Jenseits von Designer-Food und Customer Experience: Über 100 Jahre alte Dorfbrennerei im Trubachtal

In Pretzfeld mündet der 22,3 Kilometer lange Trubach in die Wiesent. Ritter gab es hier mal und einen jüdischen Friedhof, den Trubach aufwärts stehen noch ein paar alte Burgen herum, die mal erobert wurden und mal nicht, sanfte Hügel, viele Streuobstwiesen. Ansonsten ist die Gegend gänzlich frei von spektakulären Schlachten, Heroen, Nobelpreisträgern, Staatsmännern, Legenden, Komponisten, Schriftstellern und sonstigem Tand, der Einträge in Geschichtsbücher sichert. Die Dörfer Obertrubach, Wolfsberg, Untertrubach, Hammerbühl, Egolffstein, Oberzaunsbach, Lützelsdorf, Hagenbach und schließlich eben Pretzfeld entlang des Trubachs sind nicht das, was man als touristische Hotspots oder einzigartige dörfliche architektonische Ensembles bezeichnen würde. Hier – abseits der hektischen Hauptstraßen des Lebens – ist alles beschaulich, ruhig, ungekünstelt, liebeswert. Die wenigen Gaststätten im Trubach-Tal bieten Hausmannskost, ordentliche Schnitzel mit Kartoffelsalat für keine 8 € beim Richter oder beim Treiber, 3 hausgemachte Fränkische Bratwürste mit Kraut und Bot für 4,50 €, Schäuferla und Sauerbraten im Schlossblick, in der Saison fast überall Karpfen, dazu viele lebendfrische Forellen aus vom Trubach gespeisten Bassins, im Sommer trifft man sich auf dem Pretzfelder Keller (in Franken heißt es „auf dem Keller“, denn der Keller ist unten, in der Erde, dort lagert das kalte Bier, darüber ist der Biergarten mit Bäumen, ursprünglich um den Keller zusätzlich zu beschatten und kühl zu halten, die Idee, dort Bänke und Stühle aufzustellen und das kühle Bier quasi vor Ort zu zechen, kam erst später auf, dafür aber sehr erfolgreich), das Café Holweg ist legendär für seine Windbeutel (die eine vollständige Mahlzeit ersetzen!), „hausgemacht“ ist auf allen Speisekarten das dominante Wort. Hier wird weder für durchreisende Touristen gekocht, denen man alles zu fast jedem Preis vorsetzen kann, weil sie sowieso niemals wiederkommen, noch für großkopferte Stadtfräcke und Feinspitze, die die gekonnt abgestimmte Geschmacks-Nuancen von heimischem Majoran an Spur von Trüffel unter einem Karpfen-Espuma suchen. Es ist halt grobschlächtig, dafür aber auch echt und authentisch, die Einheimischen wollen es anscheinend so, seit Jahrhunderten gibt die Abstimmung mit den Füßen den Wirten offensichtlich recht. Also hält der gastronomische Grantler hier einfach mal seine große Gosch’n („Würde er das doch nur öfters tun!“, höre ich den Einen oder Anderen förmlich sagen, aber nein, keine falsche Hoffnungen …).

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Perfekt passend in dieses fast schon idyllische Ensemble unspektakulären, aber eben auch ungekünstelten Landlebens ist die Edelschnapsbrennerei Held in Pretzelfeld. Seit über 100 Jahren wird hier, am Ortsausgang Richtung Hagenbach auf dem kleinen Anwesen Schnaps gebrannt. Vor den Wirtschaftsgebäuden auf dem Hof stehen große, blaue Plastiktonnen mit schwarzen Deckeln und handgeschriebenen Beschriftungen aus schwarzem Filz, vergärende Obstmaische vermute ich, es riecht säuerlich und nach Hefe. Sonst deutet hier nichts auf eine Destille hin. Die Gebäude sind etwas heruntergekommen, am alten Wohnhaus architektonisch nicht vollends geglückt ein neuer, noch nicht verputzter, gleichwohl aber schon bewohnter Anbau, ein gänzlich anderes Ensemble als etwa bei Ziegler in Freudenberg, bei Schladerer in Staufen oder bei Hardenberg-Wilthen (auch so eine Gesichte, die noch nicht wirklich erzählt wurde, die Übernahme der größten Schnapsfabrik in der Zone durch einen kleinen Niedersächsischen Brenner) in Nörten-Hardenberg, durchraus rustikaler und unprätentiöser könnte man sagen.

