Goldener Karpfen in Fulda: Kitsch-Overkill, funktionales Hotel und auf ganzer Linie enttäuschende Küchenleistung zu happigen Preisen

Summa summarum: Gewiss liegt das Hotel zentral und ist gut in Schuss, aber der Deko-Kitsch-Overkill ist enervierend, die Zimmer sind in Ordnung, aber ziemlich teuer, die Küche stolperte bei unserem Besuch von einem Griff in’s Klo zum nächsten, der Service ist meist freundlich und stets bemüht.

Das Navi spielt seit geraumer Zeit ziemlich verrückt. Draußen wechseln sich barocke Prachtbauten, grässliche Nachkriegsbausünden und halbwegs moderne, schmucklose Zweckbauten ab, die Straßen sind eher enger und unübersichtlich, beim Fahrer steigt das stetig stärker werdende Gefühl auf, dass wer immer hier für die Verkehrsführung zuständig ist, einfach gehauen gehört, Fulda Innenstadt halt. Irgendwann erreicht man einen Platz mit dem hübschen Namen Simpliziusbrunnen und das Romantik-Hotel Goldener Karpfen. Der Hotel-Eingang ist bereits Programm: zugestellt mit allerlei Töpfen und Bottichen und Kübeln mit Pflanzen und Zierrat und Lämpchen. Vorfahren und Gepäck ausladen ist jedenfalls nicht, Hinweisschilder auf den Parkplatz gibt es auch nicht, der genervte Fahrer quetscht den tatsächlich nicht wirklich für diese Altstadt geeigneten Geländewagen (Geländewagen, nicht SUV) irgendwo zwischen Sträßchen, Bürgersteig und Eingangs-Kübel-Garnitur, um sich im Hotel zu erkundigen, wie denn, wo denn, was denn. Nun denn, um drei Ecken hinter dem Hotelkomplex ist dann tatsächlich ein Parkplatz, darunter eine kostenpflichtige Tiefgarage, Gepäck kann man dann selber um besagte Ecken in’s Hotel schleppen. In der Hotelhalle geht es weiter, die sieht aus, als ob ein alt und wohlhabend gewordenes Mädel seine Puppenstube in ganz groß weitergebaut hätte mit einer unglaublichen Ansammlung von Tinnef, Kitsch, Geschmacklosigkeiten, Staubfängern, das ganze Ensemble ist ein Overkill an monströsem, fehlgeleitetem, provinziellem Gestaltungswillen. Aber der Empfang ist dann ausgesprochen freundlich und professionell, da beißt die Maus kein Faden ab. Für etwas mehr Geld kann man ein Design-Zimmer mieten, wir erwischen Bauhaus, viel mehr als ein altes Le Corbusier-Sofa ist in dem Zimmer allerdings nicht an Bauhaus, aber dafür quillt es zumindest nicht über mit Deko-Kitsch. Zimmergröße, W-Lan, Bad, Handtücher, Matratze, schallisolierende Fenster auf den hübschen, aber befahrenen Simpliziusbrunnen-Platz, Glotze, Kissen, das passt schon alles irgendwie, Zimmerbeleuchtung ist sicherlich optimierbar, beim Duschen flutet man unwillentlich das halbe Bad und der Teppichboden könnte auch mal wieder gereinigt werden, … trotzdem geht das Zimmer, ist aber für knapp 200 EURO (mit Frühstück) in einem Provinz-Städtchen nicht wirklich billig, das örtliche Maritim am Schlossgarten mit Pool und Bar ist da deutlich wohlfeiler. Sei’s drum, zum Schlafen reicht’s.

