Hotel Intercontinental Wien: 5-Sterne Jugendherberge für Manager und Touristen

Summa summarum: funktionaler, weitgehend schmuckloser Bau ohne jeden Charme in zentraler Lage, funktionale, aber sterile Zimmer, sehr gutes Personal an der Rezeption und der Tür, mieses Servicelevel im Café und der Hotelbar, Frühstück ist eine grottige Massen-Abfütterung mit Fraß in düst’ren fettgeschwängerten Katakomben, warum das Teil noch 5 Sterne hat weiß wahrscheinlich nur der Teufel.

 

Seit einer viertel Stunde ignorieren mich der Oberkellner im schwarzen Anzug und die Servicekraft im schwarzen Röckchen. Ich sitze an einem Tisch im Café des Hotels Intercontinental in Wien; das Café bildet zusammen mit der Rezeption, der Bar und dem Eingangsbereich eine große Halle, die ohne Trennwände vielleicht ein Drittel des Erdgeschosses des Gebäudes einnimmt. Die Halle ist zugleich die „Gute Stube“ des Hotels, hier schlagen Hausgäste die Zeit tot bis zur nächsten Sight Seeing Tour, ältere Wiener Damen nehmen ihren Nachmittagskaffee ein, Geschäftsleute treffen sich zum Geschäftemachen, am Abend bringt man an der Hotelbar den Alkoholpegel auf Arbeitsniveau und führt vertrauliche oder amouröse Gespräche in tiefen Ohrensesseln. Einen Außenbereich – Terrasse, Garten, Dachterrasse, Tische vor dem Haus – hat das Interconti nicht, so dass sich das öffentliche Hotel-Leben ganz auf diese Halle konzentriert. Jetzt sitzen am Nachbartisch offensichtlich halbseidene österreichische Geschäftsleute, die über die Gestaltung von Konfektschachteln für den Italienischen Markt diskutieren. „Woast eh‘, die Itaker schauen vor allem auf’d Verpackung“, weht als Sprachfetzen zu mir herüber. Dann folgt eine Diskussion, wie man möglichst wenig Konfekt in möglichst viel Verpackung bekommt. Man trinkt Meindl-Kaffee aus roten Tassen, und der schwarz-beanzugte Oberkellner hofiert die illustre Gesellschaft mit Marillenbränden aus teuren Flaschen, denen man gerne und reichlich zuspricht. Mich als Hausgast ignoriert er komplett und konstant, obwohl ich direkt am Nachbartisch sitze, blickend, räuspernd, winkend – alles vergebens. Zwei Kinder, vielleicht 5 und 7 Jahre alt, toben durch die Halle, laut schreiend. Der Ältere beginnt, den Jüngeren mit einem Stock – anscheinend eine mit Zuckerperlen gefüllte Monstrosität vom Prater – zu hauen, der Jüngere heult auf und rennt weg, und, heidewitzka-haste-nicht-gesehen, beginnt unter lautem Geschrei eine muntere Verfolgungsjagd quer durch die Halle. Die offensichtlichen Eltern schert das wenig, sie sitzen beide an einem Tisch und gehen ihren Dingen nach. Ich überlege krampfhaft, ob es rassistisch ist, wenn ich schreibe, dass die Eltern – und damit die Kinder – offensichtlich arabischer Herkunft sind. Der Vater jedenfalls hat einen dicken dunklen Zottel-Bart (wie Salafisten, Terroristen, Hipster und Fidel Castro ihn u.a. tragen, aber die Bärte von Hipstern sind in der Regel gepflegter) und ist bekleidet mit einem beigen Kaftan (ok, Hipster und Castro tragen keine Kaftans), dazu diese Hotel-Frottee-Latschen (die immer zu klein sind für jeden mit Schuhgröße über 35 – warum eigentlich?) und plärrt unaufhörlich in seine Funke, die er eng vor sein Gesicht hält, und die Funkte plärrt unüberhörbar zurück in einer Sprache, die wohl auf keinem christlichen Lyzeum gelehrt wird. Sein Eheweib sitzt neben ihn am Tisch, ist ganz in schwarze Gewänder gehüllt, über dem Kopf schwarze Tücher, immerhin keine Burka, blickt ebenfalls stur in ein mobile device, aber wenigstens plärrt dieses Teil nicht. Die Eltern gehen ihren jeweiligen Beschäftigungen nach, getrennt in mobile device plärren und in mobile device starren, vereint lärmende Bälger ignorieren, die Bälger schreien munter vor sich hin, selbst die halbseidenen Österreichischen Geschäftsleute scheinen genervt, nur der ignorante Oberkellner versucht konsequent und erfolgreich, die unbotmäßige Brut der betuchten Besucher zu ignorieren. Aber wahrscheinlich bin ich tatsächlich ein Rassist. Wahrscheinlich sind diese lärmenden Kinder und ihre Eltern nur alteingesessene, gute Österreichische Staatsbürger, die sich frühzeitig und nachhaltig der neuen Leitkultur angepasst haben. Und ich, mein Herr, bin ein Arsch.

