Kochbuches aus dem Red Bull Media House, „Der Fischer und der Koch“. Dabei ist ‚Kochbuch‘ der falsche Ausdruck, es braucht 108 Seiten, bis das erste Rezept erscheint. Zuvor und zwischen durch erfährt der Leser viel, sehr viel über österreichische Fischgewässer, Fischarten, Fangmethoden, Traditionen, Grundlagen der Fischküche und vor allem über den verantwortungs- und respektvollen Umgang mit diesen Ressourcen. Und über Menschen, Fischer, die sie passioniert und klug bewirtschaften. Das Konzept erinnert sehr stark an das Buch „Der Jaga und der Koch“, das 2020 ebenfalls in dem Red Bull-Verlag erschienen ist, allerdings von einem ganz anderen Team gemacht wurde.
Wenngleich Lukas Nagl – mit gerade Mal 36 Jahren frisch vom Gault Millau zum Österreichischen Koch des Jahres 2023 gekrönt –, seit 13 Jahren Chefkoch des Traunsee-Hotels und seines Restaurants Bootshaus, alleine als Autor auf dem Einband des – wieder einmal fulminant gestalteten – Buches prangt, stammen die eigentlichen Texte von Tobias Müller, der schon im „Sautanz“ mit Max Stiegl gekoautort hat. Die Food-Photographie haben Helge und Patrick Kirchberger („Weltköche zu Gast im Ikarus“) in bekannt puristisch-brillanter Qualität, bei der allein das Gericht im Zentrum steht und kein Schnick-Schnack, übernommen, für die Reportage-Aufnahmen zeichnet Georg Kukuvec verantwortlich, da sind wunderschöne Landschafts- und Gewässer-Aufnahmen dabei, aber auch ziemlich direkte, fast schon brutale, keinesfalls romantisierende Bilder vom – letztendlich doch blutigen – Handwerk des Fischers.
Zu einem Teil taug das Buch fast als Standard-Lehrwerk der heimischen Ichthyologie, gleichwohl gefällig und verständlich geschrieben. Es folgt ein Kapitel über den richtigen Umgang mit Fisch, ausnehmen, schuppen, entgräten, filetieren, konservieren, prinzipielle Zubereitungsarten, den Unterschied zwischen Sashimi und Ceviche usw. Erst dann kommt der eigentliche, ausführliche Rezeptteil, wieder beginnend mit Basics wie Gewürzmischungen, Beizen, Fonds, Marinaden, Saucen usw. Was dann an Rezepten folgt, ist weit entfernt von dem sonst oft üblichen Wiederkäuen der Standard-Rezepte und dem persiflierten Abschreiben von Kollegen. Hier ist wirklich ein kreativer, innovativer Kopf am Werke, Fisch-Bolognese, Weißfisch-Kebab, Karpfenleberkäse, Saiblingsauflauf, Reinanken-Saltimbocca, … Daneben gibt es – sagen wir mal – ungewöhnlichere Rezepte wie flambierten Zanderkopf, Hechtleber, frittierte Fischhaut, Fischlebersauce, Hechtkutteln. Wie sein Kollege Stiegl scheint auch Nagl der nose-to-tail – hier besser von der snout to the tail fin – Fraktion anzugehören, auch das sehr löblich. Die Rezepte sind locker, klar, auch für de Laien nachkochbar geschrieben, die besagten Photos der Kirchbergers tuen das ihre dazu, eine Idee vom fertigen Teller – und Appetit – zu bekommen.
Wirklich angenehm ist bei Lesen des Buches – dieses Kochbuch sollte man tatsächliche lesen und nicht nur auf der Suche nach kulinarischen Anregungen überfliegen –, dass weder Lukas Nagl noch Das Traunsee in product-placement-schreierischer Weise in den Vordergrund gerückt werden, die Photos von Nagl sind sparsam, das Hotel erschein gar nicht. Hier geht es um heimischen Fisch, nicht um flaches Marketing. Das allerdings macht das Buch marketing-technisch ungleich attraktiver-interessanter: nachdem die üblichen plakativen Lobhudeleien und Selbstdarstellungen – die man von so vielen Fernseh-Tingel-Tangel-Köchen in ihren im Accord erscheinenden Kochbüchern – ausgeblieben sind, ist man umso neugieriger auf Koch und Hotel. Um ehrlich zu sein: Anfang Juni fahr‘ ich mit Caro hin.
Summa summarum: mal wieder ein bibliophiles und kulinarisches Schätzchen vom Brause-Multi.
„Der Fischer und der Koch: Die neue heimische Fischküche.“ Von Lukas Nagl und Tobias Müller; Photographie von Helge und Patrick Kirchberger und von Georg Kukuvec; Wals bei Salzburg 2023; Herausgeber: Servus Verlag bei Benevento Publishing, Red Bull Media House GmbH; ISBN-10: 3710403367, ISBN-13: 978-3710403361; gebundene Ausgabe 336 Seiten; 48 EURO
Bilder: ©Helge und Patrick Kirchberger und ©Georg Kukuvec