Ich bin ein Schwein

Im Sommer dieses Jahres veröffentlichte der Hotelverband Deutschland die Ergebnisse einer Studie zu den Vertriebskanälen Deutscher Hotels. 2013 erfolgten noch über 26% aller Buchungen telephonisch direkt bei den Hotels, 2015 waren dies nur noch 22,6%; im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Buchungen über Online-Portale von 20,9% auf 24,1%, fast jede vierte Übernachtung wird heute bei booking.com & Co. gebucht, und durchschnittlich sollen diese Portale rd. 15% des Umsatzes als Provision vom Hotelier kassieren, Geld, das letztendlich von uns, den Verbrauchern irgendwie bezahlt wird, denn aus seiner Privatschatulle wird der Hotelier diese Provision nicht begleichen, er wird sie schon irgendwie auf seine Preise umlegen oder – im besten Falle – sein eigenes Marketing-und Vertriebsbudget entsprechend umschichten. booking.com ist hier mit geschätzten 50 bis 55% Marktanteil der Platzhirsch, gefolgt von der HRS-Gruppe (hotel.de, hrs.de, tiscover.com u.a.) mit geschätzten 30 und 35%, den Rest teilen sich kleinere Portale wie hotel.com (die gerade venere.de geschluckt haben, es ist ein harter Markt), secretescapes.de, momondo.de u.a. Zumeist werden diese Portale mit unglaublichem Werbedruck – media for equity lautet hier ein Zauberwort – geradezu in den Markt gepresst, wir sollten uns immer bewusst sein, dass auch das, diese lästigen TV- und Online-Spots, letztendlich der Verbraucher – wir – zahlt.

Aggregatoren wollen auch noch mitverdienen

Die Online-Buchungsportale haben ihren Markt gefunden, indem sie sich mit zusätzlichen Serviceleistungen zwischen Hotelier und Hotelgast drängten, dem Hotelier den direkten Kundenkontakt in der Vermarktung abnahmen und sich dafür bezahlen lassen. Jetzt drängen sich weitere Akteure in diesen lukrativen, intransparenten Markt, die den Online-Buchungsportalen ihrerseits zumindest den Erst-Kontakt mit dem Kunden in der Vermarktung abnehmen und sich dafür ebenfalls bestens bezahlen lassen, diesmal allerdings zuerst von den Buchungsportalen selber: die sogenannten Aggregatoren oder Vergleichsportale, die ihrerseits die Angebote der Buchungsportale für die Endverbraucher vergleichen. Dazu gehören als Marktführer trivago.de sowie weitere Anbieter wie kayak.de. (identisch mit swoodoo.com) oder hotelhunter.com; außerdem drängen Bewertungsportale wie tripadvisor.com oder holidaycheck.de vermehrt auch in die Rolle des Aggregators, indem sie ihre vielleicht unparteiischen, aber nicht immer professionelle Bewertungen gleich mit Buchungsangeboten für die jeweilige Unterkunft ausliefern. Für jeden Nutzer, der von einem Aggregator zu einem Buchungsportal geleitet wird und der dort dann bucht, erhält der der Aggregator eine Art Erfolgsprovision vom Buchungsportal. Und das Buchungsportal erhält dann eine – nochmals größere, denn sonst würde es sich nicht rechnen – Erfolgsprovision vom Hotelier. Also, mir persönlich verdienen da viel zu viele Leute Geld an einer simplen Zimmerbuchung, obwohl sie gar keine Zimmer zu vermieten haben.

