Hurvinek in Dresden: authentische, sehr ordentliche Tschechische Küche

Summa summarum: Derbe, authentische, einfache, bodenständige, gekonnt gemachte Tschechische Küche mit einem glücklichen Händchen beim Würzen und durchweg erstaunlich gutem Fleisch, gutes Bier und gute Schnäpse, flotte, freundliche, bemühte Bedienung in halbwegs ungemütlicher Atmosphäre

Trotz der Nähe zur Tschechischen Republik sind Tschechische bzw. Böhmische Restaurants in Dresden Mangelware. Das „gute alte“ Ostrava im Artushof, in dem es schon zu DDR-Zeiten Kost aus dem sozialistischem Bruderstaat hinter dem Erzgebirge gab, gibt’s nicht mehr, der ehemalige Pächter Stanislav Kvasnicák kocht seit 2010 in seinem eigenen Hotel Spitzgrundmühle in Coswig, und das wahrlich nicht schlecht. Das Restaurant Praha in Hellerau von Josef Micek ist sowohl von der Küche als auch vom Service als auch vom Ambiente her unter aller Kanone und lohnt den weiten Weg aus der Stadt nie und nimmer. Die scheinbar so authentischen, jedenfalls aber verkehrsgünstig an den Touristenströmen in der Neustädter Königstraße gelegenen Wenzel Prager Bierstuben sind nicht nur eine Kneipe, sondern auch eine unter der Urkundennummer 398 75 393 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragene Wort- und Bildmarke und gehören zur Restaurant-Kette Wenzel Prager Bierstuben Gastronomie Betriebs GmbH mit sechs Metastasen – sprich Kneipen-Klonen – in Chemnitz, Halle, Leipzig, Magdeburg, Warnemünde und Zwickau, die betrieben werden von den ur-tschechischen Geschäftsführern Michael Möckel und Johannes Vittinghoff, Mitgesellschafter sind noch Jörg-Heinz Polenz und Matthias Pfitzner. Süffiges tschechisches Bier, schlechtes, oft lauwarmes Essen, überforderte Bedienungen, schlechte, dampfige Luft, das ist es, was ich mit den Wenzel Prager Bierstuben assoziiere. Die angeblich Sächsische und Böhmische Küche im Altmarktkeller sollte ebenfalls ein gnädiger Mantel des Schweigens bedeckten und Touristen vorbehalten bleiben, die gerne und reichlich für schlechtes Essen und schlechten Service zahlen. Aber seit 2016 gibt es in Seidnitz an der Winterbergstraße das Tschechische Restaurant Hurvinek, das von einer Duae Aves GmbH betrieben wird, deren Geschäftsführer ein Rene Dziallas ist und nämlicher Josef Micek sind, der auch für das unsägliche Praha in Hellerau verantwortlich zeichnet.

Hurvinek, Dresden,Topinka

Jedenfalls gibt es signifikante Unterschiede zwischen beiden Lokalen. Das Hurvinek liegt an einer Ausfallstraße, Touristen verirren sich hierher nicht, hier speisen Dresdner, die sich als Einheimische nicht einmalig abzocken lassen und dann verschwinden, hier zählen Stammgäste. Die Tische vor dem Haus an der Straße sind nicht sonderlich romantisch, aber reichlich, innendrinnen geflieste Böden, Gastro-System-Möbel mit denen man alles von der Kantine über Studentenkneipe und Dorfwirtshaus bis zum Puff möblieren kann, Lampen aus Pilsener-Urquell-Flaschen, Bilder und alte Platten von Karel Gott zieren die Wände, dazu die Repliken der Marionetten-Figuren Spejbl und Hurvínek des tschechischen Puppenspielers Josef Skupa aus den zwanziger Jahren, aber dass kennen wohl nur ältere Ossis (obwohl bis heute sehenswert, einfach mal auf youtube suchen …). Die Bedienungen sind einheitlich, aber leger schwarz gewandete, bemühte junge Leute, ich tippe auf Studenten, die die Bestellungen ganz modern in ihre Smartphones klopfen. Der Service ist nicht wirklich professionell, aber freundlich, flott, bemüht, für ein einfaches Gasthaus nichts zu beanstanden, kommt hier besser daher als ein steifer Pinguin. Das Bier ist süffig, gut gezapft, ehrlich eingeschenkt, neben Pilsener Urquell gibt es wechselnde andere Tschechische Biere, nur von den „Hausweinen“ aus dem Südmährischen Weingut Sykora Vino sollte man tunlichst die Finger lassen, dafür gibt’s einen respektablen hauseigenen Weinbrand und natürlich Becherovka, wobei die Spirituosen hier nicht nur wohlfeil ausgeschenkt werden, sondern auch in 4 cl-Mengen, die unbedarfte Bestellung eines doppelten Becherovkas nach dem Essen endete mit einem großzügig eingeschenkten 100 ml Glas Schnaps für EUO 7,20 – hicks!

