Kulinarische Diaspora: Rheinfelden

Eigentlich versuche ich ja, mich zurückzuhalten mit meiner Krittelei, wenn ich in einem fremden Lande zu Gast bin, aber nachdem mir selbst meine einheimischen Gesprächspartner und sogar die Taxifahrer betätigt haben, dass es keinerlei guten Restaurants in Rheinfelden gebe, dass man, um gut zu essen, entweder tiefer in die Schweiz oder hoch in den Schwarzwald fahren müsse, schreibe auch ich hier meine Meinung, dass es keinerlei guten Restaurants in Rheinfelden gibt. Die drei „ersten Häuser am Platze“, die Hotels Schützen, Eden und Schiff (erstere beide in hübschen Parks gelegen, letzteres fast schon spektakulär direkt am Rhein) gehören allesamt Nachfahren der ehemaligen Schweizer Tabak-Dynastie Wuhrmann, die in den Immobilien – eine ganz eine kuriose Mischung – Kliniken (darunter eine bekannte Bourn-Out-Klinik), Seminarhotels und normalen Hotelbetrieb unter einem Dach vereinen. Kulinarisch wird hier in allen Dreien internationale Hotelküchen-Tristesse geboten. Im Eden dilettiert man mit Sashimi Thunfisch (ein Gericht aus der Japanischen Küche) und Original Bami Goreng (aus Indonesien, aber was soll’s, sind doch eh alles dieselben gelben Schlitzis); im Schiff konzentriert man sich – klar, so nah am Wasser gelegen – auf die heimische Fischküche mit Zander und Lachs, und hier kann man eine Hummersuppe kochen, ohne ansonsten überhaupt Hummer auf der Karte zu haben, die Hummer für solcherlei Suppen leben erfahrungsgemäß in Dosen; der Schützen schließlich glänzt mit Flammkuchen und Burgern, klassische Schweizer Hochküche halt.

Alle anderen Restaurants der Stadt scheinen sich in den Händen ausländischer kulinarischer Okkupanten zu befinden, allen voran Pizza-backenden Italienern und Döner-schabenden Muselmanen. Selbst das innerstädtische Brauerei-Restaurant der örtlichen Feldschlösschen-Brauerei – immerhin größter Getränkehersteller der Schweiz, seit 2000 aber von dem Dänischen Bier-Multi Carlsberg geschluckt – mit seiner genialen Lage direkt am Rhein, der schönen Terrasse über dem Fluss und dem Gastsaal mit der wunderschönen Jugendstil-Glasdecke ist in libanesische Hände gefallen und bietet heute Rösti, Schnitzel, Falafel, Pizza und Pasta. Nicht, dass ich falsch verstanden werde, ich habe weder etwas gegen Libanesen noch gegen Falafel, aber ich traue niemandem zu, Rösti, Schnitzel, Falaffel, Pizza und Pasta gleichzeitig in guter Qualität anzubieten. Im altehrwürdigen Löwen kochen und braten Elisabeth und Toni Nokaj Cevapcici, Pizza’s (das ist der Apostroph-Plural von Pizza auf Rheinfeldnerisch), Röstivariationen, Kalbsbratwurst, Pangasius-Filet (gewiss fangfrisch), Cordon-bleu-Spezialitäten und ähnliches; die Bauer Rösti habe ich probiert, und ohne Not würde ich kein weiteres Gericht alldorten kosten wollen. Im Ochsen mit seiner tollen Terrasse über dem wahrlich tosenden Magdener Bach konnte man ganz früher mal gut essen, ein Spanischer Pächter versetzte dem Lokal den Todesstoß, heute ist eine Mutter-Kind-Einrichtung in dem schönen alten Wirtshaus untergebracht. Diese Liste kulinarischer Fragwürdigkeiten ließe sich quer durch die Stadt fortsetzen, aber lassen wir das, Lichtblick konnte ich keinen einzigen finden, und meine einheimischen Gesprächspartner bestätigten mich da uneingeschränkt in dieser Einschätzung, kein einziger versuchte eine kulinarische Ehrenrettung seiner Heimatstadt.

