Früher einmal, im letzten Jahrtausend, war man regelrecht begeistert, wenn man irgendwo auf Reisen einen lokalen, vor Ort hergestellten Gin finden und probieren konnte, als willkommene Abwechslung zu den allgegenwärtigen, fast schon monopolistischen Gordons, Bombays, Beefeater und Tanquaery. Das hat sich durch den andauernden weltweiten neuen gin craze gründlich geändert, heute gibt es wahrscheinlich – zumindest in Europa –keinen Flecken mehr, der nicht seinen eigenen lokalen Gin hätte. Einerseits ist diese regionale Vielfalt und handwerkliche Produktion in kleinen Manufakturen natürlich etwas Herrliches, sozusagen der gelebte Gegenentwurf zu Globalisierung, Industrialisierung und Raubtierkapitalismus im Glas; andererseits – auch das muss man eingestehen – ist es nicht jedem auf dem Dorfe gegeben, guten Gin zu produzieren. Fred J. Moore III etwa, dessen Familie in der fünften Generation in der Humboldt County lebt – das heißt, die Moores müssen in etwa zur Zeit des Genozids an den indigenen Ureinwohner, den Wiyot, ins Land gekommen sein –beschloss 2011, nun regionalen Schnaps zu produzieren und gründete die Humboldt Craft Spirits in Eureka, Humboldt County, California. Als erstes brannte man aus heimischer Gerste Schnaps, genau genommen vierfach destillierten und durch Holzkohle gefilterten vierzig-prozentigen Vodka, den nennen sie hier Blue Lake Vodka, und der ist wirklich nicht schlecht, wahrlich ein nahezu ungetrübtes Wässerchen, das man stillschweigend einfach so nebenbei wegsüffeln oder als heimtückischen Kick unbemerkt in Mixgetränken für junge Damen verstecken kann. Zu diesem Vodka gibt man bei der Humboldts Craft Spirit dann noch norditalienischen Wachholder, marokkanischen Koriander und Iriswurzel, kalifornische Zitrusschale, chinesisches Süßholz und indonesischen schwarzen Pfeffer, mazeriert das Ganze heiß, destilliert ein fünftes Mal und nennt das Ergebnis dann Gin, genau genommen Little River Gin mit 47 Prozent. Zum, London Dry reicht es dann doch nicht, die Macher sprechend beschönigend von „a light sweetness and warm, gentle finish that gin drinkers appreciate“. Ich würde ja sagen, ziemlich süß für einen Gin, der auf Basis eines recht guten Vodkas gebrannt wurde, und ich würde eine deutliche Nachzuckerung vermuten. Die Wachholder-Noten kommen ebenfalls sehr verhalten, keinesfalls dominant oder auch nur deutlich, geruchlich dominieren Zitrus-Noten, vorne schmeckt man Zitrus und Koriander, im Abgang dann den Pfeffer und Zucker, dazwischen irgendwie Leere, und Nachklang verbleibt auch kein nennenswerter im Maule, ab hinter die Binde und tschüß. Hier offenbart sich keine großartige Aromenkombination und auch kein nachhaltiges oder gar exzeptionelles Geschmackserlebnis, das ist ein flacher Allerwelts-Gins, ein typischer „Nett-das-wir-darüber-gesprochen-haben.“, der sicherlich bei unbedarfteren Gin-Novizen und unkritischen Alkoholkranken reichlich Zuspruch finden dürfte, er ist unkompliziert, sanft, knallt mit 47% ordentlich in die Birne und ist mit rd. 40 EURO pro Liter eher im unteren mittleren Preissegment.