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„Bitte im Neubau bei So-und-So klingeln.“ steht an der Tür, ich tue, wie mir geheißen, lange Zeit passiert nichts, dann öffnet eine rustikale Frau undefinierbaren Alters die Türe zu dem niedrigen Verkaufsraum der Edelschnappsbrennerei Held, der zugleich als Brennraum mit der monströsen, holzbefeuerten Destille und als Probierstübchen mit heimeliger Eckbank und kleinem Tresen dient. Zwei Katzen sitzen freundlich, aber recht apathisch herum („Vielleicht haben sie ja nen Kater.“, denke ich mir kurz – Füße hoch, der kam sehr flach), vis-à-vis der Türe die Fichtenholz-verkleidete Wand mit vier einfachen Hängeregal-Brettern, darauf das komplette Warenangebot der Brennerei: 10 verschiedene Brände in 4 verschiedenen Flaschen in 6 verschiedenen Größen, insgesamt 90 verschiedene Flaschen. OK, es gibt „Palazzo dreieckig“ und „Opera Formflasche“, die besonders hübsch sein sollen und dafür 50% teurer sind, aber dafür soll man die Flaschen nach dem Leertrinken auch als Blumenvasen hernehmen können, und es gibt Bügelverschlussflaschen, die sich vortrefflich als Flachmann eignen, für den kleinen Schluck zwischendurch unterwegs. Bei all der Vielfalt der Verpackung, es gibt nur 10 Sorten Obstschnaps im Angebot, vom Obstler über Boskop- oder Golden-Delicious-Apfelschnaps, Birne, Kirsche, Reneklode, Mirabelle bis hin zu 20161210_brennerei_held3Williams-Christ, allesamt gewonnen aus handgeernteten Früchten von den eigenen Streuobstwiesen in der Umgebung. Das erzählt mir die rustikale Frau undefinierbaren Alters nicht etwa begeistert, mit leuchtenden Augen, sondern eher matt und müde, ich lese aus ihrer Erzählung auch die Mühen und Unbillen heraus, die das Ernten der Früchte Jahr für Jahr mit sich bringen mag, und ihre Hände sprechen dazu eine Sprache für sich. Mir persönlich gefällt es, dass das Angebot so klar strukturiert ist: es gibt keine „Limited Sonder Edition“, keinen „Premium Abfüllung“, keine „handwerkliche micro-batches frei von chemischen Zusatzstoffen“ und kein „Ritter Kunibert Destillat nach einem geheimen Familienrezept von 1732“, es gibt einfach nur 10 verschiedene Obstschnäpse von den umliegenden Streuobstwiesen vor Ort verarbeitet, und das wahrscheinlich unverändert seit 100 Jahren, und das vor allem auch zu mehr als zivilen Preisen, von 14,50 € für den Liter Obstler bis zu 24,00 € für den Liter Williams Christ. Für den Preis sind das ordentliche, klar strukturierte Obstschnäpse, gute Nase, vielleicht mit etwas zu viel Nachlauf, aber nicht scharf, die ursprüngliche Frucht schmeckt klar durch, unglaublich zum Beispiel der geschmackliche Unterschied zwischen Boskop und Golden-Delicious in Schnaps-Form. Was will man mehr?

 

Edelschnapsbrennerei Held
Wannbach 13
91362 Pretzfeld,
Tel.: +49 (91 94) 93 55

 

Wer sich generell für heimische Brennereien interessiert, dem sei noch folgende Webpage an’s Herz gelegt: http://fraenkische-schweiz.bayern-online.de/die-region/wissenswertes/brennereien/

 

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