Marketing-Scharlatanerie sichert die Intransparenz

Dabei ist die Hotelsuche z.B. mit booking.com in der Tat ausgesprochen praktisch und zeitsparend, es gibt viele Bilder, ausführliche Texte, sofortige Anzeige der verfügbaren Zimmer und Preise, Landkarte, Vergleich mit umliegenden Hotels, Suchmöglichkeiten differenziert nach Lage, Sternen, Preisen, Services, Ausstattungsmerkmalen. Eine alternative Suche z.B. über die Gastgeberverzeichnisse der oft altbackenen Online-Pages der örtlichen Tourismus-Verbände würde wesentlich länger dauern, zugegeben. Aber „Die Abhängigkeit von den Online-Portalen wird sich in Zukunft noch verstärken, wenn man bedenkt, dass der Anteil der Online-Buchungen in den nächsten Jahren weiter – zu Lasten der Offline-Buchungen – steigen wird.“, warnt Markus Luthe, Hauptgeschäftsführer des Hotelverbandes Deutschland (IHA), und leider kann ich ihm nur Recht geben. Aber letztendlich sind wir die Verbraucher und entscheiden, wo wir buchen. Abgesehen von der steigenden Marktmacht, die diese Buchungsportale gegenüber den Hoteliers und gegenüber den Endverbrauchern haben, auch abgesehen von den Unmengen von Daten, die diese Portale von uns, mit unseren Adressen, unseren Kreditkartennummern, unserem Such- und Buchverhalten, unseren Reisbegleitern, unseren Reiseprofilen und –ausgaben sammeln, ich habe als Verbraucher auch die Schnauze gehörig voll von den Marketing-Bestpreis-Garantie-Nebelkerzen, die hier in Unmengen abgefackelt werden: Preis mit, Preis ohne Frühstück, mit Zugang zum SPA, Zugang zum SPA extra zu zahlen, Minibar im Übernachtungspreis eingeschlossen (und dann stehen ein Bier, eine Cola und ein Wasser in der Minibar), garantiertes Zimmer-Upgrade nach Verfügbarkeit, 1 Dreigänge-Menue ohne Getränke includiert, 1 Geschenk bei Abreise, 1 Flasche Prosecco auf dem Zimmer, Zimmer mit garantiertem seitlichen Meerblick soweit verfügbar, WLAN in den öffentlichen Bereichen gratis, … es gibt nichts, was hier nicht gratis oder eben doch nicht gratis angeboten würde, vergleichbar ist da am Ende wenig.

Sparen um jeden Preis kann auch nach hinten losgehen

Ach ja, und da sind dann auch noch Hotels selber, die zumindest noch ein kleines Wörtchen mitzureden haben, wennschon nicht mehr beim Preis selber: aber wenn man nicht gerade in einem Ibis bucht, das über 120 exakt identischer Zimmer verfügt, wird sich der Hotelier schon überlegen, welches seiner Zimmer er dem Online-Preis-Fuchs mit Best-Preis-Garantie und nochmals 15% Provision an die Buchungsplattform gibt und welches dem Direktbucher, bei dem jeder Cent vom Übernachtungspreis beim Hotelier bleibt. (Und selbst im Ibis mit den identischen Zimmern gibt es welche nach vorne und welche nach hinten, welche ganz oben und welche ganz unten, welche direkt neben dem Lift und welche am Ende des Ganges, frisch renovierte und welche die erst in der nächsten Renovierungs-Welle dran sind …).

 

Informieren über Buchungsportale sicher, aber Buchen direkt beim Hotel

Um zu meinem Eingangs-Statement zu kommen „Ich bin ein Schwein“: Zur Planung einer Reise verwende ich gerne booking.com, secretescapes.de, den Guide Michelin, die Bewertungen und Bilder auf tripadvisor.de und holidaycheck.de (mit allem angebrachten Vorbehalt gegenüber der objektiven Kritikfähigkeit der Schwarmdummheit), natürlich auch Google Earth (bei wie vielen Hotels in „unmittelbarer Meerlage“ mit tollen Photos dazu doch plötzlich auf Google Earth eine Schnellstraße oder Bahnlinie zwischen Hotel und Strand zu sehen ist – die Zeit dieser Prospekt-Lügen ist endgültig vorbei, aber es bleibt noch genügend anderes zum lügen …), nur tatsächlich buchen tue ich dann direkt bei den Hotels selber, ich greife zum Telephonhörer und rufe dort an oder schreibe eine kurze Mail, und ruck-zuck habe ich in der Regel eine Buchungsbestätigung im Posteingang. Und ich habe mit diesem Buchungsverhalten seit Jahren den Eindruck, dass mir Dachkammern und ähnliches weitgehend erspart bleiben, gerade kleine Gastwirte sagen mir immer wieder, dass ihnen Direktbucher viel, viel lieber seien als die Gäste, die über die Buchungsportale reinkämen. Nur wenn ein Hotel auf stur schaltet und mir ohne guten Grund eine Rate anbietet, die teurer ist als im Internet, dann schalte ich auch auf stur und buche eben doch im Internet; aber meistens gibt es einen guten Grund, dass diese Zimmer im Internet billig angeboten werden, z.B. weil sie in der Dependance oder zur Straße raus oder unter dem Dach liegen oder noch nicht renoviert wurden oder weil sie klein sind usw. usf. Und was ich auch immer wieder feststelle ist, dass viele kleine, meist sehr gute Landgasthöfe und Stadthotels bewusst gar nicht bei booking.com, hrs.de & Co. gelistet sind, ganz einfach weil sie aufgrund ihrer Qualität eine feste Stammklientel haben, von der sie über Mundpropaganda weiter empfohlen werden, und das reicht dann schon als Vertriebskanal.