Da erscheint die Brauereigaststätte auf dem Brauereigelände besagter Feldschlösschen-Brauerei etwas außerhalb von der Papierform her schon als der Einäugige unter den Blinden. Burger, Premium-Steaks, Spareribs, Schweinshaxen, Salate, Tatar, das alles klingt weder authentisch schweizerisch noch nach Hochküche, sondern nach Main-Stream-Allerwelts-Futter, aber das kann in einer Brauerei aber durchaus gut sein, falls es gut ist. Um dies vorwegzunehmen: es ist alles andere als gut. Nach 15 Taxi-Franken ist man erst einmal durchaus beeindruckt von dem unverschandelten, nach wie vor in Betrieb befindlichen, großflächigen Ziegel-Jahrhundertwende-Industrie-Architektur-Ensemble samt Schornstein der Feldschlösschen Brauerei, das sich einem hier bietet. Das Brauerei-Restaurant ist angesiedelt in einem recht kleinen Seitengebäude neben den eigentlichen Fabrikgebäuden und muss in den letzten Jahren in diesem „Ich bastle mir ein rustikales Brauerei-Restaurant aus der Retorte – Stil“ eingerichtet worden sein, der von Watzkes Ballhaus in Dresden bis zum Mettlacher Abteibräu, von der Kieler Brauerei bis zum Flötziger Bräustüberl in Rosenheim von architektonischen Einheits-Dumpfbacken verbrochen wird; außer ein paar lokalen Brauerei-Devotionalien und –Bildchen ist hier nichts „typisch“ für Feldschlösschen, Rheinfelden oder auch nur die Schweiz, alles ist beliebig-austauschbar. Dennoch brummt der Laden, an den Nachbartischen wird offensichtlich eine kleine Hochzeit gefeiert, dazu Familien, Gruppen junger Leute, Pärchen, einige best-ager, alles vertreten, wohl fast ausschließlich Einheimische (klar, wer sonst sollte sich hierher an den Stadtrand verirren). Das Personal jung, flott, kompetent, aufmerksam, freundlich, auch zu einem Scherzchen oder Pläuschchen aufgelegt; „meine“ Bedienung bringt mein Weltbild mal wieder in’s Wanken, schon die sichtbaren Partien ihrer Haut sind grell tätowiert, dazu alles an billigem Silbertand in die Fresse (ich weiß nicht, wo sonst noch) getackert, was der Legierungs-Discounter hergab (bevor jemand fragt, nein, ich mag weder Tatoos noch Piercings), so müssen weiland Sklavinnen von ihren grausamen Herren und Besitzern gezeichnet worden sein, denke ich mir, und überlege, wer wohl der Herr und Besitzer dieser Dame sein mag, der sie so grausam gezeichnet hat, denn dass jemand sich freiwillig und eigenständig so entstellen lassen könnte, vermag ich mir einfach nicht vorzustellen, und doch ist nämliche Dame freundlich, kompetent und flott. Aber von so einer lasse ich mir doch mein Weltbild nicht kaputt machen. Aber ich schweife ab. Es gibt viele Biere, viele Feldschlösschen-Biere vom Fass, dazu Flaschen und Dosen von Feldschlösschen und auch ganz exotische Biere wie Scheider Weiße oder Brooklyn East India Pale Ale. Zu jeder Speise in der Karte wird ein passendes Bier empfohlen, ein passender Schnaps wäre gewiss passender, zum Herunterspülen kulinarischer Tauerspiele und einfach ganz traditionell zum Vergessen. Tatare: breiiges Fleisch aus dem Cutter (niemals Messer oder Wolf), breiige Gurke aus dem Cutter, breiige Kapern aus dem Cutter, wenige Schalotten nicht aus dem Cutter, Streifen von Rettich ohne Gebrauchsanweisung, Streifen von Paprika ohne Gebrauchsanweisung, allerlei Grünzeugs, echt guter Toast. Zitronengrassuppe mit Crevette: penetrant nach Badezusatz schmeckende milchige Flüssigkeit mit kurz erwärmtem Zucht-Meeres-Würmchen auf einem Spießchen darüber. Rinderfilet: alles andere als medium-rare gegrillte tote Kuh mit Convenience-Beilagen. „Spareribs royal aus dem hauseigenen Smoker, mehrere Stunden bei niedrigen Temperaturen von maximal 100° C in feinstem Buchenrauch gegart“: dicke Schweinerippen, fettdurchzogenes, fasriges Fleisch, zum Teil rosa, zum Teil grau (richtig graues Fleisch!), penetrant süßlich-rauchiger Geschmack einer räudigen BBQ-Sauce, belangloser Cole Slaw in einem Einweckglas (wie chic!).

Essen in Rheinfelden? Meine Empfehlung: wo anders!

Feldschlösschen Restaurant
Feldschlösschenstrasse 32
CH – 4310 Rheinfelden
Tel.: +41 (61) 8 33 99 99
Email: info@feldschloesschen-restaurant.ch
Online: www.feldschloesschen-restaurant.ch

Hauptgerichte von 21,50 CHF (Gratinierte Chässpätzli) bis 59,50 CHF (Hohrückensteak), 3 Gänge-Menue von 39,00 CHF bis 94,50 CHF

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