Irgendwann schnappen sich die Eltern ihre Kinder und verschwinden im Lift. Mir reicht es auch endgültig, doch den Triumph, mich nicht bedient und vertrieben zu haben, gönne ich dem ignoranten Oberkellner nicht; also brülle ich quer durch das Café „Kann ich bitte bestellen?“ Nicht die feine Art eines kultivierten Hotelgastes, aber angemessen für dieses Service-Level. Der Oberkellner ist sichtlich indigniert, die halbseidenen Konfektschachtel-Schwindler schauen mich böse an, aber am Ende bekomme ich doch meine Melange. Diese kleine Szene ist symptomatisch für den gesamten heutigen Zustand des Wiener Intercontis. 1964 wurde das Haus als damals größtes Hotel Österreichs in Einheitsstil des Funktionalismus gebaut, geplant vom imperial-amerikanischen Architekturbüro Holabird & Root. Die Wiener Stadtverwaltung konnte weiland gerade noch verhindern, dass das Haus nur 40 und nicht 50 Meter hoch gebaut wurde und so den legendären Canaletto-Blick vom Schloss Belvedere auf die Innenstadt zerstört hätte. Credo des Gebäudes ist Funktionalität, allein die Betriebsabläufe eines Hotels bestimmen seine Gestaltung, das ist effizient, auf jedwede Ästhetik wurde im Gegenzug verzichtet, sprich es ist ein hässlicher Betonklotz, der so gar nicht in das historische Stadtbild Wiens passt und nicht nur die Aussicht vom Stadtpark gehörig verschandelt. Aber dafür liegt er sehr zentral, die meisten der Wiener Sehenswürdigkeiten sind von hier aus fußläufig erreichbar. Zwischenzeitlich ist das Hotel in die Jahre gekommen, wurde aber immer gut in Schuss gehalten. 2012 wurde das Haus verkauft und soll in diesem Jahr rundum-erneuert werden; noch ist nichts von Bauarbeiten zu sehen. Schwarz-weiß-Photos von Angela Jolie, Mick Jagger, Frank Zappa oder dem Dalai Lama zeugen von prominenten Gästen. Dunkles Holz, Marmor, Messing und schwere Teppiche bestimmen den Eingangsbereich. Livrierte Pagen – hier ganz imperial-amerikanisch „Bell Boys“ genannt, ein drollige Bezeichnung für einen gestandenen vielleicht fünfzigjährigen Mann – öffnen bei der Ankunft den Wagen, kümmern sich um das Gepäck und parken das Auto, der Check-in ist schnell und freundlich, Messing und Spiegel in den Liften blitz-blank geputzt, die langen Flure zwar düster, aber sauber, keine Schrammspuren von Koffern an den Wänden, alles, wie es in einem Fünf-Sterne-Haus sein sollte. Problematischer wird dann aber bei den Zimmern. Alle Zimmer, die wir gesehen haben sind, das muss man konzedieren, gut in Schuss: Teppichboden, Tapete, Türen, Möbel, Vorhänge, Wäsche ohne Macken, Flachbildschirm, Minibar, Klimaanlage, Safe, Schrankeinrichtung, Handtücher, Bademäntel, Toilettenartikel, alles da und tadellos, dazu sauber und aufgeräumt, auch in den Ecken und unter den Betten, nur die Fenster sollten dringend öfter auch außen geputzt werden, ausreichend Steckdosen am Schreibtisch, ordentliches Licht, intuitiv zu bedienen, das versprochene schnelle Internet ist verträumt-langsam und auch nur für Mitglieder des Kundenbindungsprogramms des IHG-Hotelkonzerns kostenlos. So weit, so gut. Die Zimmertüren allerdings sind so gebaut, dass im Rahmen Tag wie vor allem Nacht das Licht vom Flur durchscheint, und entsprechend schallisoliert sind sie, nämlich gar nicht; dazu haben die Türen einen Schließmechanismus, der die Tür mit einem lauten Knall in’s Schloss fallen lässt, wenn man sie nicht behutsam und rücksichtsvoll von Hand schließt – und das tut kaum einer der Gäste. Das heißt aber, man wird ständig von laut knallenden Zimmertüren und auf dem Flur laut palavernden asozialen Mit-Gästen geweckt, bis spät in die Nacht. Ein Ding der Unmöglichkeit und zweifelsohne einer der Gründe, das Interconti Wien nie wieder zu betreten. Die Executive-Zimmer in den oberen Etagen sind geräumig und funktional, ebenso wie die Bäder, anders sieht das bei den Business-Zimmern in den unteren Etagen aus. Das Zimmer selber hat keine 20 Quadratmeter, gerade mal ein Doppelbett, ein Schreibtisch mit Stuhl, ein Couchtisch mit Sesselchen und eine Stehlampe passen in den Raum, aber mehr auch nicht, wenn man sich noch bewegen will. Neben dem kleinen Vorraum mit Einbauschrank befindet sich ein Bad, das fast alles, was ich bisher an winzigen Bädern gesehen habe, toppt. Der fensterlose Raum hat keine 4 Quadratmeter, links ein Waschtisch mit einem Waschbecken, gegenüber der Tür ein WC, rechts hinter der Tür eine Badewanne mit Dusche die so klein ist, dass die Hälfte des Körpers eines normal gewachsenen Menschen immer herausragt, Oberkörper oder Beine, um in die Badewanne zu steigen, muss man die Türe schließen, und dazu eine freie Standfläche von weniger als einem halben Quadratmeter; das ist Funktionalismus par excellence und toppt jedes IBIS-Bad um Längen. Einerseits, das Teil ist sauber und mit allem Nötigen ausgestattet, ich kann mich waschen, erleichtern, duschen, abtrocknen, es erfüllt tatsächlich alle Funktionalitäten eines Hotelbadezimmers; andererseits, ich mag solche Bäder nicht, aber das ist mein Problem.