Ist man ein Schwein, wenn man Marktmacht systematisch untergräbt?

Einerseits, ja, Online-Buchungsportale geben mit ihren dezidierten Suchfunktionen rasch und einfach eine Übersicht über den Großteil der an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit verfügbaren Hotelangebote, und ja, sie tragen zu einer gewissen Preistransparenz bei; andererseits tragen sie ebenso sehr zur gewollten Preisintransparenz bei und besitzen zwischenzeitlich eine Marktmacht, die beträchtlich ist, und bezahlen tuen wir als Verbraucher diese Dienste ja letztendlich auch. Von daher, für meinen Teil nutze ich die Angebote der Online-Portale als Informationsquelle, zahle sie aber nicht, indem ich dort buche, sondern direkt bei den Hotels, von daher bin ich wohl ein Schwein – so zumindest bezeichnete mich ein Ex-Kollege, heute Mitarbeiter und Mitbesitzer eines solchen, nicht näher genannten Portals, als ich ihm von meinem Buchungsverhalten erzählte.

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One comment

  1. Reinhard Daab

    Hallo Sie Schwein,

    sehr guter Artikel den Sie wieder einmal in aller Ausführlichkeit niedergeschrieben haben. Aber Sie haben natürlich Recht, so ist es heute nun mal, daran wird sich wohl kaum etwas ändern. Ein Hotel-und Restaurantbesitzer sagte mir den Sachverhalt mit dem 15%, den diese Abzockportale einbehalten. Daraufhin fragte ich, weshalb er da mitmache, er sagte: Ohne diese Portale würden die meisten Geschäftskunden nicht mehr bei ihm buchen, also was macht er, man schlägt diese 15% einfach dem Preis zu. Der Dumme ist dann der Kunde, welcher direkt bucht. Ein anderer Hotelier teilte mir außerdem mit, dass man bei verschiedenen Portalen bis 30 Min vorher noch stornieren kann. Der eine Hotelier teilte mir mit, dass es Leute gibt, welche mit ihrem Smartphone vor der Tür stehen und über ein Portal buchen. Da darf man doch einmal fragen, wie krank ist dieses Verhalten eigentlich. Andererseits habe ich auch schon gelesen, dass verschiedene Häuser auf ihrer Webseite behaupten, nur bei Direktbuchung würde man den besten Preis erhalten.

    Wie bereits erwähnt, es werden wohl immer mehr, die sich solches Verhalten aneignen, was kein Wunder ist, wenn man beobachtet, dass jeder Hanswurst bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit mit dem Smartphone herumfuchtelt. Zuletzt in Miltenberg fragte ich eine junge Dame, die offenbar auch nicht ohne dieses Gerät existieren kann. Meine Frage lautete: Was machen sie denn, wenn sie dieses Gerät nicht hätten, außerdem ob sie das Gerät auch im Bett oder auf der Toilette benutzen würde, was sie mit einem klaren ja beantwortete. Man darf also davon ausgehen, dass ein sehr großer Prozentsatz der Bevölkerung sich ganz genau so verhält.

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