Hurvinek, Dresden, Szegediner, Szeged

Auch das Essen ist tadellos bis gut, natürlich grob und derb, aber ziemlich authentisch Tschechisch-Böhmisch, so könnte man auch in Karlsbad, Prag oder Ostrau essen. Die Topinka vorweg – einfaches Mischbrot geröstet und dann mit Knoblauch eingerieben – tadellos. Der obligatorische Šopský salát, zu Deutsch Schopska-Salat, der wohl allen Ländern des ehemaligen Ostblocks gemeinsam ist aus frischem Gemüse tatsächlich frisch und knackig, lecker angemacht, nur der Fetakäse viel zu salzig. Das Rindertatar ist frisch tatarisiert, gut gewürzt, etwas zu breiig von der Konsistenz her, aber sonst ebenfalls tadellos. Das Szegediner Gulasch – Schweinegulasch mit Sauerkraut, Sahne und viel Paprika, ein Gericht, das eigentlich aus Ungarn stammt, benannt nach der „Paprika-Hauptstadt“ Szeged, aber von den Tschechen liebevoll und gekonnt kulinarisch adaptiert / adoptiert wurde – ist hervorragend, nicht nur eine gehaltvolle Sauce und knackiges, leicht süß-säuerliches Kraut, dazu auch noch wirklich schiere, Fett- und Sehnen-freie Fleischbrocken, das so hinzubekommen, ist schon eine Kunst. Hut ab. Die Böhmischen Knödel dazu, naja, in der Mikro kurz aufgewärmt, ob selbst gemacht Fertigware weiß ich nicht, aber sie saugen die Sauce gut auf. Ebenso meine geliebte Svíčková na smetaně – Lendenbraten zusammen mit der richtigen Mischung von Gemüse und Gewürzen langsam in Fond und Rahm geschmort, dann die Bratflüssigkeit samt Gemüse zur Sauce passiert, ich lasse nur die Preiselbeeren und die Sahne obendrauf weg, das wird dann doch zu süß – ist absolut tadellos, zartes Fleisch, gut gewürzte, gehaltvolle Sauce, dazu wieder o.g. Knödel, da ist nichts zu meckern, punktum. Das Schnitzel ist kein vorgefertigter Bratling, es kommt aus der Pfanne, ist ein Mordsdrumm, die Panade leicht abgehoben, gutes, nicht hervorragendes, aber gutes Fleisch, Bratkartoffeln enttäuschen, aber der süß-saure Weißkohlsalat dazu eine witzige, wohlschmeckende Idee. Viel besser dann das kurz angebratene 300g Schweinesteak aus der Sous Vide, herrlich zart und geschmackvoll, der Kartoffelpuffer dazu tatsächlich selbst gemacht und frisch. Die neue Tschechische Küche hat mehr zu bieten als die Tschechische Dreifaltigkeit von Schweinebraten, Klößen und Kraut, man sollte in Prag mal auf eine kulinarische Entdeckungsreise gehen. Mag jemand mitkommen? Zum Abschluss die obligatorischen Palatschinken frisch und selbst gemacht, darinnen leckere, etwas zu süße Erdbeermarmelade, nichts zu kritteln, alles gut.

Hurvinek, Dresden, Schnitze

Das alles ist gewiss keine Hochküche, aber wer derbe, authentische, einfache, bodenständige, gekonnt gemachte Tschechische Küche mit einem glücklichen Händchen beim Würzen und durchweg erstaunlich gutem Fleisch, gutem Bier und guten Schnäpsen mag und dafür das ungemütliche Kneipenambiente in Kauf nimmt, der ist im Hurivnek gewiss richtig. Wer leichte, innovative, vegane, inspirierende, kunstvoll und gekonnt gemachte, filigran angerichtete kulinarische Erlebnisse und Offenbarungen in gepflegter Umgebung sucht, der ist im Hurvinek gewiss falsch

Restaurant Hurvinek
DUAE AVES GmbH
Geschäftsführer: Josef Micek
Winterbergstrasse 68
01237 Dresden
Tel.: +49 (3 51) 25 85 85 77
Fax: +49 (3 51) 25 85 85 78
E-Mail: info@duae-aves.de
Online: www.restaurant-hurvinek.de

Hauptgerichte von 9,90 € (mit Kassler gefüllte Kartoffelklöße auf Kraut) bis 14,40 € (Sous Vide Schweinesteak), Drei-Gänge-Menue von 15,90 € bis 26,40 €

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