Das Frühstück im Wiener Interconti ist eine Klasse für sich. Es wird serviert in drei fensterlosen Räumen, die eher düsteren Katakomben ähneln denn einem Frühstücksraum; den vierten Frühstücksraum bildet das Haus-eigene Restaurant Parlor, wenigstens mit einer Fensterfront zur Straße und den Busparkplätzen, dafür aber mit Plastikstühlen, Kantinen-Design und einem langen Weg zum Buffet. Die Luft ist stickig-muffig, je näher man zum Buffet kommt, desto mehr riecht es nach Fett. Das Buffet selber ist traurig: wenig Auswahl für ein Spitzenhotel, dafür aber große Mengen mäßiger Lebensmittel: Croissants in industrieller Massenwaren-Qualität, stets trockene Brötchen, immerhin ordentliches Vollkornbrot, unreifes, schlecht geschältes Obst, billige Säfte aus dem Tetrapack, fischiger, schleimiger Lachs, vertrockneter Käse, eine Wurstauswahl, die in manchem Dorfgasthaus umfangreicher und qualitativ besser ist, warmgehaltene Bohnen, Speck, Würstchen, Rührei, Waffeln, Pancakes, ein paar Halal-Gerichte, dazu ein stets hoffnungslos überforderter Eier-Brat-Posten mit oft langen Schlangen davor, ich selber wartete 7 Minuten auf zwei Spiegeleier, eines war schon fertig und wurde auf einen Teller ohne Warmhaltung geknallt, das zweite Ei dauerte dann eben 7 Minuten, so dass ich ein warmes und ein kaltes Spiegelei hatte, die Eier Benedict werden auf Labber-Toast (statt Bun) mit Tüten-Sauce-Hollandaise serviert (was ich sah, während ich auf mein zweites Spiegelei wartete). Das Frühstück im Interconti Wien ist billigste Massenabfütterung in mieser Qualität in mieser Umgebung mit mieser Luft und miesem Service. Punktum.

Der Frühstücks-Qualität entspricht voll und ganz die Leistung der Hotel-Bar, Intermezzo-Bar geheißen: miserabel. Zuweilen bin ich ein großer Fan von Bars in Interconti-Hotels, die Marlene Bar im Berliner Interconti oder die Waterbisquite Longue in Malta mag ich sehr gerne; die Intermezzo-Bar mag ich nicht sehr gerne. OK, dass es kein kaltes Bareis gibt, sondern nur halb-aufgetaute Würfel aus dem Isolier-Bottich, daran muss man sich heutzutage in Bars immer öfters gewöhnen. Aber keine gefrosteten Cocktail-Gläser, zwei Tage lang kein Tanqueray Ten und kein Botanist Gin – heutzutage doch eigentlich Standard-Gins jeder besseren Bar – im Angebot, Mojito Royal nicht mit Champagner, sondern mit wohlfeilem heimischen Schlumberger Sekt aufgefüllt, Säfte aus dem Tetrapack, kein Bier vom Fass, eine Käseplatte mit eiskaltem Käse frisch aus dem Kühlschrank, … Danke, dass wir darüber geredet haben, aber Hotelbar geht anders.

All das erklärt zumindest auch, warum das Intercontinental Wien zur Osterzeit für weniger als 150 € das Zimmer zu haben ist, während andere Wiener Fünf-Sterne-Häuser zur gleichen Zeit mal eben locker 200, 300, 400 € pro Nacht aufrufen. Mich sieht dieses Haus nicht wieder.

 

InterContinental Wien
Johannesgasse 28
1030 Wien
Österreich
Tel.: +43 / 1 / 711 22 0
Fax: +43 / 1 / 713 44 89
Email: vienna@ihg.com
Internet: https://www.vienna.intercontinental.com
Übernachtung im Doppelzimmer mit Frühstück von 172 € bis 610 € (pro Zimmer)

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