Das Essen im hauseigenen Restaurant gestaltet sich dann sehr durchwachsen, obwohl die Speisekarte einen recht ambitionierten, aber konservativ-bodenständigen Eindruck macht. Michelin gibt dem Haus einen Bib Gourmand, der alte Gault Millau noch 13 Punkte, Aral und Varta zwei Kochlöffel bzw. Diamanten, naja; auffälliger und wichtiger ist, dass der Gusto den Goldenen Karpfen nicht erwähnt, und so etwas sollte einem immer zu denken geben, während andere Bewertungen aus alter Verbundenheit und mangelnder neuer Überprüfung gewohnheitsmäßig fortschreiben mögen, ist der Gusto hier deutlich zuverlässiger. Bestätigt sich auch diesmal wieder. Die Bedienungen sind an dem Abend bei vollem Hause sichtlich überfordert und unkoordiniert, jedoch freundlich und bemüht, soweit es der Stress zulässt. Amuse gueule Fehlanzeige, aber immerhin Streichfett und Brot. Als Vorspeise muss man in Fulda natürlich Fuldaer Kaviar essen (Desietra aus Fulda ist die größte deutsche Farm für echten Kaviar, und die liefern seit einigen Jahren ziemlich gute Qualität zu durchaus wieder vertretbaren Preisen, allerdings sollte man die Finger vom Baeriskaya, der billigsten Sorte unter 1.000 EURO das Kilo lassen, die ist ihr Geld nicht wert, aber der mittelpreisige Osietra mit 1.260 EURO pro Kilo ist schon richtig gut und value for the money; der Beluga ist natürlich nochmals deutlich besser, aber mit 4.200 EURO pro Kilo schon nicht mehr so richtig value for the money); der Kaviar im Karpfen ist gut und mit 39 EURO für das 28 Gramm Gläschen fair bepreist, der Kartoffelschnee dazu ist kalt, das Wachtelei hübsch anzuschauen, aber sinnbefreit. Danach das mit Honig karamellisierte Ziegenkäse-Canapé ist OK, aber mit 16,50 EURO schlichtweg überteuert. Das vegetarische Sushi im Panko-Mantel ist mit 16 EURO zwar wieder wohlfeil, dafür aber nur eine gebastelte riesige Monstrosität bar jeder Leichtigkeit, Eleganz und wohligen Geschmackserlebnisses, so mag es aussehen, wenn Frankensteins Monster mit seinen plumpen ungelenken Riesenpranken Sushi zu formen versucht. Die Hummerbisque fischelt penetrant und ist geschmacklich dann nicht besser. Der Saibling auf fresh Coconut-Chilikraut, Yuzu-Peppersauce und Rote-Bete-Kartoffeln ein zerfallendes, übergartes Fischfilet weit entfernt von jeder Glasigkeit, das Beste an den Beilagen gewiss die Anglizismen. Der Tafelspitz trocken, die Meerrettichsauce macht nicht den Eindruck, als ob sie jemals frischen Meerrettich gesehen hätte, alles lauwarm, nur nicht die Kartöffelchen, die sind fast kalt. Das Kalbsschnitzel – angeblich, auch auf explizite Nachfrage, vom Kalbsfilet; da wundert sich der kochende Laie schon, wie man solche formidablen Flatschen Fleisch aus einem Kalbsfilet heraus bekommt – wässrig, die Bratkartoffeln braun, aber nicht kross, dazu kalt, der Salat ölig. Das Sorbet zum Abschluss belanglos, die Rote Beerengrütze angedickte TK-Ware auf verdammt nach Convenience schmeckender Vanillesauce mit hübschen Fruchtpüree-Ornamenten und industriellem Vanilleeis.

Das Frühstück am nächsten Morgen ist ganz OK, die Wurst allerdings recht traurig.

Romantik-Hotel Goldener Karpfen
Maria und Renate Tünsmeyer
Simpliziusbrunnen 1
D-36037 Fulda
Tel.: +49 (6 61) 8 68 00
Fax.: +49 (6 61) 8 68 01 00
E-Mail: info@hotel-goldener-karpfen.de.
Internet: www.hotel-goldener-karpfen.de

Hauptgerichte von 18 € (Blumenkohl auf Süßkartoffelpüree) bis 44 € (Lammcarrée auf Kichererbsen-Schmorgemüse), Drei-Gänge-Menue von 34,50 € bis 113 €

Doppelzimmer mit Frühstück (pro Zimmer, pro Nacht) 165 € bis 275 €

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